Alles begann mit einer E-Mail der Kinderhilfsorganisation ‚Friedendorf‘ vom 8. November 2018. Diese international anerkannte Institution arbeitet weltweit in unterschiedlichen Ländern und hat sich zur Aufgabe gemacht, kranken und verletzten Kindern zu helfen. Können diese im Herkunftsland nicht adäquat behandelt werden, erfolgt der Transfer in die Zentrale nach Deutschland, genauer gesagt nach Oberhausen. Von hier aus werden die kleinen Patienten an deutsche Kliniken vermittelt. Dies gestaltet sich oftmals schwierig, da die Krankenhäuser die Kosten für die Behandlung nicht erstattet bekommen und es sich bei den Erkrankungen und Verletzungen oft um sehr komplizierte und chronische Verläufe handelt. In diesem Fall startete die Kinderhilfsorganisation Friedensdorf eine Anfrage an das Evangelische Krankenhaus Bergisch Gladbach, ob die Bereitschaft bestehen würde, ein verletztes Kind aus Angola zu behandeln.
Der Chefarzt der Klinik für Orthopädie, Unfall- und Wirbelsäulenchirurgie, Dr. Kai Pieritz, war bis 2005 als Arzt bei der Bundeswehr tätig und mehrfach an humanitären Einsätzen in Krisengebieten beteiligt. So verbrachte er zum Teil mehrere Monate in unterschiedlichen Einsatzgebieten in Afghanistan und dem Kosovo. Im Rahmen dieser humanitären Einsätze knüpfte Dr. Pieritz bereits Anfang des Jahres 2000 erste Kontakte zu Mitarbeitern des Friedensdorfes. Vielen der kleinen Patienten konnte damals im Feldlazarett im Bundeswehrcamp in Kabul geholfen werden. Auch in seiner Zeit im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz wurden die sogenannten Friedensdorfkinder betreut.
Mitte November 2018 wurde der neunjährige Manuel aus Angola in der Klinik für Orthopädie, Unfall- und Wirbelsäulenchirurgie stationär aufgenommen. Der fröhliche Junge fühlte sich schnell sehr wohl auf der Station 3 B, wo er oft im Mittelpunkt stand und viel Aufmerksamkeit der Schwestern und Mitpatienten auf sich zog. Dass er nur portugiesisch sprach, fiel kaum ins Gewicht – regelmäßig waren ehrenamtliche Dolmetscher des Friedensdorfes vor Ort, auch klappte die Verständigung mit Händen und Füßen einwandfrei.
Der Junge hatte sich in seinem Heimatland im Mai 2017 durch einen Autounfall eine sehr komplizierte Verletzung am rechten Schulterblatt zugezogen. Es handelte sich um eine offene Wunde, die nur provisorisch behandelt worden war. Manuel stammt aus der ländlichen Provinz Bie. In den ländlichen Regionen Angolas haben die Menschen kaum einen Zugang zu einer medizinischen (Basis-)Versorgung. In der Hauptstadt Luanda gibt es eine Kinderklinik. Die Ärmsten haben allerdings nicht die finanziellen Mittel, die Behandlungen zu bezahlen. Zudem ist auch diese Klinik mit größeren Befunden überfordert, wie zum Beispiel mit einer Knochenentzündung wie bei Manuel.
Denn im weiteren Verlauf kam es zu schweren Wundinfektionen und die Wunde heilte nicht. Hinzu gesellte sich eine chronische Entzündung des Knochens, medizinisch Osteomyelitis genannt. Bei der chronischen Entzündung des Knochens handelt es sich um eine schwelende und äußerst hartnäckige Infektsituation des Knochens. Dieses Erkrankungsbild tritt in der Regel nach offenen Knochenverletzungen auf und ist sehr schwer zu therapieren. Deutschlandweit gibt es nur wenige Kliniken und Zentren, die auf dieses Erkrankungsbild spezialisiert sind.
Chefarzt Dr. Pieritz war von 2008 bis 2010 am Universitätsklinikum Mannheim tätig und hat sich in dieser Zeit insbesondere mit Verletzungen des Schultergelenks beschäftigt. Aus dieser Zeit pflegt er noch gute Kontakte zu dem Vizepräsidenten der Deutschen Vereinigung der Schulter- und Ellenbogenchirurgie, Prof. Lars Lehmann. Bereits im Vorfeld der Behandlung von Manuel haben sich die beiden ehemaligen Kollegen intensiv über den Fall ausgetauscht, um eine klare Strategie für die Therapie festzulegen.
So musste Manuel nach Vervollständigung der Diagnostik aufgrund der Schwere der Verletzung mehrfach operiert werden. Da es sich bei der Osteomyelitis um eine chronische Infektion handelt, wurden zusätzlich Fachärzte für Mikrobiologie in den Behandlungsablauf hinzugezogen. Die Mikrobiologen gaben wertvolle Tipps und Ratschläge, welches Antibiotikum in diesem speziellen Fall anzuwenden sei.
Manuel überstand diese langwierige Prozedur mit vielen Operationen sehr gut und konnte schließlich nach mehrwöchiger Behandlung mit vollkommen reizlosen Wundverhältnissen und absolut beschwerdefrei aus der stationären Behandlung entlassen werden. Die Abschlussuntersuchung erfolgte Ende Januar, wo er sich strahlend und überaus glücklich zeigte. Mit Hilfe seines Dolmetschers bedankte er sich bei dem behandelnden Team nochmals und äußerte sich sehr froh, dass er seinen Arm und das Schultergelenk nun wieder ohne Beschwerden bewegen kann. In einigen Wochen wird Manuel wieder zurück in sein Heimatland fliegen. Dort warten auch schon seine Eltern und sechs Geschwister auf ihn. Aller Voraussicht nach wird er ein normales Leben ohne Einschränkung der Schulter führen können.
Auch Prof. Lehmann gratulierte dem Team der Klinik für Orthopädie, Unfall- und Wirbelsäulenchirurgie zu dem guten Ergebnis. „Ich bin sehr froh, dass es Manuel so gut geht und dass wir diese schlimme Verletzung heilen konnten“, äußerte sich Chefarzt Dr. Pieritz. „Und natürlich macht es mich auch stolz, dass ein so herausragender und anerkannter Spezialist für Schulterchirurgie wie Prof. Lehmann dieses Ergebnis ebenfalls würdigt.“
Die Verabschiedung von Manuel verlief sehr herzlich. Durch seine fröhliche und unkomplizierte Art war der kleine Junge beinahe so etwas wie ein Maskottchen der Station geworden. Beflügelt durch diese für alle Beteiligten äußerst positive Erfahrung soll auch in Zukunft die Zusammenarbeit mit dem Friedensdorf fortgesetzt werden. Chefarzt Dr. Pieritz lobte abschließend die sehr professionelle Arbeit seitens der Mitarbeiter des Friedensdorfes. EVK-Pflegedienstleiter Thomas Stokowy bezeichnete es als eine gemeinsame Aufgabe von Friedensdorf und Evangelischem Krankenhaus, professionell dort zu helfen, wo es notwendig und erforderlich ist.
Foto(s): Prothmann/EVK Bergisch Gladbach