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„Gott in der Falle der Hirnforscher?“ – Vortrag von Dr. Christian Hoppe in der Reihe „Hürther Christen im Gespräch“

„Auch der bekannteste Forscher kann mir nicht weismachen, dass es Gott nicht gibt“, vertraute eine Besucherin vor Beginn der Veranstaltung in der ökumenischen Reihe „Hürther Christen im Gespräch“ ihrem Begleiter an. Wie über 20 weitere Interessierte waren die beiden der Einladung des Katholischen Bildungswerks im Rhein-Erft-Kreis, der Melanchthon-Akademie sowie der evangelischen und katholischen Gemeinden in das Gemeindezentrum Martin-Luther-King der Evangelischen Matthäus-Kirchengemeinde Hürth gefolgt.

Das Fragezeichen
Für seinen anspruchsvollen Vortrag „Gott in der Falle der Hirnforscher?“ hatte Christian Hoppe tatsächlich einen Titel gewählt, der „Gott als eine Erfindung des menschlichen Gehirns“ zu suggerieren schien. Wäre da nicht das Fragezeichen. Der promovierte Neuropsychologe und Theologe tat denn auch selbstverständlich keine unumstößlichen Erkenntnisse über die Nicht-Existenz Gottes kund. Vielmehr bot er unter anderem einen spannenden Einblick in die moderne Hirnforschung und deren Verfahren, mit denen die Wissenschaftler die Entstehung religiöser Vorstellungen im Gehirn zu orten und zu begründen versuchen.

Die Fragestellungen
Mittels anschaulicher Power-Point-Präsentation ging Hoppe, der an der Klinik für Epileptologie der Universität Bonn tätig ist, Schritt für Schritt voran. Zunächst beleuchtete er, wie Naturwissenschaft funktioniert, wie sie zu Fragestellungen kommt. Wissenschaft suche nach Regeln, die allgemein, und auf viele Dinge anwendbar seien.
Am Beispiel der Epilepsie, „sie ist sozusagen das Schlüsselloch zur Funktion des menschlichen Gehirns“, zeigte Hoppe auf, wie Forscher im Gehirn den Gründen für physische oder psychische Reaktionen nachspüren, und gegebenenfalls zu erfolgreichen Lösungen finden. Die in allen Völkern und zu allen Zeiten verbreitete und auch in der Bibel (Markus, Kap. 9) erwähnte „Fallsucht“ sei lange mit übernatürlichen Ursachen erklärt worden. „Diese Idee des Dämonischen brauchen wir nicht mehr“, so der 38-Jährige. Stattdessen gebe es die wissenschaftliche Erklärung von natürlichen Reaktionen im Gehirn – und drei wirksame Behandlungsmethoden: medikamentöse Therapien, Epilepsie-Chirurgie, Elektro-Stimulation.

Experimente
Sind demnach auch weitere Vorgänge im Gehirn festzustellen oder gar manipulierbar? Etwa die der übernatürlichen Erfahrungen? Experimente hätten bewiesen, dass ein anderer, etwa mittels transzendentaler Meditation erreichter Bewusstseinszustand eine Veränderung im Gehirn bewirke. „Im Moment des höchsten Glücksgefühls waren die rechten Stirnlappen, die für die räumliche Orientierung zuständig sind, zusätzlich aktiviert“, erläuterte Hoppe. Übernatürliche Erfahrungen seien aber auch durch äußere Einwirkung auf das Gehirn zu erzeugen. So habe sich bei einer Epilepsie-Patientin durch Reizung der Hirnrinde mit Stromstößen eine „Out-of-body-Erfahrung“ eingestellt. „Sie hat sich von der Zimmerdecke aus im Bett liegen gesehen.“ Und auch die von vielen Nahtod-Patienten beschriebenen, als beglückend empfundenen Tunnel-Licht-Erlebnisse könnten heute durch das Narkosemittel Ketamin in Gang gesetzt werden.

Gotteserfahrung im Laborexperiment
Schließlich verwies Hoppe auf eine „Gotteserfahrung“ im Laborexperiment. Die überwiegende Mehrheit der Probanden, deren Schläfenlappen man stimuliert habe, hätten während dessen eine Anwesenheit von Dritten, auch von einer Art Engel gespürt. Sie hätten Berührungen am Arm wahrgenommen oder gar das Gefühl gehabt, von Aliens abgeholt worden zu sein. Eine Wissenschaftlerin habe im Selbstversuch ein Gefühl großer Beglückung empfunden. „So einfach ist das also. Man drückt auf den Knopf, und schon habe ich meine ´Gotteserfahrung´.“

Der“ zweite Zugang zur Wirklichkeit“
Ist also alles nur Gehirn? Und wie ist der Geist einzuordnen? Der Geist, so Hoppe, sei jedenfalls nicht ohne bestimmte Gehirnprozesse vorstellbar, und bestimmte Funktionen seien biochemisch festgelegt. Doch die Wissenschaft, das Wissen um diese Phänomene, biete nur einen Zugang zur Wirklichkeit. Als zweiten Zugang zur Wirklichkeit nannte Hoppe die persönliche Erfahrung. Im Gegensatz zum Wissen könne sie aber niemals eins zu eins auf andere übertragen werden. Dort gehe es etwa um Objektivität, um die absolute Perspektive, hier um Wahrhaftigkeit und die Ich-Perspektive.

Der dritte Zugang
Und Hoppe fügte einen dritten, „häufig übersehenen Zugang“ hinzu, die Ebene des unmittelbaren Erlebens. „Man lebt jetzt im Augenblick; das Bild, das wir haben, sind wir, nichts wiederholt sich, niemals.“ Dieses Erleben sei gekennzeichnet durch Tatsächlichkeit („wahrer als wahr“), durch die Unwiederbringlichkeit des Jetzt. „Ich“ und „Welt“ seien nicht getrennt. „Wir sind verbunden mit allem, was wir erleben.“

Alle zusammen = die Zugänge zur Wirklichkeit Gottes
Dieses Miteinander der drei Zugänge nannte Hoppe „dies-hier-jetzt“. Gemeinsam würden sie wiederum Zugänge zur Wirklichkeit Gottes darstellen. Wo das „dies-hier-jetzt“ etwa von Tatsächlichkeit, Unwiederbringlichkeit und der Untrennbarkeit von Ich/Welt bestimmt sei, sei Gott die absolute Wahrheit, das Schöpferische, Allmächtige, Ewige – die Liebe. Die verschiedenen Zugänge führten zu dem gedachten Gott, dem erfahrenen Gott und dem direkten Gott-Erleben. Gott sei „personal – mein Gott“, aus christlicher Sicht das unmittelbar Nahe. „Dieser Moment ist Gott, und nichts anderes.“

Das, worauf es ankommt, ist eigentlich nicht kommunizierbar“, stellte ein Teilnehmer fest. „Genau, und darüber kommunizieren wir“, erwiderte Hoppe. „Es macht einen ein bisschen hilflos, wenn man darüber nachdenkt.“ Die Naturwissenschafter würden irren, „wenn sie glauben, den einzigen Zugang zur Wirklichkeit zu haben. Es ist ein bestimmter Zugang, aber nicht der einzige. Die Dinge sind miteinander verbunden und stehen in einer Spannung zueinander.“

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich