Die Koksöfen, die mit einem verzierten Schalldeckel versehene hohe Kanzel und das mächtige Kreuz an der südwestlichen Stirnwand sind längst Vergangenheit. Zuletzt wurde der Innenraum der Christuskirche in Köln-Dellbrück 2003 umgestaltet. Die Renovierung ist gelungen. Seitdem stellt sich der von einem Tonnengewölbe geprägte Saalbau mit 350 Sitzplätzen merklich frischer und heller dar, meint Otmar Baumberger, der 1981 als Pastor an die Christuskirche kam und dort seit 1984 als Pfarrer amtiert. Mit ihm loben viele Gemeindeglieder das neue Lichtkonzept: „So hell wie heute war sie noch nie.“ Damit sei auch die einst berechtigte Kritik eines Architekten hinfällig, der bedauert hatte: „Ihre Kirche verspricht außen etwas, was sie innen nicht halten kann.“ Auch der Altarbereich wurde modifiziert. Er wurde nach vorne gezogen, so dass das Abendmahl nun in einem großen Kreis von 40 Menschen gefeiert werden kann. Er bietet ebenfalls mehr Raum für die zahlreichen Musikaufführungen, die in der weiterhin ausgezeichneten Akustik besonders zum Tragen kommen.
Festwoche mit großem Programm vom 12 bis 19. Juni
Vom Sonntag, 12. , bis Sonntag, 19 Juni, feiert die Evangelische Kirchengemeinde Köln-Dellbrück/Holweide das 100-jährige Bestehen ihrer äußerlich unveränderten, neobarocken Christuskirche an der Bergisch Gladbacher Straße/Ecke Dellbrücker Mauspfad. Charakteristisch ist unter anderem der Turm an der Ostseite mit seinem zwiebelförmigen Haubenabschluss.
Innerhalb der Festwoche vom 12. bis 19. Juni steht am 16. Juni der Tag der Frauen auf dem Programm. Gefolgt wird er vom Tag der Musik (17. Juni) und dem Familientag (18. Juni). Den Abschluss bildet am Sonntag, 19. Juni, 10.30 Uhr, ein Festgottesdienst, in dem Präses Nikolaus Schneider die Predigt hält. Täglich ist im Gemeindehaus von 10 bis 19 Uhr, am Sonntag bis 14 Uhr, eine unter anderem von Otmar Baumberger, Theodor Fischer, Rosemarie Schumacher und Horst Schmitz organisierte Ausstellung zur 100-jährige Geschichte der Christuskirche zu sehen. Weitergehende Informationen zum Programm sowie die Bestelladresse der ausführlichen, mit diversen Zeitzeugenberichten versehenen Festschrift bietet www.ev-christuskirche.de. Dort werden jeweils auch Fotos von Veranstaltungen des Vortages eingestellt.
Orgel befindet sich „im Angesicht der Gemeinde“
Angesichts der im Zuge der Industrieansiedlung stark gestiegenen Zahl auch von Protestanten in Dellbrück, beschloss die damals zuständige Evangelische Gemeinde Mülheim 1903 dort den Bau eines Gotteshauses. Im selben Jahr wurde der Entwurf des Berliner Architekten Otto March, der mit einer Tochter der einflussreichen Mülheimer Familie Andreae verheiratet war, angenommen. 1904 erfolgte die Grundsteinlegung auf einem von Unternehmer Paul von Andreae gestifteten Grundstück, 1905 die Einweihung. Nach Marchs Plan einer „axialen Ausrichtung auf Prediger und Empore“ befindet sich die Orgel noch heute „im Angesicht der Gemeinde“ über der nun mit einem zentralen Standkreuz aus Holz und Edelstahl versehenen Chorrückwand.
Das Dach war abgedeckt, Türen und Fenster völlig zerstört
„In einer Nacht im Sommer 1944 zerstörte … eine Luftmine die evangelische Schule, die schräg gegenüber des Haupteinganges unserer Kirche stand, völlig“, erinnert Käthe Nußbaum, deren Vater Karl Stoffels von 1933 bis 1967 das Küsteramt versah, an die Kriegzeit. „Dabei wurde auch unsere Kirche stark beschädigt. Das Dach war abgedeckt, Türen und Fenster völlig zerstört und auch die gewölbte Decke mit den Lampen war zum Teil eingestürzt. Auch die Orgel erlitt einen großen Schaden. Aber wir hatten ja noch ein Gemeindehaus, wo noch lange der Gottesdienst gefeiert wurde.“ Mitte April 1945 sorgten deutsche Artillerietreffer für weitere Schäden am Gebäude. Aber schon im Dezember 1947 stand die Christuskirche wieder für den Gottesdienst zur Verfügung.
„Ein Einschlag in den Glockenturm, die Uhr war kaputt“
Der sonntägliche Kindergottesdienst in der Nachkriegszeit stand nicht selten in Konkurrenz zum Spektakel auf dem nahe gelegenen Fußballplatz. Dort war Preußen Dellbrück beheimatet, seinerzeit bundesweit eine Macht. Und ein Zuschauermagnet, nicht nur, wenn Borussia Dortmund, der Schalke 04, Hamburger SV oder 1. FC Köln „Em Höffge“ gastierten. Theodor Fischer etwa blickt auf so manchen Sonntag zurück, wo er mit dem Nachbarmädchen das Bejubeln der Tore dem Kindergottesdienst-Besuch vorgezogen hat. Den Pfarrerkindern und anderen Jugendlichen diente sogar der Turm der Christuskirche als Logenplatz. „Von dort hatte man einen guten Blick auf das Spielfeld“, weiß Baumberger aus Erzählungen. Ungezählte Erinnerungen verbindet die ehemalige Gemeindeschwester Rosemarie Schumacher mit der Christuskirche. „Einmal im Sommer bekam ich große Angst. Samstag abend – Küstervertretung, die Glockenläuteten den Sonntag ein. Über Dellbrück hing ein schweres Gewitter, Blitz und Donner waren eins. Da wurde es auf einmal taghell – ein wahnsinniger Donner ließ die Mauern erzittern – die Glocken verstummten: Ein Einschlag in den Glockenturm, die Uhr war kaputt, die Leitungen defekt.“ Die Kirche aber habe wie eh und je stark und trutzig gestanden, und Rosemarie Schumacher in ihr, „weiß-grau und zitternd“.
Auseinandersetzung mit sozialen Problemen und politischen Fragen der Zeit
„Man kann mit den Menschen in dieser Gemeinde sehr viel machen. Das Presbyterium trägt und ermutigt kreativ zu sein, neue Sachen einzubringen“, so Baumberger. Dies gelte für verschiedene Formen des Gottesdienstes mit auch modernen Texten und Liedern, für Musikaufführungen und Ausstellungen. Dies gelte ebenso für andere Themen der Gemeindearbeit, die Baumberger als „Gottesdienst im Alltag der Welt“ bezeichnet. Unter anderem nennt er die Auseinandersetzung mit sozialen Problemen und politischen Fragen der Zeit. So wurden etwa Friedensgebete und Umweltwochen organisiert. Man setzt sich ein für Arbeitslose und asylsuchende Sinti und Roma, pflegt einen interreligiösen, speziell christlich-jüdischen Dialog sowie Partnerschaften mit Gemeinden in Brasilien, Taiwan und Kongo. Zudem wurde mit dem „Dellbrücker Forum“ eine regelmäßig gut besuchte Diskussionsveranstaltung etabliert. Mit seinen großen politischen Themen „Gerechtigkeit, Frieden, Erhalt der Umwelt“ bedeuten diese Streitgespräche im Gemeindehaus oder in der Christuskirche laut Moderator Arnd Henze „für viele eine ganz neue Erfahrung von Kirche – obwohl oder gerade weil wir ´nur ´ über Politik reden“. Das Ziel laute, „Gemeinschaft stärken und Brücken bauen zwischen den Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Überzeugung, ihrem Alter und ihrer sozialen Stellung“, sagt Baumberger. „Mit unseren Veranstaltungen öffnen wir die Möglichkeit zum offenen Gespräch und zur Begegnung und beteiligen wir uns am gesellschaftlichen Leben im ´Viertel´.“
„Man darf eine schöne, alte Kirche nicht vergammeln lassen“
Die 300.000 Euro teure Renovierung der 1982 zum Baudenkmal erklärten Christuskirche im Jahre 2003 sei in „gutem Einvernehmen mit dem Stadtkonservator“ erfolgt, erklärt Baumberger. Und sie sei absolut vertretbar. „Man darf eine schöne, alte Kirche nicht vergammeln lassen“, betont er. Denn das Engagement für soziale Themen und Projekte dürfe nicht dazu führen, das Gotteshaus zu vernachlässigen. „Wir müssen auch einen Raum haben, wo man seine Hoffnung feiert und die Tradition lebendig hält“, so der Pfarrer. „Die Christuskirche ist jetzt in einem sehr guten Zustand.“ Nun gelte es weiterhin, den aufgenommenen Kredit abzutragen. Insbesondere aber die Vielzahl der Veranstaltungen, die lebendige Gemeindearbeit zu erhalten und auszubauen. Die verschiedenen Ansätze und Formen müssten dabei von dem Grundsatz geprägt sein, dass die Christuskirche Menschen aller Couleur Platz biete, so Baumbeger. „Jeder muss spüren, dass er als Mensch akzeptiert ist.“
Pauluskirche feiert auch Geburtstag – sie wird 40 Jahre alt
Feiert die Gemeinde im Juni das 100. Bestehen ihrer Christuskirche, steht das erste Juli-Wochenende im Zeichen des 40. „Geburtstages“ der Dellbrücker Pauluskirche. Am 4. Juli 1965, fast auf den Tag genau vor vier Jahrzehnten, wurde sie eingeweiht. „In vierzig Jahren wurde sie mit dem Gemeindehaus zusammen zu einem wichtigen Anlauf- und Lebensmittelpunkt vieler Menschen im Stadtteil und auch darüber hinaus“, so Pfarrer Klaus Völkl. Gefeiert wird am 2./3. Juli mit einem Sommerfest. Am 3. Juli, 11 Uhr, wird mit einem Familiengottesdienst begonnen.
Foto(s): Engelbert Broich