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Glaube für Einsteiger: Wieso haben Protestanten so selten frei?

Die Feste der Protestanten – so scheint es – sind eher freudlos: Am Reformations- und am Buß- und Bettag kann man sich die Predigt in der Kirche anhören. Oder man bleibt gleich zu Hause. Auch zu Epiphanias am 6. Januar, wenn katholische Kinder als Heilige Drei Könige herumlaufen, fällt den Evangelischen nicht viel ein. Wer die Sache so sieht, wundert sich kaum, dass der Buß- und Bettag 1994 als bundesweit geschützter Feiertag gestrichen wurde. Viele meinten, sie müssten lediglich einen Mittwoch im Jahr mehr arbeiten, das nahmen sie in Kauf. Nur die Sachsen unter Kurt Biedenkopfs Regierung hielten am Feiertag fest. Auch bayerische Schüler haben am Buß- und Bettag bis heute frei.

Im Protestantismus geht es noch um etwas anderes

Protestanten können auch feiern. Sie tun es vielleicht nicht so häufig und so üppig wie Katholiken. Feiertage helfen, bestimmte Themen zu verinnerlichen, sagt der katholische Theologe und Brauchtumsexperte Manfred Becker-Huberti: das Totengedenken zum Beispiel, auch den Jahreswechsel. Und wo man sie mit Ritualen verbindet, stellen sich die Leute an Feiertagen in die lange Kette derer, die diese Feste schon in früheren Zeiten so gefeiert haben – und derer, die sie eines Tages vermutlich ebenso feiern wie wir heute. Im Protestantismus geht es aber noch um etwas anderes. Sich ständig selbst zu prüfen, ob man noch den hohen Maßstäben der ersten Christen genüge – das hatten die Reformatoren gefordert. An die Stelle der Traditionspflege in der Religion solle das Studium der Heiligen Schrift treten. Seither pflegt man nicht mehr die Tradition, man hinterfragt sie.

Die Feierkultur hat mit Verlangsamung zu tun, sagt Becker-Huberti. Während Arbeitstage sich kaum voneinander unterscheiden, strukturieren Feiertage in der Erinnerung das Jahr: der verregnete Osterspaziergang, die Überraschung beim Familientreffen an Pfingsten, die Vorfreude auf den Nikolaustag, die aus dem Ruder gelaufene Neujahrsparty. All das kennen Protestanten auch. Aber sie verbinden es weniger mit ihrer religiösen Praxis. Wohl auch deshalb schneiden – wenn es um den Erhalt gesetzlicher Feiertage geht – die Katholiken am Ende besser ab.

Text: Burkhard Weitz | Aus: "chrismon", das evangelische Monatsmagazin der Evangelischen Kirche | © www.gemeindebrief.de
Foto(s): Thorsten Levin