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„Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau ...“ (Galaterbrief 3,28)

Glaube für Einsteiger: Darf man Vorurteile haben?

Als die junge Frau mit Down-Syndrom mit 18 Jahren eine Arbeit sucht, stößt sie bei mehreren Personalchefs auf viel Freundlichkeit, aber auf noch mehr Zurückhaltung. Nach etlichen vergeblichen Bewerbungen kann Friederike in einem Hotel als Küchenhilfe und Servicekraft anfangen. Ihr Chef sagt heute über sie: Es war ein Glücksfall, diese fleißige und stets ausgeglichene Frau eingestellt zu haben.

Vorurteile sind Pauschalurteile über ganze Gruppen: Frauen sind schlechter in Mathematik und Physik als Männer. Flüchtlinge sind häufiger kriminell als alle anderen. Hartz-IV-Empfänger sind bequemer als Erwerbstätige. Muslime unterdrücken ihre Frauen. Und eben: Menschen mit Behinderungen bringen weniger Leistung im Beruf.

Verborgene Werturteile hinterfragen
Grundsätzlich haben Vorurteile einen unbestreitbaren Nutzen: Sie erleichtern die Orientierung in einer unübersichtlichen Gesellschaft. Sie helfen, die Mengen an Informationen zu ordnen, die auf uns einstürmen. Da liegt es nahe, Kennzeichen wie Geschlecht, Alter, Hautfarbe, Vermögen, Religion als Hilfskriterien anzulegen – wenn denn diese Raster nur erste Wahrnehmungshilfen wären und nicht, wie so oft, dauernde Werturteile einschlössen: Frauen sollten besser nicht Physik studieren, Flüchtlinge in ihrer Heimat bleiben, Hartz-IV-Empfänger für ihre Bequemlichkeit nicht noch belohnt werden …

Nicht Kritik zu üben ist das Problem, sondern die möglicherweise dahinterstehende pauschale Abwertung anderer. Wer mit den eigenen Vorurteilen aufräumen will, muss kritisch seine verborgenen Werturteile hinterfragen. Dann kommt er vielleicht auch dem biblischen Ideal näher: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau …“ (Galaterbrief 3,28).

Besser wäre es, Ängste und Vorurteile ruhig aufzuarbeiten – und ernsthaft auf sie einzugehen. Das setzt Offenheit auf allen Seiten voraus. Noch besser wäre: Die Menschen, um die es geht, erst einmal gründlich persönlich kennenzulernen.

Text: Eduard Kopp | Aus: "chrismon", das evangelische Monatsmagazin der Evangelischen Kirche | © www.gemeindebrief.de
Foto(s): Thorsten Levin