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Gespräch statt Predigt in der renovierten Auferstehungskirche

Das gesamte rechtsrheinische Köln will der Arbeitskreis „Zeit für Dich“ ansprechen. Die Reihe Frauengottesdienste „von Frauen für Frauen“ in der Auferstehungskirche in Köln-Buchforst hat das Team um Christine Winterhoff und Anja Mehren organisiert.

Gottesdienst statt Karneval
Sabine K. ist sogar aus der Innenstadt auf die Schäl Sick gekommen, nicht etwa um vor dem Karnevalstrubel am Elften im Elften zu fliehen. Sie hat die aktive ökumenische Frauenbewegung der achtziger und neunziger Jahre miterlebt und freut sich, „dass hier wieder etwas keimt“. Ihr Wunsch ist vor allem eine frauengerechte Sprache im Gottesdienst. „Die meisten Gottesdienste sind ja eher Männerveranstaltungen“. An der Themenwahl reizt sie, dass sich das Team an die Geschichte von Tamar (Genesis 38) wagt.

Eine Frau kämpft um ihr Recht
Aus heutiger Sicht klingt ihre Geschichte tatsächlich abenteuerlich und moralisch nur wegen der damaligen Rechtsnormen nachvollziehbar: Tamar, Schwiegertochter des Juda, verheiratet mit seinem Sohn Er, wird früh Witwe. Eine kinderlose Witwe, erläutert Christine Winterhoff, war in den Großfamilienverbänden eine unnütze Esserin. Also ging, falls vorhanden, ein Bruder des Verstorbenen die sogenannte „Schwagerehe“ mit ihr ein. Dieser sollte sie heiraten, mit ihr „die Ehe vollziehen“ und für einen Nachkommen sorgen. Dieses Kind aber war rechtlich nicht seines, sondern das seines verstorbenen Bruders. Ers Bruder Onan praktiziert deswegen einen Coitus Interruptus, „er ließ den Samen auf die Erde fallen“. Weil Gott dies missfiel, ließ er Onan sterben. Der jüngste Sohn Judas, Schela, war noch nicht volljährig. Als Schela volljährig wurde und Juda seine Schwiegertochter Schela nicht zur Frau gab, weil er Angst hatte, dass ihm auch dieser Sohn sterben würde, handelte Tamar. Als sie erfuhr, dass Juda zur Schafschur verreiste, verkleidete sie sich als verschleierte Prostituierte und setzte sich an den Weg, den er passieren musste. Juda hatte Sex mit ihr, als Pfand für die spätere Bezahlung ließ er ihr seinen Siegelring und seinen Hirtenstab zurück. Tamars Rechnung ging auf, sie wurde tatsächlich schwanger. Als Juda sie daraufhin wegen „Unzucht“ verbrennen lassen wollte, präsentierte sie ihm seine Pfänder und Juda gab beschämt zu, dass Tamar im Recht war, weil er sie Schela nicht zur Frau gegeben hatte.

Geschichte szenisch dargestellt
Statt einer Lesung stellte der Vorbereitungskreis der Gottesdienstreihe die Geschichte szenisch dar. Statt einer Predigt waren alle Teilnehmenden, darunter auch drei Männer, eingeladen, ihre Gedanken zu äußern. Emotionen angesichts der damaligen Doppelmoral, aber auch die Frage, was diese Geschichte Frauen heute noch sagt, standen im Mittelpunkt. „Zorn darüber, wie Tamar behandelt wurde und Genugtuung darüber, als sie zu ihrem Recht kam“ nannte eine Besucherin, angesichts der für Tamar gefährlichen Geschichte. „Gott sei Dank gibt es das heute nicht mehr, dachte ich erst“, berichtete eine weitere Besucherin. „Dann wurde mir klar, dass es davon abhängt, in welchem Teil der Erde man geboren wurde.“ „Sie gehörte zum Stammbaum Jesu. Das ist für mich ein Zeichen von Gottes Zustimmung dazu, wie sie sich auf die einzig für sie mögliche Weise ihr Recht verschafft“, ergänzte eine weitere Besucherin. „Juda sagt sogar, `Du hast Recht´“, erläuterte Christine Winterhoff. „Das war eines der höchsten Prädikate in der Bibel. Es ging also nicht nur darum, was sie haben wollte, sondern darum, dass Recht und Gerechtigkeit wieder hergestellt wurden. Über die Art, wie sich Tamar ihr Recht erkauft, muss man schon schlucken“, konstatierte auch Winterhoff. Schließlich „hätte das auch schiefgehen können.“ Dass die Frau letztlich nie gefragt wurde, dass das damalige Recht Männern Besuche bei Prostituierten gestattete, aber Frauen wegen „Unzucht“ auf den Scheiterhaufen bringen konnte, ließ Empörung zurück, bestärkte aber auch die Erkenntnis „Frauen sollten immer um ihr Recht kämpfen“.

Besondere Gottesdienst in besonderem Raum
„Tamar hat nichts Revolutionäres gemacht, sie war einfach schlau“, konstatierte am Ende auch Sabine K. Die Art, den Bibeltext nicht in einer klassischen Predigt zu präsentieren, gefiel ihr, weil „da nicht der Profi vorne steht, wie im traditionellen Gottesdienst, und alle hören zu“. Viola S., die mit ihren 16 Jahren den Altersdurchschnitt der Besucher erheblich senkte, gab sich angetan, weil sie einen „handelsüblichen“ Gottesdienst erwartet hatte. „Das war mal etwas anderes, ich sitze so oft im Gottesdienst und denke, darüber müsste man doch reden“, sagte sie hinterher. Auch wenn der Gottesdienst im Team mit Gesprächskreis nur eine Ausnahme war, stand bei der Gründung des Arbeitskreises „Zeit für Dich“ doch der Gedanke im Vordergrund, Alternativen zu traditionellen Gottesdiensten anzubieten. Bereits seit einem Jahr trifft sich der Vorbereitungskreis, um Ideen für Frauengottesdienste zu sammeln und die Liturgie zu entwickeln. Die frisch renovierte Auferstehungskirche bietet einen idealen Rahmen für solche Gottesdienste im eher kleinen Kreis “ erzählt Winterhoff. Mitarbeiterinnen wurden durch einen Artikel in „Frauseits“ gefunden, und bis Mai sind alle Termine mit Pfarrerinnen und Prädikantinnen als Predigerinnen besetzt.

Info zur Gottesdienstreihe
Die Frauengottesdienst werden an jedem zweiten Sonntag im Monat ab 18 Uhr in der Auferstehungskirche in Köln-Buchforst, Kopernikusstraße 34, gefeiert. Themen der folgenden Gottesdienste sind:

9. Dezember 2012
„Maria und Elisabeth, zwei schwangere Frauen“, Superintendentin Andrea Vogel.

13. Januar 2013
„Die gekrümmte Frau lernt den aufrechten Gang“, Pfarrerin Almuth Voss,

17. Februar 2013
„Die kanaanäische Frau möchte auch dazugehören“, Prädikantin Karin D. Witthöft

10. März 2013
„Frauen unter dem Kreuz, stumme Zeugen“, Pfarrerin Andrea Stangenberg

14. April 2013
„Schifra und Pua, die Macht der weisen Frau, Pfarrerin Andrea Stangenberg.


Text: von Czarnowski
Foto(s): von Czarnowski