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Gemeinsame Ziele von Gewerkschaften und Kirchen: ver.di-Geschäftsführerin sprach zur politischen Maiandacht in der evangelischen Kartäuserkirche Köln

Jahrelang war Georg Fritze, der „rote Pfarrer von Köln“, das geistliche Oberhaupt der Kartäuserkirche. Exakt 80 Jahre später, am 1. Mai 2008, gab es wieder eine politische Maiandacht im Bezirk Kartäuserkirche der Evangelischen Gemeinde Köln. Damit wollte der derzeitige Pfarrer der Kölner Südstadtkirche, Mathias Bonhoeffer, an die große Tradition der 20er Jahre anknüpfen. Denn Fritze kümmerte sich in besonderem Maße um die Arbeiterschaft und organisierte ab 1920 jährlich eine “ religiöse Maifeier“. 1928 hielt er seine letzte politische Maiandacht in der bis auf den letzten Platz besetzten Kartäuserkirche. Die Kanzelrede 2008 hielt Christa Nottebaum, Geschäftsführerin der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di im Bezirk Köln, zum Thema „Sabatverheißung und Sonntagsarbeit“.



Gemeinsame Ziele von Gewerkschaften und Kirchen
„Der Einsatz für Gerechtigkeit, menschenwürdige Arbeitsbedingungen und die Gerechtigkeit Gottes sind ein und dasselbe“, erläuterte Bonhoeffer gemeinsame Ziele von Gewerkschaften und Kirchen. Dabei spiele auch die Sabbatverheißung eine wichtige Rolle. „Der Sonntag ist ein subversiver Tag. An ihm hat man Zeit nachzudenken. Der Sonntag, an dem nicht gearbeitet wird, richtet sich gegen das Gebot des shareholder value, das ewige Diktat der Gewinnmaximierung. Er ist der Stachel im Fleisch, das Körnchen Sand im Getriebe“, warb Bonhoeffer für den arbeitsfreien Tag, der „natürlich auch“ für den Kirchgang genutzt werden solle. Schließlich sei der Sonntag der wöchentliche Vorgeschmack auf Befreiung und Erlösung.

„Gewinnerwartungen des Einzelhandels“ oder Schutz des Sonntags?
Auch Nottebaum sprach zum Thema Sabbatverheißung und Sonntagsarbeit. Sie wartete mit eindrucksvollen Zahlen auf. Nach verschiedenen Gesetzesänderungen hätten die Geschäftsleute in Köln die Möglichkeiten, an vier Sonntagen pro Jahr ihre Läden zu öffnen – pro Stadtteil. „Damit kommen wir 2008 auf 66 verkaufsoffene Sonntage im Stadtgebiet“, hat Nottebaum gezählt. Sie erinnerte an die Konsensrunde, in der Vertreter und Vertreterinnen der Kirchen, Gewerkschaften, der Geschäftsleute und der Politik Vorschläge für die Terminierung von verkaufsoffenen Sonntagen machen. „Wenn es allerdings keinen Konsens mehr gibt, werden wir die Runde verlassen“, drohte Nottebaum. Dann könne der Rat entscheiden, ob die Gewinnerwartungen des Einzelhandels mehr Gewicht hätten als der Schutz des Sonntags. Betroffen seien in Köln 30.000 Festangestellte und 15.000 Menschen in geringfügiger Beschäftigung im Handel in Köln.

Sonntagsarbeit plus Freigabe der Ladenschlusszeiten: „absurd“ und familienfeindlich
Die derzeitigen Arbeitszeiten seien vor allem wegen der Freigabe der Ladenschlusszeiten jetzt schon familienfeindlich. „Wenn eine Frau in einem Supermarkt arbeitet und ihr Mann im Schichtdienst bei den KVB, sehen die sich manchmal tagelang nicht“, so Nottebaum. An gemeinsame Mahlzeiten etwa mit den Kindern sei kaum zu denken. „Die brauchen den freien Sonntag unbedingt.“
Im Übrigen sei die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten absurd: Die Umsätze seit 2000 seien real gesunken. „Den Leuten fehlt nicht die Zeit zum Einkaufen, denen fehlt das Geld.“ Mittlerweile arbeiteten jeder siebte Arbeitsnehmer, jede siebte Arbeitnehmerin, auch sonntags. Viele von ihnen erfüllten öffentliche Aufgaben wie etwa in den Bereichen Polizei, Krankenpflege und seelische Erhebung. Für Letztere seien nicht zuletzt Pfarrerinnen und Pfarrer am Sonntag zuständig.

Verfassungsklage der beiden großen christlichen Kirchen gegen die Aushöhlung des Sonntagsschutzes
In anderen Bereichen müsse man den Anfängen wehren. So gebe es beispielsweise Bestrebungen, die Uni-Bibliothek sonntags zu öffnen. Die Studenten würden schließlich Gebühren zahlen, müssten arbeiten und stünden wegen der kurzen Regelstudienzeiten unter enormem Druck. „Da müssen wir aufpassen“, sagte Nottebaum. Sie erinnerte an den Verfassungsrang des geschützten Sonntags und unterstütze nachdrücklich die Verfassungsklage der beiden großen christlichen Kirchen gegen die Aushöhlung des Sonntagsschutzes: „Es nützt wenig, das Tempo des Lebens zu erhöhen, wenn man in eine Sackgasse rennt.“

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Rahmann