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Gelungenes Krisenmanagement: Die evangelische Lukaskirche in Flittard wird verkauft und abgerissen. Vorraussichtlich bis Ende 2009 entsteht ein neues Seniorenheim

Wenn eine Gemeinde eine Kirche aufgeben muss, dann tut das weh. Auch die evangelischen Christinnen und Christen in Stammheim und Flittard ereilt nun dieses Schicksal: Die Lukaskirche an der Roggendorfstraße wird verkauft. Durch sorgfältige Überlegungen und eine umfassende Diskussion auf der Leitungsebene der Evangelischen Brückenschlag-Gemeinde Köln-Flittard/-Stammheim wird der Schmerz aber im erträglichen Rahmen bleiben. Und die Aussicht, dass an Stelle der Kirche schon bald ein Seniorenheim der Johanniter für die älteren Menschen in beiden Stadtteilen kommt, dürfte dazu nicht unwesentlich beitragen.

Budget reicht nicht für zwei Gemeindezentren
2004 haben sich die vormals eigenständigen Gemeinden in beiden Stadtteilen zur Brückenschlag-Gemeinde zusammengeschlossen. Synergieeffekte sollten dabei entstehen und genutzt werden. Die aber, und das stand schon sehr schnell fest, reichten nicht aus, um in beiden Stadtteilen Gotteshäuser zu unterhalten. „Mit 2720 Gemeindegliedern sind wir eine bestenfalls durchschnittlich große Kirchengemeinde des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region“, sagte Presbyter Markus Frey, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit der Gemeinde. Diese überschaubare Gruppe sei aber erstaunlich engagiert: „Überdurchschnittlich viele Gemeindeglieder beteiligen sich aktiv am Gemeindeleben und unsere Angebote ziehen auch viele Menschen an, die nicht zur Gemeinde gehören“ so Frey. „Unsere Finanzmittel errechnen sich aber fast ausschließlich aus der Zahl der Gemeindeglieder“, stellte der Presbyter weiter fest.“ Und obwohl die in Stammheim und Flittard weniger stark sinkt als im Durchschnitt, ist die Rechnung für Markus Frey recht einfach: „Im Jahr 2014 wird es nur noch die Hälfte dessen sein, was wir 2004, im Jahr der Fusion, bekommen haben.“

Verkauf der Lukaskirche ist für Gemeinde sinnvoller
Dass bei dieser Entwicklung eines der beiden Gotteshäuser, die Lukaskirche in Flittard oder das Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Stammheim, auf der Strecke bleiben muss, liegt fast schon auf der Hand. Zumal beide Gebäude auch sanierungsbedürftig sind. Im April 2007 ließ die Gemeinde deshalb feststellen, wie hoch der Wert ihrer Liegenschaften eigentlich ist. Ein Gutachten eines Ingenieurbüros ergab mit 1,48 Millionen Euro für das Dietrich-Bonhoeffer-Haus und 1,4 Millionen Euro für die Lukaskirche nahezu identische Werte. Beide Gebäude liegen auf etwa gleich großen Grundstücken, knapp 5200 Quadratmeter jeweils. Den Ausschlag zum Verkauf der Lukaskirche gaben dann schlicht und einfach die Besitzverhältnisse. Die Flittarder Kirche ist im Eigentum der Gemeinde, der Bau wurde von ihr fast komplett selbst bezahlt. Beim Dietrich-Bonhoeffer-Haus hat der Evangelische Kirchenverband Köln und Region die Baukosten fast komplett finanziert. Bei einem Verkauf dieses Gebäudes hätten 70 Prozent des Erlöses an den Verband zurückgezahlt werden müssen, die Einnahmen aus dem Verkauf der Lukaskirche dagegen verbleiben nahezu komplett in der Gemeinde.

Interessenten von Lidl bis zu den Johannitern
Die Firma Lidl war dann im August 2007 der erste Interessent für das Grundstück an der Roggendorfstraße. Sie hätte dort gerne einen Supermarkt errichtet. Zum Glück für die Gemeinde kamen Ende November die Johanniter ins Spiel, die dort ein Seniorenheim realisieren wollen. „Wir haben das Gefühl, dass wir mit einem Seniorenheim im Stadtteil mehr erreichen als mit einem weiteren Discounter“, freute sich Fred Mallon, Presbyteriumsvorsitzender, über das Engagement des evangelischen Trägers. Ende April 2008 fasste das Presbyterium dann den Beschluss, sich von der Firma Hout Consens, die für die Johanniter Seniorenheime baut, ein Angebot erstellen zu lassen. Das lag bei 1,35 Millionen Euro inklusive Abriss, genauso viel, wie von den übrigen Mitbewerbern. Mitte Mai stimmte das Presbyterium dann dem Verkauf an das Unternehmen zu. Vor wenigen Tagen wurden die Verträge unterzeichnet. Vollzogen werden kann der Verkauf allerdings erst, wenn die Kirche entwidmet worden ist. „Das ist aber nur noch ein formaler Akt“, versicherte Mallon.

Seniorenheim an Stelle der Lukaskirche
Bis Mitte Januar wird die Gemeinde die Lukaskirche und die dazugehörigen Gebäude geräumt haben. „Bis dahin werden wir auch die notwendigen Formalitäten mit der Stadt Köln abgewickelt haben“, sagte Gerd Janssen, Geschäftsführer der Hout Consens. In zehn bis elf Monaten werde dann das Seniorenheim errichtet und „im Idealfall“, so Janssen, Ende 2009 eröffnet. „82 Pflegeplätze in Einzelzimmern und 30 Seniorenwohnungen entstehen in dem Neubau“, erklärte Frank Schubert von den Johannitern. Auch ein Bereich für Demenzpatientinnen und -patienten werde in dem Heim eingerichtet. Johanniter und Hout Consens haben mit den Seniorenheimen in Kalk, Höhenhaus und Poll bereits drei Projekte in Köln gemeinsam verwirklicht. Das jüngste Objekt in Poll dient auch als Vorlage für das Vorhaben in Flittard. „Beide Grundstücke sind in etwa gleich groß und gleich geschnitten“, sagte Janssen. Mit dieser Lösung trägt die Evangelische Brückenschlag-Gemeinde quasi nebenbei auch zur Entschärfung eines Konflikts bei, der seit einigen Monaten in Flittard und Stammheim schwelt. Das Fehlen eines Seniorenheimes in beiden Stadtteilen hätten die Bürgervereine gerne mit dem leer stehenden Ulrich-Haberland-Haus im Stammheimer Schlosspark kompensiert. Die Politik hätte an diesem Standort aber lieber Wohnungen und schlug als Alternative das Grundstück des früheren Herz Jesu-Stiftes im Herzen von Flittard vor. Auch Hout Consens hatte sich dieses Areal angesehen, „aber dort ging es nicht recht voran“, erinnerte sich Janssen. Mit dem neuen Johanniter-Stift an der Roggendorfstraße würden für beide Stadtteile erfreuliche Fakten geschaffen. „Eine Win-win-Situation“, so der Gemeindepfarrer Gerold Vorländer.

Neues Gemeindezentrum in Stammheim
Denn auch die Gemeinde hat Baupläne. Mit dem Erlös aus dem Verkauf der Lukaskirche soll ein neues Gemeindezentrum auf dem Grundstück des Dietrich-Bonhoeffer-Hauses entstehen. Ein großer Kirchenraum mit 200 Plätzen, der durch weitere Räume auf 400 Plätze erweitert werden kann, steht im Mittelpunkt der Überlegungen. Orgel und Glocken aus der Lukaskirche sowie Kanzel, Altar, Taufbecken, Wandbehänge und Kreuz aus dem Dietrich-Bonhoeffer-Haus sollen das neue Gotteshaus zieren. „Rund 1,8 Millionen Euro“ veranschlagte Mallon für das Projekt, das aber erst nach der Fertigstellung des Seniorenheims konkret wird. „Wir brauchen noch einen Architektenwettbewerb und Diskussionen in der Gemeinde. Da ist noch einiges an Meinungsbildung notwendig“, so der Presbyteriums-Vorsitzende. Auch die Finanzierung der Lücke zwischen Baukosten und Verkaufserlös müsse noch gefüllt werden.

Positive Reaktionen der Gemeinde
Die Reaktionen in der Gemeinde fielen bislang positiv aus. „Gerade von den Gemeindegliedern wurde der Wunsch nach einem zentralen Gemeindezentrum immer wieder geäußert. Die wechselnden Gottesdienste in Stammheim und Flittard waren dem Gemeinschaftsgefühl nicht so zuträglich, wie wir das gedacht haben“, erklärte Pfarrer Vorländer. Er selbst wird aus dem jetzigen Pfarrhaus in eine neue Wohnung neben dem künftigen Gemeindezentrum ziehen, dazu kommt in Stammheim noch das sehr erfolgreiche „Café Lichtblick + mehr“, ein ökumenisches Projekt der evangelischen und katholischen Gemeinde. In Flittard bleibt die Brückenschlag-Gemeinde mit Jugendheim und Kindertagesstätte an der Peter-Grieß-Straße sowie dem Stadtteil- und dem Jugendbüro präsent. Die Konzentration der kirchlichen Angebote in dem südlichen Stadtteil sieht Vorländer dabei als ein „lösbares Problem“ an.

Ökumenische Lösung für den Übergang
Für den Übergang, bis das neue Gemeindezentrum fertig ist, greift die katholische Gemeinde ihren protestantischen Nachbarn unter die Arme. „Wir können für unsere Gottesdienste die Kirche St. Johannes Evangelist nutzen. Dort finden seit einiger Zeit sonntags keine Gottesdienste mehr statt“, freute sich Vorländer über die ökumenische Unterstützung. Beim Thema Geld haben Protestanten und Katholiken mit den gleichen Problemen zu kämpfen.

Text: Jörg Fleischer
Foto(s): Fleischer