Ein 68-jähriger Ingenieur ist mit vier weiteren Teilnehmenden seit Flensburg – seit Mitte September – dabei. Er habe zunächst etwas Besonderes machen, über einen längeren Zeitraum in Bewegung sein wollen, erläuterte der Hamburger seine Motivation. „Alles andere kam dazu“, bereut er seine Teilnahme am Pilgerweg zum Klimaschutz nicht. Ihm gefällt die Verbindung des Spirituellen mit der intensiven Auseinandersetzung mit dem Klima.
Von Flensburg über Trier nach Paris verläuft der Ökumenische Pilgerweg für Klimagerechtigkeit. Er steht unter dem Motto „Geht doch!“ Ziel ist die UN-Klimakonferenz, die Ende November dieses Jahres in der französischen Hauptstadt eröffnet wird. Auf ihrem Weg wollen die Pilgernden sich mit Klimafragen beschäftigen und auf die globale Dimension des Klimawandels aufmerksam machen. Die siebte von zwölf Etappen führte rund 90 Teilnehmende jetzt auch nach Köln. Am Abend wurde im Dom mit Stadtdechant Monsignore Robert Kleine und Stadtsuperintendent Rolf Domning eine ökumenische Andacht gefeiert.
Intensive Bemühungen zum Klimaschutz nötig
Nach dem morgendlichen Start an der evangelischen Bielertkirche in Leverkusen steuerte die Gruppe verschiedene „Kraftpunkte“ und „Schmerzpunkte“ an. Gemeint sind einerseits positive Beispiele für Klimagerechtigkeit. Andererseits solche Orte, an denen „weiter intensive Bemühungen zum Klimaschutz nötig sind“. Am frühen Nachmittag erreichte die Gruppe Köln-Mülheim. Dort machte sie Rast im Peter-Beier-Haus der Evangelischen Kirchengemeinde Mülheim am Rhein. „Alles ist weg. So soll es sein“, blickte eine der zehn Ehrenamtlichen zufrieden auf die geleerten Töpfe. Aus ihnen waren die hungrigen Wanderer mit Möhren-Ingwer-Suppe und Gulaschsuppe beköstigt worden. Zudem konnten sie unter diversen Kuchensorten wählen.
Alles hat gut funktioniert
Pfarrer Dr. Kai Horstmann vom Gemeindedienst für Mission und Ökumene der Evangelischen Kirche im Rheinland hat „Geht doch!“ federführend auf regionaler Ebene organisiert. „Es galt, Menschen zu finden, die sich vor Ort auskennen, die bestimmte Wege kennen und wissen, wo Gemeindehäuser stehen“, so Horstmann. „Ich bin von Leverkusen bis Bad Godesberg auch selbst dabei.“ Bislang habe alles gut funktioniert.
Beim „Schmerzpunkt“ Bayer-Werk sprach ein Vertreter des Vereins „Coordination gegen BAYER-Gefahren“ etwa über den Treibhausgas-Ausstoß des Konzerns. Er forderte, dass man auf die (chemische) Industrie beziehungsweise Politik weiter öffentlichen Druck für mehr Klimagerechtigkeit ausüben müsse. Zugleich, so Horstmann, habe jemand anderes darauf hingewiesen, dass man der chemischen Industrie Produkte wie die Schuhsohlen verdanke, auf denen die Pilger unterwegs seien. „Ein Denken in Schwarz und Weiß führt also nicht weiter“, fasste der Pfarrer zusammen.
Kraft schöpfen an der Immanuel-Kirche
Auf dem kleinen Paracelsusplatz in Köln-Flittard habe man der Gruppe verdeutlicht, „wie bedeutsam der Golfstrom für unser gemäßigtes Klima ist“, erläuterte Hanno Sparbier-Conradus. Denn der Platz liege wie Städte in Kanada und Sibirien auf dem 51. Breitengrad, so der Umweltbeauftragte des Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch. Mit der Immanuel-Kirche in Köln-Stammheim suchte man einen außergewöhnlichen „Kraftpunkt“ auf. „Sie ist nachhaltig und zukunftsfähig in ökologischer Bauweise in Holz errichtet“, betonte Sparbier-Conradus. „Und es ist schon etwas Besonderes, dass man 2013 überhaupt noch eine Kirche baut.“ Die Immanuel-Kirche habe man wahrgenommen als einen Ort, an dem man Lasten ablegen, wo man ankommen und Kraft schöpfen kann, ergänzte Horstmann.
Viele Möglichkeiten für Einzelne
„Die ökumenische Kooperation klappt sehr gut. Sie wird durch ´Geht doch!´ sogar verstärkt“, zog Richard Brand eine vorläufige Bilanz. Der Referent für Umwelt, Klima und Energie der Evangelischen Kirche im Rheinland will das spannende Motto nicht nur auf die Klimakonferenz in Paris bezogen wissen. Es symbolisiere auch, wie auf dem Pilgerweg selbst verschiedene Hürden genommen würden. Die Workshops und (politischen) Aktionen entlang des Weges zeigten, dass „es viele Möglichkeiten gibt, als Einzelner oder Institution etwas für Klimagerechtigkeit zu tun“.
Nur im Einklang mit der Natur
Dass ein großer Park über einer unsichtbaren Deponie liegt, bezeichnete ein Schüler des Evangelischen Gymnasiums Siegen-Weidenau als „sehr speziell“. Er nahm mit 30 Mitschülerinnen und -schülern aus den Jahrgängen 8 bis 12 an der Tagesetappe teil. Sie gehören der Projektgruppe „Buen vivir“ (Gutes Leben) an der Siegener Schule an. „Buen vivir“ gehe auf die Einstellung indigener Völker Südamerikas zurück, so der Projektleiter. Danach könnten Menschen nur im Einklang mit der Natur, mit anderen Menschen, mit Tieren und Dingen gut leben. Sehr angesprochen fühlten sich die Schüler von der modernen Immanuel-Kirche. Eine Schülerin freute sich besonders darüber, „dass auch die Menschen, die von Anfang an mitpilgern, auf uns zukommen, um mit uns zu sprechen“.
Empfang durch Superintendentin Vogel
Bevor die Pilgernden sich vom Germeindehaus wieder auf den Weg machten, wurden sie von Andrea Vogel, Superintendentin des Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch, und ihrem Mülheimer Pfarrer-Kollegen Klaus Müller in die nahe gelegene Friedenskirche eingeladen. Müller erläuterte kurz deren Geschichte und Architektur. Das seit der Eingemeindung Mülheims 1914 älteste evangelische Gotteshaus Kölns sei heute eine multifunktionale Kirche.
Dank für Engagement
Gerade in der heutigen Zeit sei die Beschäftigung mit Klima- und Umweltproblemen enorm wichtig, auch im Hinblick auf die Flüchtlingsthematik, dankte Vogel den Teilnehmenden für ihr Engagement. Den Pilgerweg nannte sie ein wunderbares Zeichen. Beim Laufen komme man ins Gespräch, beim Wandern erfahre man Regionen und Orte auf eine deutlich intensivere Weise. Vogel freute sich sehr über die gute Altersstruktur der Gruppe. Sie belege, dass der Klimaschutz ein Anliegen aller Generationen sei. „Danke, dass Sie sich auf den Weg gemacht haben“, verabschiedete sie die Pilgerinnen und Pilger Richtung Innenstadt. Diese erreichte ein Teil der Gruppe durch den Fernwärmetunnel unter dem Rhein. Laut Brand steht der Tunnel beispielhaft für effiziente Wärmebereitstellung.
Foto(s): Engelbert Broich/Stefan Rahmann