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Geheimnis um Grab des bergischen Herzogs im Altenberger Dom gelüftet

Dass Menschen glauben, etwas verloren zu haben, und es nach einigem Suchen dann genau dort vorfinden, wo es eigentlich hingehört – dieses Phänomen kennt wohl jeder. Dass dies aber sogar auf eine Grabplatte zutreffen kann, erstaunt. Zumal wenn es sich um eine so wichtige Grabplatte handelt wie die von Herzog Wilhelm III., Landesherrn des Bergischen Landes, und seiner Ehefrau Sibylla von Brandenburg, einer Vorfahrin der preußischen Könige. 1511 und 1524 waren die beiden adeligen Leichname als letzte im Altenberger Dom bestattet worden – das stand stets fest. Doch fast 200 Jahre lang galt ihre Grabplatte als verschollen. Bis im Sommer 2011 Dr. Petra Janke forschte, kombinierte und jetzt zu ihrer eigenen Überraschung dieses Stückchen überlieferter Geschichte neu schrieb.



Detektivische Kleinarbeit
Die Grabplatte war nicht nur nicht weg, sondern sie lag sogar stets an ihrem angestammten Platz: im Herzogenchor des Altenberger Doms. Die in Odenthal lebende Kunsthistorikerin und Theologin hat dies durch detektivische Kleinarbeit nahezu zweifelsfrei nachgewiesen. Dass die Menschen so lange im Dunkeln tappten und der Verschollenen-Grabplatten-Mär aufsaßen, lag an zwei Dingen: Zum einen ist die vorm Nordportal liegende Schieferplatte so abgetreten, dass sie völlig unleserlich ist und ihre Wahrheit nicht mehr selbst verkünden kann. Zum anderen hatte der hoch angesehene Vinzenz von Zuccalmaglio, alias Montanus, 1838 schriftlich niedergelegt, was damals offenbar viele dachten, nämlich dass die Platte verschwunden sei. „Er hat uns gewaltig in die Irre geführt“, bedauert Petra Janke. Nach 173 Jahren hat sie mit dieser Falschmeldung nun Schluss gemacht.

Der Zufall kam ihr zur Hilfe
Wie gelang es der 54-Jährigen, die früher an den staatlichen Museen Berlin und als Kustodin des Halberstädter Domschatzes arbeitete, die Wahrheit ans Licht zu bringen? Der Zufall kam ihr zu Hilfe. Sie bereitete ehrenamtlich die Ausstellung „Selig sind die Toten, die im Herrn sterben – Die Grabmäler im Altenberger Dom“ (siehe unten) vor und stieß bei der Suche nach Fotos im Archiv des Altenberger Dom-Vereins auf eine alte Umzeichnung, deren Motiv sie elektrisierte: Die Zeichnung zeigte die Grabplatte von Herzog Adolf I. († 1437) und passte haargenau zu den noch schemenhaft erkennbaren Umrissen einer Bodenplatte im Herzogenchor, deren Zuordnung bisher fragwürdig gewesen war. Hatte man bisher geglaubt, dieser Adolph I. ruhe unter der unleserlichen, abgetretenen Platte im Nachbargrab, so war Petra Janke nun eines Besseren belehrt. Doch damit tat sich die Frage auf: Wer lag unter eben dieser abgetretenen Schieferplatte vorm Nordportal? Dass es Wilhelm III. und seine Frau Sibylla sein müssen, ging ihr plötzlich wie ein Licht auf, als sie Eins und Eins zusammenzählte. „Dann war es sonnenklar.“

Schieferplatte wurde seit 1511 abgetreten
Die Begründung der Kunsthistorikerin: Montanus hatte alte Quellen fehlinterpretiert, in denen es hieß, Sibylla habe ein Ewiges Licht über der Grabplatte ihres Mannes gestiftet. Da Montanus unter dem Ewigen Licht, dessen schmiedeeiserner Arm aus dem 16. Jahrhundert bis heute an Ort und Stelle erhalten ist, keine Grabplatte sah, folgerte er, sie müsse verschwunden sein. Petra Janke stellt klar, dass beim Tode Wilhelm III. unmittelbar unter dem Ewigen Licht jedoch „überhaupt kein Platz“ für ein Grab gewesen sei. Und sie setzt hinzu: „Was hieß damals ‚über‘?“ Unsereins singt ja auch „unterm Weihnachtsbaum“ ohne sich unmittelbar unter die Zweige zu zwängen. Dass das Ewige Licht im Herzogenchor zu der etwa drei Meter entfernt liegenden unleserlichen Grabplatte „gehört“, erscheint daher sinnig. Dass es sich bei ihr tatsächlich um die Grabplatte Wilhelm III. und seiner Gattin handelt, wird erhärtet durch ihre exakte Ausrichtung auf den Kapellenaltar im Querhaus, für den Sibylla eine tägliche Singmesse zum Gedenken an ihren Mann stiftete – mit einem Priester und vier Messdienern. Kein Wunder, dass die Inschrift der Schieferplatte bei so viel „Fußverkehr“ seit 1511 abgetreten wurde und Montanus über 300 Jahre später die Wahrheit nicht mehr lesen konnte.

Ohne das Grabe gäbe es den Dom nicht
Dr. Norbert Orthen, der mit Petra Janke den Katalog zur Ausstellung erstellte, weist auf die besondere Bedeutung genau dieses Grabs im Herzogenchor hin: „Ohne dieses Grab gäbe es heute wohl nicht den Dom, sondern eine Ruine.“ Denn dass mit Sibylla von Brandenburg im einst eingestürzten Altenberger Gotteshaus eine Vorfahrin des preußischen Königshauses liegt, mochte eine starke Motivation für die Preußenkönige gewesen sein, die Wiederherstellung der Ruine finanziell zu ermöglichen. „Die Wappenschilde sind erhalten – sowohl von Wilhelm III. als auch von Sibylla.“ Auch die Stiftung existiere immer noch, wenngleich die Singmesse nicht mehr täglich gehalten werde.

„Soll ich die Nuss geknackt haben?“
„Damit ist die Sache klar, das Grabmal war nie verloren“, zieht Petra Janke ihr Fazit. „Ein Glücksgefühl“ sei es gewesen, als ihr dämmerte, welche Entdeckung sie gemacht hatte. „Mensch, das gibt’s doch gar nicht“, habe sie gedacht. „Soll ich die Nuss geknackt haben?“ Etwa 30 Angehörige des Landeshauses Berg seien im Altenberger Dom beigesetzt. Im Grunde sei der Verlust ausgerechnet dieses wichtigen Grabmals auch nie plausibel gewesen. „Warum sollte diese Platte weg sein? Das Totengedächtnis wurde täglich gefeiert. Da verschwindet nicht einfach die Platte.“

Ausstellung im Altenberger Dom:
„Selig sind die Toten, die im Herrn sterben – Die Grabmäler im Altenberger Dom“
Veranstalter: Ökumenerat Altenberg
Dauer: 6. September bis 3. November 2011
Geöffnet: täglich zu den Öffnungszeiten des Altenberger Doms

Texte auf Stelen, Fotos und Anschauungsmaterial in Vitrinen erläutern die Begräbniskultur der Vergangenheit und der Zisterziensermönche vor Ort. Interessant ist, dass Dr. Petra Janke die Chronologie der Gräber richtig stellte und neu ordnete. Denn aufgrund von Umbettungen ist die Platte mit dem ältesten Datum nicht das älteste Grab im Dom. Zunächst wurden Gräber in der Markuskapelle angelegt, seit Mitte des 13. Jahrhunderts in der romanischen Klosterkirche und erst ab 1339 im gotischen Dom.
Nach jetzigen Erkenntnissen wurde als erstes Grabmal im neuen gotischen Dom jenes Hochgrab errichtet, das nördlich des Altars an die drei Kölner Erzbischöfe der Bergischen Dynastie erinnert, deren Gebeine entweder dorthin umgebettet wurden oder unverändert im romanischen Vorgängerbau darunter ruhen. 1339 ließ Graf Adolph VI. das erste Grabmal des Herzogenchors errichten: ein Hochgrab für fast ein Dutzend seiner Vorfahren, die von der Markuskapelle, in der sie ursprünglich bestattet worden waren, hierhin umgebettet wurden. Darunter Probst Konrad († 1313), dessen Grabplatte – folglich ohne seinen Leichnam darunter – im Boden daneben eingelassen wurde. Adolph VI. starb 1348 und liegt im Hochgrab südlich des Altars.
Ein umfangreicher Katalog gibt über die Grabmäler im Dom und viel Wissenswerte Auskunft. Er enthält alle Ausstellungs-Texte und ist als Sonderheft der „Altenberger Blätter“ erschienen. Preis: 7 Euro.

Veranstaltungen im Rahmen der Ausstellung
17. Oktober 2011, 18.30 Uhr: kostenlose Sonderführung zu den Grabmälern im Dom mit Dr. Petra Janke
17. Oktober 2011, 19.30 Uhr, Martin-Luther-Haus: „Leben und Werk der im Altenberger Dom bestatteten Gräfinnen und Herzoginnen“, Vortrag von Kunsthistorikerin Ursula Mattelé, Köln

Weitere Veranstaltungen zur Ausstellung und Infos: www.altenberg-dom.de (evangelische Kirchengemeinde) und www.altenberger-dom.de (katholische Kirchengemeinde)

Text: Ute Glaser
Foto(s): Ute Glaser