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„Geh aus mein Herz und suche Freud“: Bildende Künstler interpretieren das Lied von Paul Gerhardt – Ausstellung in der gleichnamigen Kirche in Köln-Lindenthal

Künstler bebildern Texte. Auf diesen Nenner kann man die aktuelle Ausstellung in der Paul-Gerhardt-Kirche bringen. Dabei handelt es sich nicht um Texte aus der gängigen Literatur. Als Vorlage dienten vielmehr Liedstrophen. Sie stammen von Paul Gerhardt. Der Namensgeber der Lindenthaler Kirche ist einer der bekanntesten evangelischen Kirchenlied-Dichter. In diesem Jahr gedenkt man des 400. Jahrestages seiner Geburt am 12. März 1607.


58 Werke zu „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“
Der „runde Geburtstag“ ist Anlass auch für die Präsentation. Sie vereint Arbeiten von 58 Kunstschaffenden aus Köln. Sie haben in verschiedenen Techniken, von der Zeichnung über Druckgraphik, Collage, Fotografie und Glasbildnerei bis hin zur Ölmalerei, auf eine oder mehrere Strophen von Gerhardts Dichtung „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ reagiert. Entstanden sind die 15 Strophen in dessen Zeit im märkischen Mittenwald, wo er drei Jahre nach dem Dreißigjährigen Krieg seinen Dienst als Probst antrat.

Zurückgerufen „in diese Welt, zu unseren Aufgaben“
„In diesem Lied haben wir keine einfache Naturbeschreibung vor uns“, schreibt Pfarrerin Ulrike Gebhardt im ausstellungsbegleitenden Text. „Wir werden ermutigt, aus uns, – vielleicht auch aus der von Krieg und Tod gezeichneten Stadt, herauszugehen, um in der sommerlichen Fülle der Natur des großen Gottes großes Tun zu entdecken. In dieser Welkt voller Spuren des Todes und neuem Werden besingt Gerhardt Gottes Güte als Urgrund und Zukunft allen Lebens.“ Gerhardt beschreibe kein Gegeneinander von Himmel und Erde, Alltag und Ewigkeit, so Ulrike Gebhardt. „Die Sehnsucht nach dem Paradies führt bei ihm nicht zur Weltflucht. Wir werden zurückgerufen in diese Welt, zu unseren Aufgaben im irdischen Garten, an unseren Ort. An diesem und an allem, früh und spät, hier und dort vertraut Paul Gerhardt auf Zukunft von Gott her.“

Idee entstand nach Foto-Ausstellung „Italia“
Die Idee zur Ausstellung hatte Walter Ludwigs, Vorsitzender des Forums Paul-Gerhardt-Kirche. Sie kam ihm bei der Foto-Ausstellung „Italia“ anlässlich des zehnjährigen Bestehens des kirchlichen Fördervereins 2005. Damals sprach er den Künstler Maurilio Minuzzi an, ob er sich ein Projekt zu Gerhardts Lied „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ vorstellen könne. Nach 14 Tagen lieferte Minuzzi eine intime, in Grün getauchte Naturschilderung. Seine Radierung zeigt eine feine, auf den ersten Blick romantische Umsetzung einer Gesteins- und Baum-Szenerie. Sie ist bezogen auf die mit der Zeile „Die Bäume stehen voller Laub“ einsetzenden zweiten Strophe.

Strophen wurden von allen ähnlich interpretiert
Der für Ludwigs ermutigende Anfang war gemacht. Nach und nach gewann er weitere ausgesuchte Künstlerinnen und Künstler für das Projekt, darunter auch Teilnehmende der Lindenthaler „Street Gallery“. Zu den Vorgaben gehörte eine Beschränkung des Formats auf 30 mal 40 cm, das jedoch im Laufe der Zeit bis auf 60 mal 80 erweitert wurde. Die zu bearbeitende Strophe konnte frei gewählt werden. Dies begründet auch die unterschiedliche Anzahl der zu den jeweiligen Lied-Abschnitten entstandenen Kunstwerke. Überrascht hat Ludwigs, dass „alle Künstlerinnen und Künstler wie versprochen geliefert haben, niemand ist abgesprungen“. Weniger Verblüffung empfindet er über die oftmals ähnlichen Lösungen, die einzelne Kunstschaffende zu derselben Strophe gefunden haben: „Das spricht für die Eindeutigkeit und Verständlichkeit der Strophen.“

Beiträge realistisch bis ungegenständlich
Die von Stadtsuperintendent Ernst Fey mit eröffnete Ausstellung, bei deren Vernissage Ursula Döll auf der Orgel zum Lied improvisierte und einzelne Strophen auch gesungen wurden, bietet einen breiten Einstieg in künstlerisches Schöpfertum. In das von Paul Gerhardt und das von bildenden Autoren. Zahlreiche der inspirierten Werke sind eingängige Übertragungen der Textvorlage. Dabei beinhalten die Antworten der Gegenwartskünstler nicht nur Erwartetes. Ebenso finden sich überraschende Aspekte. Traditionelles wie Einfallsreiches halten sich die Waage. Die Beiträge sind realistisch bis ungegenständlich formuliert, zu entdecken sind diverse Zwischentöne. Gemäß der Vorlage tauchen immer wieder florale und Landschaftsmotive auf, formen- wie farbenreich variiert.

Schäfer und Hütehund in zartem Strich
So heißt es in Strophe Fünf: „Die Bächlein rauchen in den Sand und malen sich an ihrem Rand mit schattenreichen Myrten; die Wiesen liegen hart dabei und klingen ganz von Lustgeschrei der Schaf und ihrer Hirten.“ Ulla Schüller reagiert darauf mit einer Schäferszene in Öl. Sie zeigt einer fruchtbare, in Anhöhen eingebettete, in Grün-Nuancen schillernde Gras- und Heide-Ebene. Dieter Hoffmann nimmt in seiner Fotografie weiß-schäumendes Wasser in den Blick. Und Tamara Folwill schafft eine skizzenhafte Verbindung von Symbol und Farbe. Schäfer, Hütehund und Schaf sind in zartem Strich in eine Orange-Gelb-Rot leuchtende und zugleich luftige Atmosphäre gesetzt.

Abstrakter „Geistesraum“ als Reaktion auf Strophe 14
Barbara Thiess hat zur dritten Strophe („Die Lerche schwingt sich in die Luft…“) „Schatten von Orangenzweigen“ in Öl gemalt. Das gegenständliche, Sonnen beschienene Idyll atmet die wohlige Atmosphäre eines warmen Sommertages, zu dem naturgemäß die verschatteten Partien im Geäst, in dem fast versteckt eine Nachtigall zwitschert, gehören. Comic-artig kommt Sabine Voigts Beitrag „Die Glucke führt ihr Völklein aus“ zum vierten Liedabschnitt daher. Mit ihrer Collage „Was dem Höchsten klingt“ aus Klaviertasten und Notenblättern reagiert Petra Kremer-Horster auf Strophe Acht. Erto Isik versammelt in „Welch hohe Lust, welch heller Schein“ (Strophe Zehn) einen imposanten Engelchor um den herzförmigen Garten Christi, der sich in einen irdischen wie zukünftigen, lichterfüllten teilt. Maria Deppes kleinformatige, subtile Arbeit „Wie muss es da wohl klingen“ zur selben Strophe, drei weiße Striche auf hellem Grund, fällt dagegen äußerst reduziert und unbestimmt sphärisch aus. Mit einem abstrakten „Geistesraum“ reagiert Heinz Kassel auf Strophe 14 „Mach in mir deinem Geiste Raum“.

Die Öffnungszeiten:
Geöffnet ist die Ausstellung in der Paul-Gerhardt-Kirche, Gleueler Straße/ Lindenthalgürtel, bis 31. März 2007, montags bis freitags von 17 bis 19 Uhr, dienstags von 10 bis 13 Uhr und sonntags von 11.15 bis 14 Uhr.

Professor Neuhaus hält Vortrag am 16. März
Innerhalb der Ausstellung lädt das Paul-Gerhardt-Forum am 16. März, 20 Uhr, zu einem Vortrag zu Paul Gerhardt mit gemeinsamem Singen. Prof. Dr. Volker Neuhaus gibt eine „Einführung in Leben und Werk unseres Kirchenpatrons aus Anlass seines 400. Geburtstages“. Am 28. März, 20 Uhr, konzertiert ebenfalls in der Paul-Gerhardt-Kirche das Ensemble für Alte Musik ORLANDA mit „Du meine Seele singe – Ein musikalisches Programm zum 400. Geburtstag Paul Gerhardts“.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich