You are currently viewing „Gegen rechts“: Kölner Aktionsbündnis aus Kirchen, Gewerkschaften, Parteien und anderen Initiativen stellt sich in (Bildungs-)Veranstaltungen quer

„Gegen rechts“: Kölner Aktionsbündnis aus Kirchen, Gewerkschaften, Parteien und anderen Initiativen stellt sich in (Bildungs-)Veranstaltungen quer

Kölner Demonstranten sind keine Frühaufsteher. Es dauerte, bis am letzten Samstagmorgen der Heumarkt so gut gefüllt war, dass man von einer Kundgebung sprechen konnte. Schließlich demonstrierten aber doch mehrere tausend Menschen auf dem Platz in der Kölner Innenstadt und vor dem Turm des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) in Köln-Deutz gegen den so genannten „Anti-Islamisierungskongress“ der rechtsgerichteten Bürgerbewegung „pro Köln“. Zur Demonstration aufgerufen hatte das Aktionsbündnis „Köln stellt sich quer“, in dem sich Kirchen, Gewerkschaften, Parteien und zahlreiche andere Initiativen zusammengeschlossen haben.



„Der Ernstfall ist immer der Alltag“

„In unserer Stadt leben Menschen aus 180 Nationen“, erklärte Oberbürgermeister Fritz Schramma. „Und unser Ziel ist, dass für alle Mutter Colonia zur Mutterstadt wird. Es war schon im letzten Jahr eine Anmaßung und Dreistigkeit, ausgerechnet hier in Köln auflaufen zu wollen, der Stadt der Toleranz und der Vielfalt. Wir rufen den Rechtsradikalen zu: Wir wollen Euch nicht. Wir stellen uns quer!“ Schramma rügte jede Form von Gewalt: „In unserer Stadt ist weder Platz für rechtsextremistisches Gedankengut noch für autonome Gewalttäter.“ Reinhard Bütikofer, Spitzenkandidat der Grünen bei der Europawahl im Juni, lobte das Engagement der Kölner: „Sie zeigen, dass die Demokraten den Hetzern nicht den öffentlichen Raum überlassen. Glücklich eine Stadt, die solche Bürger hat.“ Demokraten ließen es nicht zu, wenn versucht werde, Menschen die Würde zu nehmen: „Und wenn die Rechten hetzen gegen Schwule, dann sind wir alle Schwule, und wenn sie gegen Juden hetzen, dann sind wir alle Juden, und wenn sie gegen Muslime hetzen, dann verteidigen wir alle die Freiheit des muslimischen Glaubens.“ Demokraten stünden zusammen, wenn es gegen die Feinde der Demokratie gehe. „Aber der Ernstfall ist nicht die Kundgebung, der Ernstfall ist immer der Alltag.“

Über den Rhein: Die Demonstration unterwegs vom Heumarkt zum Turm des Landschaftsverbands Rheinland in Köln-Deutz


Dem „Rad des Rechtsradikalismus in die Speichen fallen“
Der stellvertretende Stadtsuperintendent des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region, Markus Zimmermann, erinnerte vor dem LVR-Turm unweit der „pro-Köln“-Veranstaltung an den später von den Nationalsozialisten ermordeten evangelischen Pfarrer Dietrich Bonhoeffer, der zu Beginn der Nazi-Zeit gesagt habe, diesem Rad müsse man in die Speichen fallen. „Wir müssen auch dem Rad des Rechtsradikalismus in die Speichen fallen. Denn dessen Gedankengut richtet sich auch gegen die Religionen, gegen die jüdische wie die christliche und die muslimische. Das Tun von ,pro Köln“ steht unter keinem Segen.“ Zimmermann forderte aber auch Religionsfreiheit nicht nur in christlichen, sondern auch in islamischen Ländern. Und er beendete seine Erklärung mit einem Aufruf: „Lasst uns weiterhin das Beste für unsere Stadt suchen: Frieden, Toleranz und Mitmenschlichkeit.“

Der stellvertretende Stadtsuperintendent Markus Zimmermann.


Friedliches Miteinander: Zwei Mönche auf dem Weg zur Demonstration auf dem Heumarkt.


„Aus der Geschichte lernen!“ Die Kölner Friedensverpflichtung lebt
Unter dem Motto „8. Mai 1945 – 2009. Aus der Geschichte lernen! Die Kölner Friedensverpflichtung leben!“ stand ein Kongress im Kölner Gürzenich mit 300 Gästen am Freitagnachmittag. Zahlreiche Podiumsgespräche beschäftigten sich mit dem Miteinander der Religionen. Oberbürgermeister Schramma erinnerte daran, dass am 8. Mai nicht mehr die damalige „Kapitulation“ des Deutschen Reiches im Zentrum der Erinnerung stehe, sondern „die Beendigung von Massenmord und unmenschlicher Diktatur“. „Wenn wir uns heute daran erinnern, dann tun wir das nicht, weil wir uns moralisch über andere erheben wollen. Wir tun dies vielmehr, um uns zu wappnen, damit wir gefeit sind vor neuer Unmenschlichkeit und neuen Ansteckungsgefahren“, sagte der OB in seiner Begrüßungsrede und ging anschließend auf den so genannten „Anti-Islamisierungskongress“ der rechtsgerichteten „Bürgerbewegung pro Köln“ ein: „Im Vorfeld von Europawahl, von Kommunal- und Bundestagswahl versuchen sie jetzt zum zweiten Mal, ihre ausländerfeindlichen Parolen und Hasstiraden unters Volk zu bringen. Wieder wollen sie ihre schäbigen Wahlkampfmanöver auf dem Rücken unserer ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger austragen.“ Schramma forderte die Kölner zum Protest auf: „Mit Phantasie und Nachdruck, aber bitte auch friedlich und mit den Mitteln, die uns die Demokratie und der Rechtsstaat erlauben.“

Achte Deinen Nächsten, auch wenn Du ihn nicht liebst!“
Andreas Kossiski, Regionalvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Köln, sprach für das breite Bündnis, das zu dem Kongress in Köln eingeladen hatte: „Dieser Kongress ist Teil eine großen Veranstaltungsreihe, die sich inhaltlich mit Themen wie Toleranz und Menschenwürde beschäftigt. Diese Themen sollen nachhaltig in dieser Stadt verankert werden. Und wir wollen einigen Verwirrten klar machen, dass sie in Köln keinen Fuß auf den Boden bekommen.“ Der Schriftsteller und Philosoph Richard David Precht machte in seinem Redebeitrag deutlich, dass die Menschlichkeit des Individuums nicht allein mit dem Tugendbegriff von Aristoteles und dem Kategorischen Imperativ von Kant erklärt werden könne. Beide könnten nicht vollends überzeugen. „Aristoteles kann niemand zu seiner Tugendhaftigkeit verpflichten, Kant zeigt mir nicht, warum ich gut sein soll.“ Der Mensch sei einzig seinem Selbstbild, seiner Selbstachtung verpflichtet. „Wir müssen Bildungssysteme schaffen, die jedem ein Höchstmaß an Selbstachtung vermitteln. Denn es muss die alte biblische Regel in moderne Sprache übersetzt gelten: ,Achte Deinen Nächsten, auch wenn Du ihn nicht liebst!“

Wichtig „für eine konstruktive Streitkultur“: eine vertrauensvolle Atmosphäre
Pfarrerin Dorothee Schaper von der evangelischen Melanchthon-Akademie in Köln wies in einem Podiumsgespräch zum Thema „Miteinander der Kulturen/Religionen“ darauf hin, dass es „eine vertrauensvolle Atmosphäre für eine konstruktive Streitkultur zwischen den Religionen geben muss“. Pro Köln sei da extrem kontraproduktiv. „Der Gerechtigkeitsbegriff ist sehr wichtig. Wir brauchen Bildungsgerechtigkeit, Geschlechtergerechtigkeit. Nebenkriegsschauplätze wie die vermeintliche Rettung des Abendlandes brauchen wir nicht. Zumal das Abendland auch immer muslimisch und jüdisch geprägt war.“

Weitere Termine
18. Mai, 19:30 Uhr
: „Was können wir von Europa lernen?“
Veranstaltung mit Dr. Michael Schäfer, Katholische Arbeitnehmerbewegung, Leiter des Grundsatzreferats im Domforum, Domkloster 3, 50667 Köln. Veranstalter: Katholisches Bildungswerk, ver.di-Bezirk Köln, attac Köln, KAB Stadtverband Köln, VHS Köln
27. Mai, 19 Uhr: „Volksgemeinschaft statt Kapitalismus?“: Zur sozialen Demogagogie der Neonazis mit Richard Gebhardt, RWTH Aachen im EL-DE-Haus, Apellhofplatz 23-25, 50667 Köln. Veranstalter: ibs, Kölnische Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, DGB-Jugend
28. Mai, 18 Uhr: „Junge Freiheit“: Abschied von der Neuen Rechten“
DGB-Haus, Jugendraum, Hans-Böckler-Platz 1, 50672 Köln. Veranstalter: ver.di Arbeitskreis Antifaschismus – Antidiskriminierung

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Rahmann