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„Gebunden sind wir nur an das Wort Gottes“

Vor voll besetzte Reihen hielt Manfred Rekowski, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland (EkiR), am 17. Januar seinen „Bericht über die für die Kirche bedeutsamen Ereignisse“ im Kongresszentrum des Dorint-Hotels in Bad Neuenahr, Tagungsort der 66. ordentlichen Landessynode der EKiR. Und zu berichten gab es jede Menge, vor allem über die zahlreichen Aufgaben. „Wie sind wir Kirche?“, fragte der Präses und führte aus, dass wir nicht nur „spirituell Kirche“, sondern auch „politisch Kirche“ sind.

„Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, daran zu erinnern, wo Christus in unserer Welt zu finden ist, wo Begegnung mit ihm möglich ist: nämlich in der Begegnung mit den Hungrigen, den Durstigen, den Fremden, den Armen (Nackten), den Kranken und den Gefangenen.“ Und so werde „unser Glaube uns immer mitten in die Welt führen.“ Er werde „immer parteilich und diakonisch sein und so Gemeinschaftsgerechtigkeit und Gemeinwohl zum Thema machen.“ Dazu gehöre es auch, sich zu positionieren und „nichts zurückzunehmen, wenn diese Positionen auch von Nichtregierungsorganisationen, der einen oder anderen Partei oder einer Initiative vertreten werden. Gebunden sind wir nur an das Wort Gottes.“

„Es darf keine Toten an unseren Grenzen geben!“
Klar bezog Präses Rekowski Stellung zur Situation der Flüchtlinge. Er verwies auf die über 100.000 Todesopfer, die der Bürgerkrieg in Syrien schon gefordert hat, und die mehr als sechs Millionen syrischen Staatsangehörigen auf der Flucht. Zu dem Beschluss, in Deutschland zu den 5.000 syrischen Flüchtlingen noch einmal dieselbe Anzahl Flüchtlinge aufzunehmen, erntete der Präses spontanen Applaus mit der Bemerkung: „Ich halte dies sowohl im Blick auf die Dimension des Elends im Nahen Osten als auch im Blick auf unsere eigene wirtschaftliche Kraft und unsere Verantwortung für völlig unangemessen.“ Man solle eher über die Aufnahme von 100.000 Flüchtlingen diskutieren, nicht als „fixe Zahl“, mehr als „größere Dimension unserer Möglichkeiten“. Angesichts der wachsenden Flüchtlingsströme und der Tragödie von Lampedusa mahnte Rekowski „die Politik der Abschottung“ der Europäischen Union, betonte, dass es „nicht irgendwelche Grenzen“ seien, „an denen Menschen zu Tode kommen, sondern unsere eigenen Grenzen.“ Und da dürfe es keine Toten geben.

„Wir machen nicht Kirche …“
Dass wir auch „ökumenisch Kirche“ sind, führte der Präses hinsichtlich der Einbettung in die „weltweite und konfessionsübergreifende Kirchengemeinschaft“ aus und merkte an, dass „Evangelii Gaudium“, das Apostolische Schreiben des neuen Papstes Franziskus, für ihn „in vielen Teilen durchaus eine ökumenische Ermutigung“ war. Unter dem Aspekt Volkskirche vermerkte Rekowski, dass immer ein Unterschied bestehen würde „zwischen dem, was wir von der Kirchen glauben, und dem, wie die Kirche ist“, und kam darüber auf die Frage: „Wie sollen wir Kirche sein?“ Dabei müsse man mit Überraschungen und der Gegenwart Gottes rechnen: „Das Wesentliche, das in der Kirche geschieht, liegt nicht in unserer Hand. Anders gesagt: Wir machen nicht Kirche und deshalb erhalten wir auch nicht die Kirche. Das entlastet uns auch in unserem kirchenleitenden Bemühen als Synode und Kirchenleitung.“

„Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt.“
Das „strukturelle Haushaltsdefizit“, „finanzpolitische Schadensbegrenzung“ – das waren Schlagworte im zweiten Teil des Präses-Bericht im Hinblick auf die Tagesordnung der Landessynode. Der Evangelischen Kirche im Rheinland stehen massive Einsparungen bevor. Rekowski referierte kurz zu den verschiedenen laufenden Prozessen und sprach sich für eine „Organisationsoptimierung“ auf. Insbesondere sei die Situation der Mitarbeitenden und der Wertschätzung ihrer Arbeit zu beachten. Andere Themen, die der Präses hier anriss, waren zum Beispiel die „Pfarrbilddiskussion“ und die theologische Orientierung zum Thema Suizid, die ebenfalls auf der Tagesordnung der Landessynode steht.

„Wir vertrauen darauf, dass das Wort Gottes wirkt …“
Der öffentlichen Diskussion um Kirche widmete sich der Präses im dritten Teil seines Berichts und stellte fest: „Die mediale Präsenz des Themas Kirche – auch in Talkshows – war im letzten Jahr enorm. Der Wiedererkennungswert war dagegen manchmal sehr gering“ – und erntete dafür ein Lachen, das ihm wohl recht gab. Eher nüchterner ging es dann um das Subsidiaritätsprinzip, was bedeutet, dass der Staat in der Wohlfahrtspflege nur dann tätig werden soll, wenn sich freie Träger nicht engagieren können oder wollen. Rekowski führte dies am Beispiel der Kindertageseinrichtungen auf, für die die EkiR ca. 60 Millionen Euro aus Kirchensteuermitteln aufbringt. In seinem abschließenden Ausblick thematisierte Präses Rekowski das Modell von Kirche, an das „theologische Anfragen … zuzulassen“ seinen. „Die Finanzierung der institutionalisierten Kirchlichkeit dürfte im bisherigen Umfang nicht mehr möglich sein.“ Aber dies sei nicht „das letzte Wort. Wir vertrauen darauf, dass das Wort Gottes wirkt, dass es nicht leer zurückkommt, dass Bewegung entsteht – auch unabhängig von institutioneller Kirchlichkeit.“ Weiter betonte des Präses die Chance, die das Reformationsjubiläum bietet, wobei es nicht „um Reanimierung reformatorischer Heldenfiguren“ gehe, sondern darum Neues zu wagen und Altem zu vertrauen: „der Kraft des Wortes, des Gebetes, der Stille und der Musik“. Als weitere Ausblicke auf die zukünftige Aufgaben regte Präses Rekowski die stärkere Kooperation mit anderen Landeskirchen an und die Verhältnisbestimmung zwischen Kirche und Diakonie im Zuge der „strukturellen Veränderungen“.

Text: Sabina Schult
Foto(s): EKiR