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„Garten findet Stadt“ – neues Angebot im Programm der AntoniterCityTours

Von Industriebrachen und gemeinschaftlichem Gärtnern, Großmarkt-Treiben und großflächiger Stadtplanung handelt das neue Angebot der AntoniterCityTours. Innerhalb des Stadtführungsprogramms der AntoniterCityKirche der Evangelischen Gemeinde Köln informierte Stefan Rahmann zum Thema „Garten findet Stadt“. Ein treffendes Wortspiel, wie die zehn Teilnehmenden bald erfahren sollten. Zu Beginn der rund zweistündigen Tour ging der Journalist kurz auf die Geschichte der heutigen (Teil)Brache links und rechts der Alteburger Straße zwischen Schönhauser Straße und der innerstädtischen Eisenbahnlinie ein.

Vom Brauereigelände zur Brache

Vormals befanden sich dort die Produktionsstätten, Innen- und Außengastronomie der Küppers-Brauerei. Die Anlagen wurden 2001 von der Dom-Brauerei übernommen, das Gelände 2006 veräußert. Eine Investorengruppe wollte dort für rund 120 Millionen Euro Luxuswohnungen bauen. Aber dieser Plan sei fallengelassen worden, so Rahmann. Stattdessen habe die Bauwens-Unternehmensgruppe die Grundstücke erworben und mit mindestens 8,4 Millionen Euro Gewinn an den Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) des Landes NRW verkauft. Insgesamt habe der BLB weit über achtzig Millionen Euro für das Areal entrichtet. Laut Geschäftsführer Paul Bauwens-Adenauer soll das Kölner Unternehmen vom BLB gebeten worden sein, als Zwischenkäufer zu fungieren, um höhere Preisforderungen bei einem Direktankauf durch den Landesbetrieb zu vermeiden. Der BLB habe das Areal für den Neubau des in Deutz beheimateten Ingenieurwissenschaftlichen Zentrums der Fachhochschule erworben, sagte Rahmann. Jedoch ohne, dass eine entsprechende ministerielle Zusage oder politische Entscheidung vorgelegen hätte. Schließlich sprach sich die Landesregierung 2011 gegen einen Neubau der Fachhochschule aus. Der Bilanzwert des Bayenthaler Areals wurde auf 51,1 Millionen Euro reduziert. Rahmanns Ausführungen sorgten nicht nur für Erstaunen. „Irgendwie stinkt das“, machte sich eine Zuhörerin Luft.

Der mobile Gemeinschaftsgarten NeuLand

Während das Grundstück östlich der Alteburger Straße seit Jahren brach liegt, ist auf der anderen Seite innerhalb eines größeren Abschnitts der mobile Gemeinschaftsgarten NeuLand gewachsen. Es stellt das größte mobile Urban-Gardening-Projekt in Deutschland dar. „Wir haben im Winter 2011 angefangen, die ersten Pflanzkisten zu bauen“, so Rahmann. Er ist Mitglied des dreiköpfigen Vorstandes des eingetragenen Vereins Kölner NeuLand, der als Träger der basisdemokratisch organisierten Einrichtung fungiert. „Umweltbildung, Erholung und Stadtentwicklung für alle Bürgerinnen und Bürger“ hat er sich auf die Fahne geschrieben. Das Besondere an diesem Garten: Er ist jeden Tag 24 Stunden geöffnet. „Wir sind offen für alle“, so Rahmann. Jeder könne jederzeit mitmachen. Und immer mehr Menschen nutzten das Angebot. Anfang seien die Initiatoren erstaunt gewesen, „dass wir nicht sofort geräumt wurden“. Und dank der Hilfe eines Unterstützers habe man auch die Auflage des Umweltamtes erfüllen können. Das habe aufgrund der Belastung des Bodens gefordert, eine zehn Zentimeter hohe Trennschicht aufzubringen. Dies gelang mit zertifiziertem rotem Sand von Tennisclubanlagen, der im Frühjahr 2012 containerweise abgekippt und verteilt wurde. Mit dem BLB als Eigentümer bestehe derzeit ein unbefristeter Zwischennutzungsvertrag.

Garten-Projekt, soziales Projekt und Bildungs-Projekt

Der Anbau findet in Hochbeeten statt, die im Falle eines Umzugs leicht versetzt werden können. „Jeder ist frei in dem, was er anbaut“, so Rahmann. „Aber im eigenen Interesse sollte man bestimmte landwirtschaftliche Regeln beachten, etwa in der Fruchtfolge“, also der Reihenfolge des Anbaus der Pflanzen. „NeuLand hat sich von einem Garten-Projekt zu einem zusätzlich sozialen und Bildungs-Projekt entwickelt“, erläuterte Rahmann. So lade man etwa Schulklassen ein sich zu beteiligen, arbeite mit psychisch Kranken und Flüchtlingen zusammen. Interessierte könnten sich in den verschiedenen Arbeitsgruppen, etwa Botanik, Bewässerung, Gastro und Bienen, engagieren oder an den vielfältigen Workshops teilnehmen. Zuletzt habe NeuLand von einer Projektförderung in Höhe von knapp 200.000 Euro durch den Klimakreis Köln aus Mitteln der Rheinenergie AG profitiert.

Auch ein Bildhauer arbeitet in NeuLand

Auf dem Gelände arbeitet der Steinbildhauer Nico Wilbrandt. „Warum hier?“ wird er von einer Teilnehmerin gefragt. „Hier können mir die Menschen zusehen“, möchte er „die Handarbeit in der Öffentlichkeit sichtbar“ machen. Seine Anwesenheit sehe der Verein NeuLand auch als Bildungsprojekt. Für die Möglichkeit, am Rande des Gartens sein Atelier führen zu können, führt Wilbrandt im Gegenzug jährlich zwei einwöchige Bildhauer-Workshops durch. „Das ist der Deal. Die Kurse sind kostenfrei, allein Materialkosten fallen an, 15 Euro pro Person.“

„Parkstadt Süd“

Das NeuLand-Areal befindet sich bundesweit in einem der größten innerstädtischen Entwicklungsgebiete. Das vom Stadtrat beschlossene „Entwicklungskonzept südliche Innenstadt-Erweiterung“ (ESIE) sieht auf rund 115 Hektar in Teilen von Köln-Bayenthal, -Raderberg und -Zollstock den Bau von 1500 Wohnungen, die Schaffung von 4000 Arbeitsplätzen sowie neue Schulen und Kitas vor. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Grün. Auf 26 der 115 Hektar soll von der Luxemburger Straße bis zum Rhein der Innere Grüngürtel vervollständigt werden, wie Rahmann anhand von Kartenmaterial erklärte. Zurzeit laufe das Beteiligungsverfahren zum neuen Quartier, das den Arbeitstitel „Parkstadt Süd“ trage. Im Entwicklungsgebiet liegt heute noch der Großmarkt. „Die Mietverträge der Händler laufen bis spätestens 2020“, so Rahmann. Anschließend soll der Großmarkt insbesondere wegen der besseren Autobahnanbindung nach Köln-Marsdorf verlegt werden.

Flüchtlingsunterkunft in der Koblenzer Straße

Den Rundgang setzte Rahmann an der Koblenzer Straße fort. Dem Gemeinschaftsgarten benachbart steht dort ein repräsentatives Gebäude. In diesem saß bis 2012 die Firma Bolder, bundesweit einer der größten Hersteller von Lutsch- und Kaupastillen. Weil das heute denkmalgeschützte Haus zu klein geworden war, zog es das Unternehmen nach Marsdorf. „Dort wird es demnächst also wieder Nachbar des Großmarktes“, merkte Rahmann an. Wenige Meter von der ehemaligen Produktionsstätte entfernt, die weiterhin sichtbar den Namen Bolder trägt, befindet sich eine Flüchtlingsunterkunft. Mit ihren verputzten Containern gehört sie laut Rahmann „zu den schöneren in Köln“. NeuLand versuche, deren Bewohnende, mehrheitlich Familien mit Kindern, in das Garten- und Bildungsprojekt zu integrieren und die interkulturelle Begegnung zu fördern, betonte er.

Bonner Straße wird geplanten Grünzug wohl unterbrechen

Schließlich bewegte sich die Gruppe auf den Großmarkt zu. Die zentrale Halle bereits im Blick, betonte Rahmann noch auf der Bonner Straße, dass die Realisierung des Inneren Grüngürtels kein Selbstläufer sei. Man befinde sich mitten in den Planungen. So gebe es Vorschläge, den Grünzug über die Bonner Straße mit einer Brücke oder einem Tunnel fortzuführen. Er hält jedoch weder die eine noch die andere Variante für wenig wahrscheinlich. Auch wies Rahmann auf einen starken Kontrast hin: nördlich der Eisenbahnlinie, in der Südstadt, pulsiere das Leben. Südlich, auf dem Großmarkt-Areal, kehre außerhalb der Betriebszeiten weitgehend Ruhe ein.

Großmarkthalle 1940 in Betrieb genommen

Tatsächlich wirkte das Gelände am Samstagnachmittag wie ausgestorben. Ebenso die Großmarkthalle selbst. Eröffnet wurde sie 1940. Ihre Vorgängerin stand am Heumarkt. „Etwa dort“, nahm Rahmann einen Stadtplan zur Hand, „wo sich heute das Hotel Maritim befindet.“ Die Halle in Raderberg beeindruckt durch ihre Schalenbauweise. Das Gewölbedach weist einer Spannweite von 57 Metern auf, die Scheitelhöhe beträgt 22 Meter. Wie diese zentrale Halle steht auch die ehemalige Versteigerungshalle auf dem Gelände unter Denkmalschutz. Versteigert werde heute in Bornheim-Roisdorf, so Rahmann. Das historische Gebäude diene als Veranstaltungsort für verschiedene Anlässe. Wie die Teilnehmenden zum Abschluss der Führung feststellen konnten, feiern dort unter anderem Hochzeitsgesellschaften.

Neuer Termin von „Garten findet Stadt“ am 19. September

Die nächste Führung vom NeuLand-Garten zum Großmarkt unter dem Titel „Garten findet Stadt“ bietet Stefan Rahmann am 19. September 2015, 16 Uhr, an. Treffpunkt ist der Eingang der "Gaststätte Alteburg", Alteburger Straße 139. Weitere Informationen findet man auf der Webseite des Veranstalters. Viele Führungen sind auch zum individuellen Termin und Thema buchbar. Anfragen werden unter der Telefonnummer 0221/92 58 46 14 oder unter der E-Mail-Adresse: kontakt@antonitercitykirche.de gern entgegengenommen.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich