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Gabriele Koye verlässt nach 20 Jahren Leitung die Evangelische TelefonSeelsorge Köln

"Ich bin sehr dankbar, dass ich hier 20 Jahre mit so tollen hochmotivierten Menschen arbeiten durfte. Für mich ist das ein großes Geschenk!" fasst Gabriele Koye ihre Zeit als Leiterin der TelefonSeelsorge im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region (EKV) zusammen. Am 23. September wurde die Theologin feierlich in den Ruhestand verabschiedet.

Die Verbindung von Seelsorge und Theologie sei schon im Theologiestudium, das sie in Wuppertal, Göttingen und Heidelberg absolvierte, eines ihrer Hauptthemen gewesen, und so habe sie immer das Ziel verfolgt, in einem Bereich zu arbeiten, wo sie beides verknüpfen könne, erklärt sie. Entsprechend logisch scheint daher ihr beruflicher Werdegang, der sie schließlich 1996 in die TelefonSeelsorge des EKV führte.

Ziel war immer eine enge Verknüpfung von Theologie und Seelsorge
Nach ihrem Vikariat 1979 bis 1981 in der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Weiden und ihrer ersten Pfarrstelle in der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Nippes, wo sie acht Jahre arbeitete, führte ihr Weg 1989 in die Evangelische Studierendengemeinde Köln (ESG). Zusatzausbildungen in Gestalttherapie und Supervision befähigten sie dort unter anderem auch zur Leitung von Selbsterfahrungsgruppen und zur Einzelberatung mit Studierenden.

Femministische Theologie schlug sich in der Arbeit nieder
"Ich war immer auch feministisch-theologisch bewegt", erzählt Koye, und das habe sich in ihrer Arbeit niedergeschlagen. Das erste Frauenreferat der Evangelischen Kirche im Rheinland hat sie 1992 mit auf den Weg gebracht, und auch den ersten Theologinnenkonvent Anfang der 80er Jahre in Köln hat sie neben vielen anderen Veranstaltungen und Treffen zum Thema "Feministische Theologie" mitorganisiert. "Als ich 1971 anfing zu studieren, waren wir gerade mal 20 Prozent Theologiestudentinnen an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal. Manchmal haben wir uns da etwas unsicher und fremd gefühlt“, erinnert sie sich. Eine eigene Rollenidentität als Frau in diesem Beruf zu finden, sei anfangs gar nicht so einfach gewesen. Denn in der Realität der Kirchengemeindearbeit spürte die junge Theologin von Seiten mancher Gemeindeglieder Skepsis, zum Beispiel wenn Angehörige eines Verstorbenen nicht wollten, dass eine Pfarrerin die Beerdigung übernahm oder wenn ein Beerdigungsinstitut bei Angehörigen nachfragte, ob ihnen auch eine Pfarrerin recht sei. „Vieles war vom männlichen Pfarrbild geprägt. Deshalb absolvierte ich auch bewusst mein Vikariat bei einer Frau, der Pfarrerin Ilse von Wächter“, erzählt sie. In der Kirchengemeinde Köln-Nippes, wo es vor ihr schon eine Pfarrerin gegeben hatte, schaffte sie es dann, in Gottesdiensten, im Frauen-Literaturkreis, in der Frauenhilfe und anderen Gruppen das Thema "Feministische Theologie" in seiner Vielschichtigkeit zur Sprache zu bringen.

Auslandserfahrung prägte die Arbeit in der ESG
Sehr prägend sei auch eine längere Reise mit einem alten VW-Bus durch Indien und Nepal, die sie zusammen mit drei Freunden in den 70er Jahren unternahm, gewesen. Inspiriert von der Reise und dem Besuch mehrerer Entwicklungsprojekte habe sie danach zunächst überlegt, in der Entwicklungshilfe zu arbeiten. Daraus sei zwar nichts geworden, aber in der ESG, wo sie unter anderem zuständig für Studierende aus sogenannten Dritte Welt-Ländern gewesen sei, seien ihre Reiseerfahrungen sehr nützlich gewesen.

Stellenwechsel in die TelefonSeelsorge kam zum richtigen Zeitpunkt
Koyes Pfarrstelle in der ESG war für acht Jahre begrenzt. Da sei die Stellenausschreibung für eine neue Leitung der TelefonSeelsorge 1996 genau zur richtigen Zeit gekommen, erinnert sich die Pfarrerin. "Gereizt hat mich diese Arbeit schon immer. Ich hatte auch mal überlegt, ein Sondervikariat in der TelefonSeelsorge zu machen, aber das hat nicht geklappt". So begann sie zunächst mit einer halben Stelle, die nach einem Jahr auf eine volle Stelle erweitert wurde. Heute besteht das hauptamtliche Team neben ihr aus einer Psychologin und einer Sekretärin. "Die Psychologin hat 15 Wochenstunden, die Sekretärin arbeitet voll. Damit liegen wir noch unter den Bundesrichtlinien für Telefonseelsorge, die vorgeben, dass eine ganze Fachkraft als Leitung sowie eine weitere ganze Fachkraft plus Sekretärin notwendig seien", erklärt die Leiterin.

Viele schöne Begegnungen und „Teamspirit“
Sie habe den „Teamspirit“ zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen und die Erfahrung, zusammen ein sehr engagiertes, gut funktionierendes TelefonSeelsorge-Team zu sein, immer sehr geschätzt. In einem großen Team von Menschen mit ganz unterschiedlichen Facetten, die jede und jeder mitbringt, sei es wichtig, sich offen auszutauschen, eigene Stärken und Schwächen mit einzubringen, sich selbst und die eigene Tätigkeit zu reflektieren – und das möglichst in einer guten Balance zwischen Geben und Nehmen. Die positive Energie, Kraft und Wertschätzung, die dadurch entstehe, sei wichtig für die seelsorgerliche Arbeit mit Menschen. "Denn die Anrufenden und Mailenden, die sich hilfesuchend an uns wenden, wollen erfahren, dass ihnen Wertschätzung entgegengebracht wird, so dass sie sich gesehen fühlen, auch wenn wir sie de facto nicht sehen“, betont Koye. Sie selbst habe sich dank der Kompetenz der Mitarbeitenden in der TelefonSeelsorge in ihrer Arbeit immer weiterentwickeln können.

Telefonverhalten der Anrufenden hat sich verändert
In den 20 Jahren ihrer Amtszeit habe sich natürlich vieles verändert, schon allein wegen der technischen Entwicklung in den letzten beiden Jahrzehnten. Dadurch dass die Telekom die Kosten übernahm, und auch durch die vermehrte Nutzung von Handys, habe sich die Zahl der Anrufe inzwischen verdoppelt. "Das Telefonverhalten, die Selbstverständlichkeit, mit der Menschen telefonieren, ist heute anders als vor 20 Jahren", beschreibt sie die Entwicklung. "Heute redet man einfacher drauf los." Durch die Online-Beratung per E-Mail und Chat wendeten sich inzwischen vermehrt jüngere Menschen an die TelefonSeelsorge. "Für manche sind wir Familienersatz", vermutet sie. Themen wie "Einsamkeit" und "soziale und familiäre Bindung" würden im Rahmen der gesellschaftlichen Entwicklung mehr und mehr in den Mittelpunkt treten. Menschen mit psychischen Erkrankungen bildeten zudem ein Hauptklientel unter den Anrufenden.

Ausbildung der Ehrenamtlichen nach aktuellsten Qualitätsstandards
Auch die Anpassung an die auf Bundesebene definierten Qualitätsstandards in der Ausbildung der Ehrenamtlichen sei ihr ein wichtiges Anliegen gewesen. "Es ist uns immer gelungen, genügend Ehrenamtliche zu gewinnen, die 24 Stunden, Tag und Nacht, am Telefon sind, bzw. seit 18 Jahren Mail-Seelsorge anbieten" erzählt sie stolz. Viele würden durch die Medien auf die Arbeit der TelefonSeelsorge aufmerksam und müssen zunächst ein Auswahlverfahren durchlaufen, bis sie zur Ausbildung zugelassen würden. Koye führt die Weiterbildung zusammen mit internen oder externen Supervisorinnen oder Supervisoren durch. Eine 14-tägige Begleitung der Ehrenamtlichen durch Supervision gehöre ebenso zum Standard wie Fortbildungen zu wichtigen Themen und Problemen, die Menschen belasten.

Aktuell wichtige Themen in der TelefonSeelsorge
Aktuell beschäftige die TelefonSeelsorgenden das Problem der Balance zwischen „Nähe und Distanz“ zu den Anrufenden. „Wie können wir Gespräche auf wertschätzende Art begrenzen, wenn es Anrufende gibt, die mehrmals täglich mit ihrer TelefonSeelsorge sprechen wollen und viel Zeit beanspruchen?“, fragt Koye. Die Kapazität der verfügbaren Telefonleitungen sei begrenzt. Auch das Thema „Suizidprävention“, ein Kernthema der deutschen TelefonSeelsorge seit ihrer Gründung vor 60 Jahren, war in den letzten Monaten ein Hauptthema in der Evangelischen TelefonSeelsorge Köln. Ebenso wie der beeindruckende Weltkongress in Aachen mit 1600 TelefonSeelsorgenden aus 33 Ländern im Juli des Jahres.

Reisen, neue Hobbies und Ehrenamt als Rentnerin
Für das Rentendasein hat sich die 65-Jährige einiges vorgenommen. Mit ihrer Frau und deren drei Kindern und sechs Enkeln will sie viel Zeit verbringen. Ebenso freut sich die Schottlandbegeisterte auf viele Reisen und neue Hobbies wie Singen und Theaterspielen. Ihre seelsorgerischen und therapeutischen Fähigkeiten will sie zukünftig in einem Ehrenamt und als Supervisorin einbringen. Dazu sei auch ihre soeben abgeschlossene vierjährige Fortbildung in "Geistlicher Begeleitung" im Pastoralkolleg in Salem-Bethel hilfreich gewesen, die sie als Theologin zu ihren Wurzeln zurückgeführt habe – im Erfahrungsraum zwischen Psychologie, Beratung und Supervision.

Text: APK
Foto(s): privat