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Fußball und unser Glaube

Seit Mitte August rollt der Ball wieder in der Bundesliga, seit dieser Woche rollt er sogar international und der 1. FC Köln ist mit dabei. Millionen Menschen schauen die Spiele in den Stadien und am Fernsehen an. Dr. Bernhard Seiger ist Pfarrer und Superintendent des Kirchenkreises Köln-Süd und selbst Fan des Bundesligavereins Bayer Leverkusen.

APK: Herr Dr. Seiger, an jedem Spieltag gehen tausende Fans in die Stadien. Was macht aus Ihrer Sicht diesen Reiz aus?

Bernhard Seiger: Ich gehe selber hin und wieder gerne ins Stadion – für mich ist das wichtigste an einem Fußballspiel die Spannung. Der Ausgang eines Spieles ist beim Anpfiff noch offen, obwohl es natürlich Favoriten und Wahrscheinlichkeiten gibt. Aber gerade die Überraschungen machen den besonderen Reiz des Sports aus. Das sehe ich auch nach diesem ernüchternden Saisonstart, bei dem beide Vereine, der FC und Bayer, ganz unten am Ende der Tabelle stehen, so. Ich sehe in diesen 90 Minuten intensives Leben. Oft Einsatzbereitschaft bis zur körperlichen Erschöpfung. Ich sehe den Siegeswillen einer Mannschaft, die unbedingt gewinnen will und eine andere Mannschaft, die sich mit allen Mitteln gegen einen übermächtigen Gegner stemmt. Ich nehme die Kombination von Einzelleistung und mannschaftlicher Geschlossenheit wahr, von Technik und Taktik. Und ich kann mich selber innerlich engagieren, auf einen bestimmten Ausgang hoffen. Das Entscheidende bei alledem ist: Es geht im Spiel um Sieg oder Niederlage. Meine Mannschaft kann gewinnen oder verlieren. Darum der Einsatz, die Aufregung, die Nerven, die Erleichterung, wenn es geglückt ist. Oder aber der Schmerz, ein Spiel knapp verloren zu haben. Aber dann doch noch das Gefühl: Man ist damit nicht allein.

APK: Inwieweit ist ein Fußballspiel ein Abbild unseres Alltags?

Bernhard Seiger: Das Fußballspiel ist ein Spiegelbild unseres Lebens. Wir wollen gerne gewinnen und obenauf sein und fürchten uns davor, zu verlieren. Ein Sieg im Sport ist schön. Das setzt Glücksgefühle frei. Und bei einer Niederlage die schmerzt, bleibt immer der Ausweg zu sagen: Es ist ja doch nur ein Spiel. Im Leben geschieht es aber auch, dass ich verliere, dass ein Plan nicht in Erfüllung geht, dass eine Beziehung nicht hält, dass Menschen sich auseinanderleben, dass einer frühzeitig stirbt. Da ist dann oft nichts mehr gerade zu rücken. Es gibt dann kein neues Spiel mehr, in dem man es besser machen könnte.

APK: Da sind wir bei den so genannten „letzten Dingen“ im Leben und der Frage nach dem Sinn im Leben. Da kommt ja für viele Menschen die Kirche mit ins Spiel. Was kann die Kirche vom Fußball und der Fußball von der Kirche lernen?

Bernhard Seiger: Im Gottesdienst ist es meist weniger spannend als auf dem Fußballplatz. Denn das Ergebnis ist nicht so unberechenbar, so offen wie das neue Spiel von Verein X gegen Verein Y. Im Gottesdienst steht die Zusage des Lebens am Anfang und am Ende. Gottes Liebe nimmt den Starken und den Schwachen an, und bei Gott ist Treue verlässlich gegeben. Gott hat alles für dich getan, du kannst in diesem Leben nicht zum Verlierer werden, auch wenn du vieles verlieren kannst und manches nicht in Erfüllung geht. Aber als Kind Gottes stehst du auf der Seite dessen, der dieses Leben in der Hand hat und es zu einem guten Ende führt. Dies steht nicht in Frage. Das Ergebnis eines Gottesdienstes ist daher weniger spannend als beim Spiel mit dem Ball.

APK: Was macht für Sie als Pfarrer und Superintendent den Reiz eines Gottesdienstes aus?

Bernhard Seiger: Spannend ist es, wie ich dieses Ja Gottes in meiner je und je neuen Lebenslage höre und spüre. Verstehe ich im Gottesdienst im Lichte des Evangeliums besser, was ich gerade erlebt habe? Finde ich Orientierung in einer Entscheidungsfrage? Finde ich Vertrauen, wenn ich auf etwas sehe, das bedrohlich vor mir liegt? Hier ist die Antwort noch nicht gegeben, sondern hier kommt es darauf an, auf welchen Weg mich der Gottesdienst mitnimmt und ob ich einen Zugang finde, die heilsame und mutmachende Botschaft für mich zu hören. Einen solchen Zugang zu finden, kann einen erfüllen. Deshalb ist so wichtig, dass Gottesdienste eine hohe Qualität und die Mitwirkenden ein gutes Gespür für die Zwischentöne haben. Was für ein Segen, dass das Leben so reich ist und wir uns nicht zwischen den Welten entscheiden müssen! Sondern wir können ganz im Hier und Jetzt mit Leidenschaft das tun, was uns reizt und herausfordert und freut, und doch jeden Tag unter dem Vorzeichen der Zusage der Güte und des Anspruchs Gottes getrost beginnen und beenden. Ich wünsche dem FC und seinen Fans auf jeden Fall von Herzen viel Freude und Erfolg in der Europa-League!

Text: APK
Foto(s): Jürgen Schulzki