Was im Fußballstadion an der Tagesordnung ist, sticht innerhalb einer Kirche ins Auge. Schon allein deshalb war die Feier zum 70-jährigen Bestehen des SC Fortuna Köln in der Lutherkirche in der Südstadt etwas Besonderes. Am Altar baumelte ein rot-weißer Fan-Schal. Große Banner, etwa vom Fanclub „Schäng Gäng“, schmückten die Wände und Empore. Als Zeichen ihrer Mitgliedschaft und Verbundenheit hatten sich etliche der über hundert Besucherinnen und Besucher, darunter zahlreiche Jugendliche und Junioren, in Trikots, Trainingsanzüge und Schals gehüllt. Pfarrer Hans Mörtter begrüßte ebenso Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes und Wolfgang Rolff, der drei Jahre für die Fortuna spielte und als Nationalspieler 1986 zum Team des Vize-Weltmeisters gehörte.
Außergewöhnlich machte den Abend ebenso die mal besinnliche, mal mitreißende, mal humorige, machte die persönliche, verständnisvolle, zuversichtliche Ansprache von Hans Mörtter. Wie selbstverständlich wirkten Rabeya Müller, Imamin der Muslimischen Gemeinde Rheinland, und Diakon Carsten Kempen der Unabhängigen Katholischen Kirche in der interreligiösen Feier mit. Wolfgang Anton, der zudem als Sänger, Gitarrist und Pianist fungierte, hatte die begeistert mitgesungenen Lieder ausgewählt, darunter das Fortuna-Lied „En d´r Südstadt jeit et Leech an“, „Unsere Stammbaum“ und „En unserem Veedel“. Alessandro Palmitessa interpretierte meditative Stücke auf dem Saxophon.
„Ich freue mich, zur Fortuna zu gehören“, betonte Mörtter. Im Februar 1948 hatte sich der Fußballverein als Fusion aus dem SV Victoria, Bayenthaler SV und Sparkassen SV gegründet. Nach einer Saison in der Bundesliga (1973/74) gehörte er 26 Jahre der Zweiten Liga an. Aktuell läuft die Profimannschaft in der 3. Liga auf. Solch eine Feier sei ein Traum des seit 2006 amtierenden und 2015 verstorbenen Präsidenten Klaus Ulonska gewesen, meinte Mörtter. „Die Fortuna stehe für gelebte Integration“, ging der Pfarrer auf eines der Markenzeichen des Clubs ein: die mit über 500 Mitgliedern bundesweit überragende Kinder- und Jugendabteilung. Zuletzt wünschte sich auch der amtierende Präsident Hanns-Jörg Westendorf eine solche interreligiöse Feier. Dies spiegele die Fortuna-Familie wider: „Unsere Sportler kommen aus der ganzen Welt“.
Fortuna als Familie – dieses Bild nutzte Mörtter durchgängig. Er erinnerte an das bedeutsame, jahrzehntelange Engagement des 2005 verstorbenen Hans (Jean/Schäng) Löring als Präsident und Mäzen, ebenso an die Legende Klaus Ulonska, tatkräftiger Präsident 2006 bis zu seinem Tod 2015. „Ohne den Schäng und den Klaus gäbe es die Fortuna nicht in dieser Form“, so Mörtter. Der Pfarrer sprach von einer Weltfamilie im Großen und einer Fortuna-Familie im Kleinen. Im SC Fortuna Köln stehe jeder an seinem Platz für den Verein, dem Mörtter eine große Weite zusprach. „Es geht nur im Team.“ Dafür stehe auch der aktuelle Präsident Hanns-Jörg Westendorf. „Bleibt Euch treu, geht Euren Weg, er führt Euch in die 2. Liga.“
„Was verbindet Euch mit Fortuna?“, fragte Mörtter einige Gäste. Fortuna gehöre schon immer zu ihrem Leben, antwortete eine 14-Jährige Nachwuchsspielerin. „Fortuna Köln ist nicht nur ein Gefühl, es ist wie ein Virus“, erwiderte Helge Ulonska, Witwe des langjährigen ehemaligen Präsidenten. Sie erzählte von einer relativ kurzen Inkubationszeit, und dass der positive Virus unveränderte wirke. Ein Jugendlicher hob den familiären Charakter des Vereins hervor. Wer hier weggehe, komme ganz schnell wieder zurück. „Jeder weiß, hier steht ein Team hinter mir.“ Man könne sich auf die Leute verlassen, bekräftigte ein Fanclub-Mitglied.
„Die meisten tragen Fortuna im Herzen, machen das aus Überzeugung und Bindung“, erklärte Benjamin Bruns, Mitglied der Geschäftsleitung sowie Leiter Sponsoring & Vertrieb, das Engagement von Sponsoren. „Wie kann man nur so ´verrückt´ sein?“, sprach Mörtter einen der Unterstützer konkret auf seine Motivation an. „Das frage ich mich manchmal auch“, erwiderte dieser. Er habe in vielen Jahren gemerkt, dass sich das lohnt. „Weil es viele Menschen gibt, denen Fortuna ganz, ganz viel bedeutet. Das treibt einen am Ende des Tage sehr stark an.“
Fortuna stehe für Solidarität, betonte Mörtter. „Zur Fortuna gehört Treue, das macht alle aus.“ Wer lerne, treu zu sein, zu etwas zu stehen, erfahre Gnade – das sei eine unglaubliche Energie. Die Leute pilgern ins Stadion, hoffen auf ein Wunder, zog Müller Parallelen zwischen Religion und Fußball. Beides habe mit Emotionen zu tun. „Irgendwann muss jeder Farbe bekennen, zur Religion, zum Verein. Solidarität sei die Basis.“ In einem Gebt baten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Feier Gott um die Kraft, „Niederlagen zu ertragen, Siege ohne Angeberei und Hochmut zu genießen und Freude daran zu haben“.
„Sehr bewegend“, empfand Uwe Koschinat die Interreligiöse Feier. In der Lutherkirche sei sehr vieles zusammengekommen, und so sprach der Trainer der Profis von „einer guten Mischung: vieles zum Schmunzeln, aber auch Nachdenkliches. Dazu Blicke in die Vergangenheit und auf die gegenwärtige Situation. „Und wie viel Hoffnung in die Zukunft gesetzt wird, das ist für mich ein klarer Auftrag.“
Foto(s): Engelbert Broich