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Fünf Jahre Kölner Obdachlosenfrühstück der Dr. Peter Deubner-Stiftung

Musik, frisch gebrühter Kaffee, ein liebevoll dekorierter Tisch, leckere Brötchen, die Lieblingsmarmelade und als besonderen Luxus ein Ei oder frisch gepresster Orangensaft – so darf ein Sonntag gerne beginnen. Wenn dann noch einer oder mehrere liebe Menschen mitfrühstücken, ist er perfekt. Seit fünf Jahren organisiert Dr. Peter Deubner mit seiner Stiftung und ehrenamtlichen Kräften ein Sonntagsfrühstück für Obdachlose, Einsame, Bedürftige und andere Menschen, für die so etwas nicht selbstverständlich ist.

Einmal Gast sein
(Schiffer)-Klaviermusik dringt an diesem Sonntagmorgen in den Hof des Bürgerzentrums „Mütze“ in Köln-Mülheim. Café und Saal sind gefüllt mit Menschen, die an langen Tischen sitzen. Eine große Familienfeier, so lässt der erste Blick vermuten, oder Besucher einer Tagung beim Frühstück. Der zweite Blick zeigt viele ältere Menschen, manche sind ärmlich gekleidet, manche Gesichter tragen Spuren von Wind, Wetter und einem Leben abseits bürgerlicher Bahnen. Mindestens ebenso viele der Männer und Frauen, die hier ihren Morgenkaffee trinken, Brötchen schmieren, sich unterhalten oder ihren unter dem Tisch lagernden Hund kraulen, würden jedoch auf der Straße nie auffallen. An diesem Sonntagmorgen sind sie jedoch alle in erster Linie eines: Gäste, die bedient werden. Für frischen Kaffee, Nachschub an Brötchen, Aufschnitt, Käse, Saft und Eiern sorgen freiwillige Helferinnen und Helfer, die mit Kaffeekannen und Tabletts durch die Reihen laufen. Mitten unter ihnen ist Dr. Peter Deubner.

Un-Ruhestand
Er könnte jetzt eigentlich einen echten „Ruhestand“ genießen, aber zog es vor, „umzusatteln“: Nachdem er seinen juristischen Fachverlag verkauft hatte, gründete er mit einem Teil des Erlöses eine Stiftung mit zwei Aufgaben: Zum einen werden junge Kunstwissenschaftler und Archäologen unterstützt. Die zweite, umfangreichere Aufgabe ist die Hilfe für Obdachlose. Vor fünf Jahren hatte er die Idee, ein Sonntagsfrühstück für Obdachlose anzubieten.

Nicht nur zur Weihnachtszeit
Das Vorbild fand er in Nürnberg und war sich sofort sicher, dass es in Köln ebenfalls Bedarf gab. „Obdachlose sind eine Randgruppe, die wenig Beachtung findet. Ich wollte ihnen ein Highlight bieten“ erinnert er sich. Darum soll das Frühstück auf keinen Fall an die klassische „Armenspeisung“ erinnern: „Ich habe bewusst einen festlichen Rahmen mit Porzellan, Blumen und gedeckten Tischen gesucht. Die Leute sollen sich fühlen, wie bei einem sonntäglichen Frühstück zuhause“. Die Räume stellte ihm der „Vringstreff“ zur Verfügung, wo 2005 in der Kölner Südstadt das erste Obdachlosenfrühstück mit rund 50 Gästen stattfand. Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer warb er bei der Weihnachtsfeier für Obdachlose, später wurde es ein Selbstläufer: „Als die ersten Zeitungartikel erschienen, stand unser Telefon nicht mehr still“. In der „Szene“ warben Deubner und sein „Team“ mit Handzetteln in der Bahnhofsmission und in der Überlebensstation „Gulliver“, mittlerweile reicht beinahe Mundpropaganda. Die Lebensmittel stammen von der „Kölner Tafel“, von der HIT-Supermarktkette, oder werden dazugekauft. Finanziert wird dies aus Spenden; notfalls springt die Stiftung ein. Auch die logistische Seite wie den Transport finanziert die Stiftung.

Schnelles Wachstum
„Ich wurde gewarnt: Wir sollten aufpassen und immer ein Handy in der Tasche haben um die Polizei zu rufen“ erinnert sich Deubner. „Aber das habe ich nicht einmal gebraucht“. Zur entspannten Atmosphäre tragen auch die Musiker bei, die das Frühstück ebenfalls ehrenamtlich „bespielen“ und für ein wenig Kaffeehaus-Atmosphäre sorgen. Auch Prominenz wie „Klaus der Geiger“ war hier bereits zu Gast. Die Zahl der Stammgäste stieg schnell auf rund 180 pro Sonntag. 2006 konnte „expandiert“ werden: Ein weiteres Obdachlosenfrühstück findet seitdem im rechtsrheinischen Mülheim statt, zur Unterstützung kann Deubner auf rund 70 ehrenamtliche Helfer zurückgreifen. Manche Gäste haben auch die „Seiten gewechselt“ und arbeiten jetzt selber ehrenamtlich mit. Einer von ihnen ist Josef „Jupp“ E., der seit eineinhalb Jahren mitbedient und sich auch bei Hektik nicht aus der Ruhe bringen lässt. Sein Leben auf der Straße ist vorbei und auch beruflich sieht er Land, seit er in einem Seniorenheim gärtnert. Der Schritt vom Gast zum Mithelfer kam bei ihm „wie von selber“, schließlich hat er sich in seinem früheren Leben auch im Sportverein gerne engagiert.

„Das geht schneller, als man denkt“
Mehr Zeit als Jupp E., nämlich neun Jahre, hat Günther T., „der kleine Günther“, auf der Straße verbracht. „1990 die Scheidung – dann ging mein Leben schief“ erinnert er sich. Alkohol, Mietrückstand, schließlich die Obdachlosigkeit – „das geht schneller als man denkt“. Seit drei Jahren ist er nicht mehr obdachlos und trockener Alkoholiker. Er ist seit Beginn Stammgast beim Sonntagsfrühstück auf beiden Seiten des Rheins, im Vringstreff und in der „Mütze“, mit Vorliebe für die linke Rheinseite, weil es im „Vringstreff“ kleiner und gemütlicher sei.
„Im Vringstreff gibt es mehr Wurst und Schinken, hier mehr Käse“ scherzt dagegen die 52-jährige Johanna W. (Name geändert), die mit einem Vierergrüppchen am Tisch sitzt. In Mülheim ist mehr Platz, da sind sich Johanna W. und ihre Freunde einig, aber auch darin, dass sie nicht allein wegen des Essens kommen: „Ich komme wegen der Gesellschaft und bin froh, dass ich hier Leute habe, mit denen ich mich unterhalten kann“. Ihr größter Wunsch: „Das sollte es auch als Tanzveranstaltung geben“. Sie erzählt bereitwillig vom Schlaganfall, Schulden und Umzug wegen Mieterhöhung. Zurückhaltender ist ein einzelner Mann, der bedächtig am letzten Brötchen kaut, als bereits Aufbruchsstimmung herrscht. Er besucht das Sonntagsfrühstück erst seit drei Monaten, hat auch zur Zeit eine Unterkunft, aber vorher „Platte gemacht“. Die Zurückhaltung ist normal: „Bei manchen dauert es Jahre, bis die mal ein paar Worte wechseln“ weiss Deubner. „Diese Gäste lassen wir erst einmal in Ruhe“ Auch das steht hinter dem Prinzip des Bedienens: „Wir bedienen, damit wir irgendwann mal mit den Leuten ins Gespräch kommen können“.

Auch der „Millionär ist willkommen“
Integration ist in jeder Hinsicht gefragt: Die einsame, alte Dame aus dem fünften Stock kommt ebenso wie der „klassische“ Obdachlose, der auf Parkbänken schläft. „Allerdings gibt es da Berührungsängste“ weiss Deubner. Wenn Nicht-Obdachlose kommen, soll dies dafür sorgen, dass sich die Gäste nicht ausgegrenzt fühlen: „Wenn ein Millionär hier frühstückt, ist er auch willkommen“. Auch das fünfjährige Jubiläum wurde in der „Mütze“ mit einem offenen Frühstück gefeiert, zu dem die Nachbarschaft eingeladen war. Über Mangel an Gästen können sich Deubner und sein Team jedoch keineswegs beklagen: Deubner spricht von steigenden Gästezahlen, darunter auch immer mehr jüngeren Besuchern, ein Zeichen für wachsende Armut. Mehr ehrenamtliche Helfer stehen deshalb auf Deubners Wunschliste, ein weiteres Obdachlosenfrühstück in Ehrenfeld und neue Kaffeemaschinen für den Vringstreff.

Dr. Peter Deubner (2.v.l.) mit ehrenamtlichen Helfern beim Obdachlosenfrühstück.

Interesse an ehrenamtlicher Mitarbeit?
Wer Interesse an ehrenamtlicher Mitarbeit hat, kann sich bei der Dr. Peter Deubner-Stiftung unter Telefon 0221/430 39 83 oder per E-Mail an peterdeubner@t-online.de melden.
Die Stiftung kann außerdem Spenden von gut erhaltenem Frühstücksgeschirr und -besteck gebrauchen, das auch abgeholt wird.
Die nächsten Termine für das Obdachlosenfrühstück sind die Sonntage, 25. Juli (Vringstreff, Im Ferkulum 42 an St. Severin) und 22. August (Mütze, Berliner Straße 7) jeweils von 9 bis 11 Uhr.

Text: Annette von Czarnowski
Foto(s): von Czarnowski