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Frühjahrsgespräch des Stadtsuperintendenten: Impulse für die Entwicklung der evangelischen Kirche

„Wie hältst Du's mit der Religion?“ Die Gretchenfrage stellte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ihren Mitgliedern bei der fünften EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft. Die Antwort war ernüchternd. Man hält nicht viel davon – zumindest nicht mehr in der breiten Mitte der Bevölkerung.

Umfrage zur Mitgliedschaft war Thema des Abends
Der Anteil der Evangelischen, die sich mit ihrer Kirche überhaupt nicht verbunden fühlen, ist in den vergangenen zehn Jahren von sieben auf 14 Prozent gestiegen. Der Anteil derer, die sich „etwas verbunden“ fühlen, sank von 36 Prozent auf 25 Prozent. Demgegenüber sei der Anteil der "sehr" und "ziemlich" Verbundenen gegenüber 2002 um 5 Prozent gestiegen.

Grund genug für Stadtsuperintendent Rolf Domning, die Umfrage zum Thema des alljährlichen Frühjahrsgesprächs mit Vertretern der Medien zu machen. Und so lautete das Thema des Abends „Eine echte Herausforderung. Die harten Ergebnisse der 5. EKD-Mitgliedschaftsstudie „Engagement und Indifferenz“ – und die Konsequenzen für die Evangelische Kirche in Köln und Region“.

Kirche und ihre Religiosität
Mit Dr. Martin Horstmann, neuer Studienleiter für den Bereich „Protestantische Identität und Gesellschaft“ an der Melanchthon-Akademie, und Michael Birgden, Diplom-Theologe, Leiter des aktuellen Projekts „Kurse zum Glauben“ und Berater für strategische Unternehmenskommunikation von der Agentur KERYGMA, hatten Stadtsuperintendent Rolf Domning und Pressesprecher Günter A. Menne als die beiden Gastgeber des Abends zwei ausgewiesene Fachleute für Impulsreferate und die anschließende Diskussion eingeladen. Horstmann griff einige, wie er betonte „bemerkenswerte“ Punkte der Studie auf. So habe man ermittelt, dass die Kirche eine religiöse Organisation sei, die aber nur von einer Minderheit mit Religiosität in Zusammenhang gebracht werde. „Das ist so, als würde man beim ADAC nicht zuerst an Autos denken. Oder bei Parteien nicht an Politik.“

Alltagsspiritualität in den Familien fördern
Insbesondere die Erwartungen der Befragten an die Kirche als politischer Akteur seien gering. Verbunden mit der Kirche fühlen sich diejenigen, die einen persönlichen Kontakt zu ihrem Pfarrer oder ihrer Pfarrerin haben. Da die Zahl der Pfarrstellen zurückgehe, müsse sich die Institution zu einer Beteiligungskirche wandeln. Dafür müsse man die Rahmenbedingungen professionalisieren, die Gestaltungsspielräume ausweiten und Engagierte qualifizieren. Horstmann empfahl den Gemeinden, die christliche Religion mit ihren Ritualen, Inhalten und Angeboten wieder stärker in den Vordergrund ihrer Arbeit zu rücken. Glaubensweitergabe geschehe, so die EKD-Studie, innerhalb der Familie. Oder geschehe nicht. Die Gemeinden und Institutionen müssten daher wesentlich stärkere Angebote machen, die eine Alltagsspiritualität in den Familien fördere. Beten, feiern, singen, erzählen: Das müsse man eben auch können, so Horstmann.

Was Kirchenferne denken
Birgden möchte Gemeinden ermuntern, neue Formen zu etablieren, in denen „Innovation“ für Kirche möglich wird. Eine Feedback-Kultur könne dafür sorgen, dass die Handelnden nach Gottesdiensten, Kasualien und anderen kirchlichen Angeboten die Meinung von Kirchenfernen einholten, um sich für deren Perspektive zu sensibilisieren. Auch Birgden möchte die Familien als Lernort für Religion „ins Boot holen“ und Hilfestellungen geben, wie Eltern kirchliche Formen für sich entdecken und praktizieren können, so dass sie zu Familientraditionen werden. Gleichzeitig schlug der Experte für Unternehmenskommunikation vor, Pfarrerinnen und Pfarrer zu entlasten, „damit ihnen Zeit bleibt für Erkundungen, wie Kirchenferne über das Leben und den Sinn nachdenken und kommunizieren“.

Sicherheit geben, Ängste nehmen
Domning nahm den Faden auf: „Viele Menschen haben einen großen Bedarf, die alten Geschichten zu hören. Wir müssen aber von den alten Formen wegkommen. Wir müssen einen Glauben vermitteln, der Sicherheit gibt und Ängste nimmt. Zugleich gehen wir schon heute mit herausragenden Veranstaltungen auf die Leute zu – nehmen Sie die Kulturkirche Köln in Nippes, das Forum Paul-Gerhardt-Kirche in Lindenthal oder die Lutherkirche in der Südstadt: Da gehen Leute aus allen Stadtteilen hin, weil sie sich diese Orte aussuchen. Und wir brauchen eine neue Sprachkultur in unserer Zeit. Das heißt: Wir müssen archaische Formeln in einfühlsame Worte modern übersetzen.“

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann