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Fröhlicher Psalmen-Gesang in der ehemaligen Kreuzkapelle

Für Pfarrerin Ulrike Gebhardt war es noch ein etwas ungewohntes Gefühl, als sie im Gotteshaus Platz nahm: „Zum ersten Mal sind wir als Gäste hier“, sagte die Synodalbeauftragte für das christlich-jüdische Gespräch im Kirchenkreis Köln-Mitte. „Wir freuen uns sehr darüber, denn diese Kooperation ist etwas Besonderes.“ Gemeinsam mit der jüdisch-liberalen Gemeinde „Gescher LaMassoret“ richtete die Evangelische Kirchengemeinde Köln-Lindenthal in der ehemaligen Riehler Kreuzkapelle in der Stammheimer Straße einen Workshop zum Thema „Psalmen“ aus. Erst im Februar war die Kreuzkapelle entwidmet worden und soll in naher Zukunft als Synagoge genutzt werden.

Auch Dr. Gesa Biffio, Vorsitzende von „Gescher LaMassoret“, begrüßte die rund 40 Teilnehmenden aus der jüdischem Gemeinde und den evangelischen Gemeinden Riehl und Lindenthal sehr herzlich: „Wir sind froh, Sie heute als Gastgeber begrüßen zu können, obwohl wir noch nicht ganz eingezogen sind. Aber der gesamte Prozess hat uns zusammengeführt, wir sind uns nachbarschaftlich, interreligiös, und auch freundschaftlich verbunden.“

Verknüpfungen der Traditionen
Der Workshop, der im Rahmen des ökumenischen Projekts „Mit Psalmen rücken bauen“ des Arbeitskreises Christlicher Kirchen in Köln (ACK) angeboten wurde, war auf zwei Tage verteilt. In der Lindenthaler Paul-Gerhardt-Kirche gaben Jalda Rebling, Maria Jonas und die Koran-Rezitatorin Miriam Amer zusammen mit der Frauenschola Ars Choralis Coeln am Sonntag unter der Überschrift „Lailah – Stimmen zur Nacht“ ein Konzert in jüdisch-askenaischer, christlich-gregorianischer und muslimisch-orientalischer Tradition. Am Tag zuvor hatten Rebling und Jonas, die regelmäßig gemeinsame Workshops durchführen, in der Stammheimer Straße in die Verknüpfungen der Traditionen eingeführt.

Jüdische und christliche Melodien
Maria Jonas, Dozentin für historischen Gesang und Interpretin alter sowie improvisierter Musik, erinnerte daran, „dass die ersten Christen Juden waren“ und daher Elemente der jüdischen Liturgie im christlichen Gottesdienst auftauchen, darunter der Psalmengesang. Wie er ursprünglich einmal klang, ist unbekannt, erst seit dem 11. Jahrhundert wurden die modalen christlichen Melodien aufgezeichnet, ab dem 16. Jahrhundert auch die jüdischen. „Vorher gab es nur die orale Tradition, aber dabei haben sich die Melodien wohl ständig verändert, ähnlich wie bei der ‘Stillen Post‘“, erklärte Jalda Rebling.

Das habe dazu geführt, dass die Psalmen – Hebräisch: T’hillim – in der jüdischen Liturgie ganz unterschiedlich klingen können, je nachdem, welchen Traditionen sich eine bestimmte Gemeinde verpflichtet fühlt, den sephardischen oder aschkenasischen beispielsweise. Zum Teil bestünden erhebliche Unterschiede zwischen Nachbargemeinden.

Abhängig von den Jahreszeiten
Die Verwendung einzelner Psalmen in der jüdischen Liturgie hänge zudem von den Jahreszeiten ab, von der Atmosphäre und Stimmung, die in einem Psalm zum Ausdruck kommt und die auch der Gesang wiedergeben soll. Derzeit sei eine Verdrängung der jeweiligen Landessprache aus dem Psalmengesang und eine Rückkehr zum Hebräischen zu beobachten: „Das biblische Hebräisch unterscheidet sich natürlich sehr vom heutigen Hebräisch, vieles versteht man nicht mehr“, so Jalda Rebling. „Aber das alte Hebräisch hat die Poesie.“ Ähnliche Entwicklungen, so Jonas, ließen sich für die christliche Liturgie nicht beobachten. Auch die Katholiken hätten das Lateinische weitgehend verbannt. Einige Kantoren singen die Psalmen immerhin noch, während sie meist „nur“ gesprochen werden.

Ein Hauch Babylon
Dass das gemeinsame Singen eine ganz andere Energie freisetzt und eine gemeinschaftsstiftende Wirkung hat, demonstrierten Rebling und Jonas, indem sie jeweils die Psalmen 67, 114 und 150 Vers für Vers vorsangen und die Verse jeweils von den Teilnehmern nachsingen ließen. Und zwar auf Hebräisch, für das immerhin eine Übertragung in lateinische Schriftzeichen bereitlag. Auch der Wechselgesang wurde erprobt, für den die Stühle eigens in gegenüberliegenden Reihen angeordnet waren. Bei Psalm 150, dem Lobpreis des Herrn, durfte jeder Teilnehmer sogar frei zwischen der hebräischen Version und der deutschen Übersetzung von Maria Jonas wählen. So kam auch ein Hauch Babylon ins Spiel. Danach gab’s zur Belohnung eine Stärkung mit Suppe, Wein und Brot, anschließend verabschiedete Chasan Jalda Rebling „die königliche Braut Schabbat“ mit Liedern und Geschichten

Text: Hans-Willi Hermans
Foto(s): Hans-Willi Hermans