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Freund oder Feind? Muslime wollen gemeinsam mit Christen für das Gemeinwohl eintreten – Bericht vom 11. Altenberger Forum „Kirche und Politik“

Die Stühle reichten nicht aus, als das Martin-Luther Haus seine Türen zum 11. Altenberger Forum „Kirche und Poliitk“ öffnete. Offenbar hatten die Veranstalter mit dem Thema „Freund oder Feind – Christen und Muslime im Gespräch“ ein hoch aktuelles Thema aufgegriffen, zu dem Vertreter von evangelischer und katholischer Kirche und des Islam unter der hervorragenden Moderation von Melanie Wielens engagiert Stellung nahmen.


Freund oder Feind?
„Es geht nicht um Freund oder Feind. Es geht um Geschwisterschaft“, so Pfarrerin Dorothee Schaper von der Arbeitsstelle für christlich-muslimische Begegnung des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. Trotz bleibender theologischer Unterschiede etwa im Blick auf das Offenbarungsverständnis von Bibel und Koran und auf die Bedeutung von Tod und Auferstehung Jesu gebe es gemeinsame Wurzeln beider Religionen. Es gelte, einen freundlichen Umgang zu pflegen, in dem Angst und Bedrohungsgefühle durch Begegnung und gemeinsame Aktionen für Frieden und Gerechtigkeit abgebaut würden. Ziel müsse es sein, gemeinsam zum Wohl der Menschen beizutragen.

„Die Botschaft des Islam ist Frieden
und Liebe. Fanatiker haben keinen Platz“, sagte Mohammed Bittich, muslimisches Mitglied des Integrationsbeirates der Stadt Bergisch Gladbach. „Der gnadenreiche Koran macht uns den Dialog geradezu zur Aufgabe“, betonte Rafet Öztürk, Koordinator der DITIB für den Interreligiösen Dialog. Christen und Juden gälten im Islam nicht als „Ungläubige“. Er bedauerte außerdem, dass der interreligiöse Dialog mit Vertretern der Freikirche bisher kaum stattfinde.
Öztürk plädierte für die Ausbildung muslimischer Geistlicher in Deutschland und verstärkten Sprachunterricht für Kinder und Jugendliche. Das fördere die Integration von Muslimen in die deutsche Gesellschaft, sagte er. Es sei wichtig, dass die Imame Deutsch sprächen, auch wenn das für die Erfüllung der religiösen Pflichten der Muslime nicht von Bedeutung sei. Öztürk sprach sich auch für islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen aus. Zugleich trat er dafür ein, dass muslimische Schüler ausnahmslos am Sport- und Sexualkundeunterricht teilnehmen sollten.

Historische Schuld von Christen gegenüber Muslimen
Werner Höbsch, Referatsleiter Interreligiöser Dialog vom Erzbistum Köln, appellierte an die Muslime in Deutschland, die Geschichte des Islam kritisch aufzuarbeiten. So könne etwa eine Ausstellung eine Antwort auf das Bekenntnis von Papst Johannes Paul II. im Jahr 2000 sein, der eine historische Schuld von Christen gegenüber Muslimen eingeräumt hatte. Höbsch betonte, dass sich der interreligiöse Dialog nicht auf den theologischen Austausch unter Fachleuten beschränken dürfe. „Der Dialog des Lebens, dort, wo Christen und Muslime Tür an Tür leben, ist der Ernstfall.“ Unterschiede dürften nicht als Bedrohung, sondern sollten als Bereicherung gesehen werden. „Voraussetzung ist, dass wir als Christen auskunftsfähig und auskunftswillig sind“, so Höbsch. Unabdingbar sei auch, dass die muslimischen Gesprächspartner sich für eine demokratische Grundordnung aussprächen wie es etwa beim auch von DITIB unterzeichneten Kölner Friedensverpflichtung vom Oktober der Fall sei.

„Diaolg ist kein Luxus“
Melanie Miehl, christliche Gründungsvorsitzende des Koordinierungsrates der Vereinigungen des christlich-islamischen Dialogs in Deutschland, warnte davor, den vielerorts gelingenden Dialog durch Medienberichte über Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen in anderen Teilen der Welt gefährden zu lassen. Der Diaolg sei kein Luxus, sondern in einer sich wandelnden Gesellschaft überlebensnotwendig „Wir müssen das Miteinander friedlich gestalten, wir sitzen als religiöse Menschen in einem Boot“, so Miehl.
Einhellig sprachen sich die Vertreter von evangelischer und katholischer Kirche und die Vertreter des Islam für einen kontinuierlichen Dialog und eine Zusammenarbeit von Christen und Muslimen zugunsten des Gemeinwohls in Deutschland aus.

Soziale Konflikte haben nicht unbedingt religiöse Gründe
Konflikte wie die zwischen türkischen und russlanddeutschen Jugendlichen hätten ihre Ursache nicht in der Zugehörigkeit zu verschiedenen Religionsgemeinschaften, sondern im Gefühl, zu einer chancenlosen Randgruppe zu gehören und um die „letzten Plätze in der Gesellschaft kämpfen zu müssen“, machte ein Gesprächsteilnehmer aus dem Publikum in der anschließenden Diskussionsrunde klar. Soziale Konflikte dürften nicht so dargestellt werden, als würden sie durch die Zugehörigkeit zu verschiedenen Religionsgemeinschaften verursacht.

Islam contra Grundgesetz und Menschenrechten?
Breiten Raum nahm im Gespräch zwischen Podium und Publikum auch die Frage ein, ob der Islam seinem Wesen dem Grundgesetz und den Menschenrechten zuwiderlaufe und wie mit fehlender Toleranz und mangelnder Freiheit für Christen in islamischen Ländern umzugehen sei. Gewalt und Terror widerspräche dem authentischen Geist des Islam, betonte Rafet Öztürk. Pfarrerin Dorothee Schaper plädierte dafür, fehlender Toleranz in anderen Ländern am besten mit dem Schaffen von positiven Gegenbeispielen in Deutschland zu begegnen. Schließlich spreche die Bibel deutlich davon, wie Christen mit „Feinden“ umzugehen hätten.

Pläne
Als erster Ertrag des 11. Altenberger Forums wurde ein Gesprächskreis für muslimische und Christliche Jugendliche angeregt.

Text: Karin Vorländer
Foto(s): Vorlaender