„Gerechtigkeit und Frieden gehören zusammen, sind Geschwister“, betonte Heidemarie Wieczorek-Zeul, ehemalige Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in ihrer Laudation am vergangenen Freitag im Haus der Evangelischen Kirche Köln. Geehrt wurde die nach der Grundschullehrerin und Frauenrechtlerin Visitación Padilla benannte Organisation aus Zentralamerika, die seit 34 Jahren für den Schutz und die Stärkung der Menschenrechte für Frauen ihres Heimatlandes kämpft.
„Niemand wäre besser geeignet, um dieser Frauenrechtsorganisation die Ehre zu erweisen“, kündigte der Kölner Stadtsuperintendent Rolf Domning in seiner Rolle als Superintendent des evangelischen Kirchenkreis Köln-Mitte die frühere Ministerin an, die seit jeher als Unterstützerin und Anhängerin der Frauenbewegung gilt. Das Heimatland von Visitación Padilla lernte sie bereits zu Beginn ihrer Amtszeit kennen, in Folge des dort wütenden Hurricane Mitch: „Honduras ist ein Land mit einer langjährigen Gewalttradition“, weiß sie. Mit dieser Tradition zu brechen ist das Ziel von Visitación Padilla. Auf dem langen Weg dorthin brauchen sie alle Unterstützung, die sie bekommen können.
Merly Clereth Eguigure Borjas, die Nationalkoordinatorin von Visitación Padilla, fasste in ihrer Dankesrede die aktuelle Lage der Frauen in Honduras in Zahlen zusammen, die für sich sprechen: „Honduras ist derzeit einer der gewalttätigsten Orte der Welt. Alle 16 Stunden wird eine Frau ermordet, einfach weil sie eine Frau ist – seit Beginn dieses Jahres bis Mai waren es bereits 158. Die Täter gehen fast immer straffrei aus, weil rund 96 Prozent aller Morde an Frauen gar nicht erst verfolgt werden.“ Auch in anderen Bereichen sind Frauen hier in diesem Teil der Welt weitgehend rechtlos. Die „Pille danach“ wurde aus dem Behandlungsstandard nach Vergewaltigung gestrichen. In Kombination mit einem rigorosen Abtreibungsverbot unter allen Umständen ist die Selbstbestimmung der Frauen faktisch unterbunden. Die Arbeit von Visitación Padilla richtet sich damit letztlich gegen die Regierung ihres eigenen Landes und macht sie zu ihrem Gegner.
Via Internet konnten Freunde und Unterstützer die simultan übersetzte Verleihung verfolgen und damit auch Worte des Kölner Bürgermeisters Andreas Wolter. Er drückte seinen größten Respekt für die Frauen aus, die sich ungeachtet der Gefahr für ihr eigenes Leben für Freiheit und Gerechtigkeit in ihrem Land einsetzen. „Das Bewusstsein einer Gesellschaft zu verändern ist ein langer, schwieriger Weg“, betonte er. „Aber Ihre Mühen lohnen sich. Für uns alle!“
Bis sich die Vertreterinnen der Frauenrechtsorganisation sich am 16. Juni wieder auf den Heimweg machen, absolvieren sie „ein ambitioniertes Besuchsprogramm“, wie Superintendent Rolf Domning anerkennend feststellte. Pfarrerin Dr. Anna Quaas, die einen Großteil der Organisation rund um den Aufenthalt übernommen hatte, nutzte beispielsweise am Abend vor der Preisverleihung die Gelegenheit, ihren Gästen die „Black Föös“ bei einem Kirchenkonzert und damit „Kirche ganz anders und offener als sie es gewohnt sind“ vorzustellen.
Ambitioniert beschloss auch Heidemarie Wieczorek-Zeul den Festakt. Sie erinnerte nachdrücklich auch an Missstände in unserem eigenen Land und an das fünfte Nachhaltigkeitsziel der von der UN-Generalversammlung aufgestellten Agenda 30: Geschlechtergerechtigkeit und Selbstbestimmung für alle. „Wir müssen uns ranhalten – ich bin jetzt 75 und will das noch erleben!“
Die Georg-Fritze-Gedächtnisgabe wird vom evangelischen Kirchenkreis Köln-Mitte vergeben. Georg Fritze (1874-1939) war Pfarrer der Kartäuserkirche Köln und wurde von den Nationalsozialisten verfolgt, gegen die er offenen Widerstand leistete. Er verurteilte das Schweigen der Evangelischen Kirche zur Judenfrage und weigerte sich, den geforderten Eid auf Adolf Hitler zu leisten. In Folge wurde er seines Amtes enthoben. Im Gedenken an ihn verleiht der Evangelische Kirchenkreis Köln-Mitte seit 1981 alle zwei Jahre die mit 10.000 Euro dotierte Georg-Fritze-Gedächtnisgabe an Personen und Institutionen, die sich gegen Unrecht und Gewalt einsetzen.
Foto(s): Claudia Keller