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Frauen in Not: Seit 5 Jahren finden sie in der Frauenberatungsstelle Kalk Hilfe

Frauen in Notsituationen. Frauen mit körperlichen, seelischen oder sexuellen Gewalterfahrungen. Frauen, die von häuslicher Gewalt oder Stalking betroffen oder bedroht sind. Frauen in familiären, sozialen Konflikten, psychischen Krisen oder mit wirtschaftlichen Sorgen. Frauen mit Partnerschafts- oder Erziehungs-, Alkohol- oder Drogenproblemen. Frauen, die Schwierigkeiten im Umgang mit Behörden und anderen Institutionen haben… Für sie alle stellt die Frauenberatung Kalk der Diakonie Michaelshoven e.V. eine erste Anlaufstelle dar. Im November feierte die Einrichtung, die auch Kriseninterventionsstelle für Opfer häuslicher Gewalt im rechtsrheinischen Köln ist, ihr fünfjähriges Bestehen.


Geld war keins vorhanden, aber viel Unterstützung
„Es begann mit einer Idee“, erinnerte Birgitta Neumann de Zavalla, Geschäftsführerin des Unternehmensbereichs Wohnungslosenhilfe (heißt seit 2006 Bereich Integrationshilfen) der Diakonie Michaelshoven auf der „Geburtstagsfeier“ vor rund achtzig Gästen – darunter VertreterInnen aus Verwaltung und Politik, etwa Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes, sowie von kooperierenden, sozialen Einrichtungen. „Geld war keins vorhanden, aber alle Beteiligten unterstützten die unbedingte Notwendigkeit, ein solches Angebot zu schaffen“, dankte sie insbesondere der Bezirksvertreterin Karin Schmidt, dem damaligen Bezirksamstleiter Schumacher, Susanne Overhage vom Jugendamt sowie dem ehemaligen Leiter der Polizeiwache Kalk, Herrn Oldenbürger. „Denn bis dato bestanden nur im Linksrheinischen spezielle Frauenberatungsstellen.“

Start: aus eigenen Ressourcen
Im November 2000 startete die Diakonie Michaelshoven das Angebot „aus eigenen Ressourcen“. Marina Walch, die sich derzeit im Mutterschutz befindet, war die erste und zunächst einzige Mitarbeiterin. Jedoch sei aufgrund der abseitigen Lage des Büros hinter dem alten Krankenhaus in Kalk der erhoffte Ansturm zunächst ausgeblieben, bedauerte Nemann de Zavala. „Jede Besucherin, die dann doch ankam, löste bei uns Begeisterung aus.“ Mit dem im August 2001 von der damaligen Bezirksamtsleiterin Lie Selter initiierten Umzug in ein Ladenlokal im Erdgeschoss des Bezirksamtes Kalk habe man einen schlagartigen Anstieg der Besucherinnenzahl verzeichnet. Dieser hält im zentral gelegenen und gemeinsam mit Pro Familia genutzten Beratungszentrums Köln-Kalk noch immer an. „Hatten wir 2001 noch 185 Besucherinnen, waren es 2002 schon 340. 2004 zählten wir 553 Beratungskontakte, in den ersten drei Quartalen des Jahres 2005 waren es bereits 577“, informierte Claudia de Fries. Die Diplom-Sozialpädagogin stieß kurz nach dem Umzug zum Team. Während Marina Walchs Abwesenheit leitet sie die Beratungsstelle, in der mit Hülya Özturk Yildirim und Cigedem Özguzel auch zwei türkischsprachige Fachfrauen arbeiten.

Der Bedarf an Frauenberatungs-Einrichtungen sei nach wie vor groß, verwies Neumann de Zavala auf den 2004 veröffentlichten Bericht des Bundesfamilienministeriums, dem zufolge „vierzig Prozent der befragten Frauen in Deutschland körperliche oder sexuelle Gewalt oder beides seit dem 16. Lebensjahr erlebt haben oder erleben. 25 Prozent von ihnen durch einen Menschen aus dem unmittelbaren Lebensumfeld.“

Vertraulich, anonym und kostenlos
„Wir leisten psychosoziale Unterstützung“, erläuterte de Fries, „vertraulich, anonym, kostenlos. Unsere Hauptaufgabe lautet: im Gespräch klären, wo Hilfe notwendig ist, wie man Abhilfe in akuten Krisensituationen schaffen kann.“ Die Beratung erfolgt in der Einrichtung selbst, telefonisch, per Mail oder, wenn Betroffene die Wohnung nicht verlassen können oder wollen, bei ihnen zuhause. Neben dem Gespräch offeriert die Beratungsstelle auch die Begleitung zu „schwierigen“ Terminen. „Eine therapeutische Hilfe bieten wir aber nicht“, betonte de Fries. „Dafür vermitteln wir an andere Stellen innerhalb des Köln weiten Hilfesystems.“ Außerdem unterstützt die Einrichtung seit dem 15. November für die ArGe Empfängerinnen von Arbeitslosengeld II bei der Jobsuche. Schließlich pflegen die Mitarbeiterinnen einen regelmäßigen Austausch mit den Kooperationspartnern, etwa mit der Polizei, Rechtsanwälten und Jugendämtern.

Gewalt und Bedrohung  nehmen zu
Im breiten Beratungsspektrum bildet immer wieder das Thema Gewalt und Bedrohung den Hauptanteil. Mit Abschluss des dritten Quartals 2005 ging es in 71 Prozent um solche Fälle. Dies hängt sicherlich auch mit dem seit Januar 2002 geltenden Gewaltschutzgesetz zusammen, das Änderungen im nordrhein-westfälischen Polizeigesetz nach sich gezogen hat. Danach kann die Polizei bei häuslicher Gewalt den Schläger der gemeinsamen Wohnung verweisen und ein Rückkehrverbot für zehn Tage aussprechen. Dieser Zeitraum soll dem Opfer auch ermöglichen, sich über weitergehende Schritte und Maßnahmen beraten zu lassen. „Um das Gesetz durchsetzen zu können, braucht die Polizei, brauchen die Opfer konkrete Ansprechpartner“, so de Fries. Daher habe die Frauenberatung Kalk 2002 zunächst innerhalb eines Projekts zusätzlich die Funktion einer Kriseninterventionsstelle für häusliche Gewalt für das rechtsrheinische Köln übernommen. Seit September 2003 tut sie das offiziell. Als Träger der Einrichtung erhält die Diakonie Michaelshoven dafür jährlich 40.000 Euro aus städtischen Mitteln.
„Von den genannten 71 Prozent, die in den ersten neun Monaten des Jahres 2005 Hilfe bei Gewaltproblemen suchten, waren zehn Prozent Selbstmelderinnen. Zwanzig Prozent kamen über andere Institutionen zu uns, über Jugendamt, Wohnungsamt, Familienberatungsstellen, Rechtsanwälte, Ärzte und Polizeistellen, die die Betroffenen auf uns aufmerksam gemacht haben“, erläuterte de Fries. „Aber siebzig Prozent kamen im Zuge der Dokumentation von Einsätzen der Polizei bei häuslicher Gewalt zu uns“, verdeutlichte de Fries die Notwendigkeit dieser Krisenintervention. Dabei setze das Hilfsangebot stets das Einverständnis der Betroffenen voraus. Grundsätzlich richte es sich an alle Opfer von häuslicher Gewalt, sagte die Leiterin, also auch an Männer. „Mit ihnen führen wir jedoch nur ein telefonisches Gespräch. Danach werden sie an eine Männerberatungsstelle vermittelt.“

Neu: Beratung für junge Mütter in Porz
Ein besonderes Angebot der Frauenberatung Kalk, die seit kurzem auch eine Außenstelle in Porz-Finkenberg betreibt, ist laut Neumann de Zavala „die so genannte Entwicklungspsychologische Beratung, die wir vor allem jungen Müttern anbieten“. Das niedrigschwellige Beratungskonzept basiere auf Erkenntnissen der Säuglings- und Bindungsforschung und greife vor allem bei Formen der Überforderung und Problemen in der Mutter-Kind-Beziehung ein.

Kontakt
Frauenberatung Kalk, Kalker Hauptstraße 247-273 (Eingang rechts neben dem Bezirksamt)
Tel.: 0221-8209416, Fax: 0221-9651996,
E-Mail: fbs-kalk@diakonie-michaelshoven.de

Öffnungszeiten
Dienstag, Donnerstag, Freitag: 9 – 12 Uhr
Montag, Dienstag: 15 – 18 Uhr
sowie nach Vereinbarung

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich