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Francesco Leone las aus dem Reisebericht eines Geistlichen

Spät, zu spät war er nach langer Reise in Bonn angelangt, so dass die Stadttore bereits verschlossen waren, als er endlich ankam. Der italienische Geistliche musste deshalb die Nacht wohl oder übel draußen im Regen verbringen. Auf einem Flohmarkt hatte der Organist Professor Johannes Geffert ein Büchlein mit dem Titel „Von Frankfurt nach Köln“ gefunden mit diesen und vielen weiteren Aufzeichnungen eines anonym bleibenden italienischen Geistlichen, der 1709 durch Deutschland reiste. Von der Lektüre fasziniert, suchte er einen passenden Schauspieler, um dieses besondere Zeitzeugnis des ausgehenden Barock auf die Bühne zu bringen. Er fand ihn in Francesco Leone, einem in Italien gebürtigen Kölner Schauspieler, der den Erinnerungen des venezianischen Geistlichen seinen italienischen Akzent lieh und damit eine Portion Authentizität in die Darbietung in der Kölner Trinitatiskirche brachte.

Nicht alles wurde vorgelesen
Der Berichterstatter war nicht unbedingt ein durchweg sympathischer Zeitgenosse. So zählt er nicht nur die Kirchen und Schlösser auf, die er besucht hatte, er erzählt nicht nur von Messen und Festen, sondern durchaus lustvoll auch von öffentlichen Hinrichtungen oder von zur Schau gestellten Verurteilten. Und dabei habe man, so berichtet Schauspieler Francesco Leone, schon besonders anstößige Stellen aus dem Buch des anonymen Geistlichen entfernt. Antisemitische Text-Passagen wurden beispielsweise komplett weggelassen. Beim Rezitationsabend in der Trinitatiskirche mit Leone und Geffert blieben dennoch genügend Passagen, die Geffert dann mit zeitgenössischer Musik an der Klais-Orgel umrahmte.

Leise und leichte Töne
Nun ist Johannes Geffert bei weitem kein Unbekannter. Als Professor für Orgel und Improvisation an der Hochschule für Musik in Köln leitet er die Abteilung evangelische Kirchenmusik. Zudem ist er ein gefragter und populärer Solist mit einer treuen Fangemeinde. So konzertierte Geffert bei etlichen internationalen Orgelfesten in Europa, USA, Südamerika und Japan. An diesem Abend hielt sich der Tastenvirtuose jedoch merklich zurück, um dem Text genügend Raum zu geben. Er zog eben gerade nicht „alle Register“ der prächtigen Orgel in der Trinitatiskirche, sondern beschränkte sich auf leise und leichte Klangfarben, um die Lesung Leones nicht zu erdrücken.

Schilderungen mit wohldosierten Pausen
Leone wiederum ist ein vielbeschäftigter Schauspieler, aber auch ein spezieller Rezitator. So hat er etwa in der Hörbuchfassung des inzwischen auch verfilmten Bestsellers „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“ von Jan Weiler dem jungen Antonio seine Stimme geliehen. Und auch der anonyme Venezianer fand in Leone seinen kongenialen Rezitator. Wie Geffert bei seinem Orgelspiel Abstand von bloßer Zurschaustellung eigener Virtuosität nahm, so ließ auch Leone dem Text Raum, aus sich selbst heraus zu wirken. Die Merkwürdigkeiten des Berichtes unterstrich er so nicht in überdeutlichen Betonungen oder Satzmelodien. Leone begnügte sich mit wohldosierten Pausen, um dem Text nicht den Anschein eines Kuriosums zu geben, über das wir heute überheblich lachen könnten, sondern ihm eine eigene Würde zu überlassen, wenngleich die Schilderungen uns heute merkwürdig erscheinen.

Hohe Ansprüche an das Publikum
In der Trinitatiskirche, nach den Vorgaben von Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. im „altitalienischen Stil“ gebaut, fand der Abend den stimmigen Ort. Leone saß an einem antiken Holztisch vor dem Altarbereich der dreischiffigen und vierachsigen Emporenbasilika und verzichtete auch hier auf unnötige „Schauspielerei“, sondern beschränkte sich darauf, Rezitator zu sein, der dem Text lediglich seine Stimme zu geben hat, damit er wirken kann. Der Abend hatte somit einen durchaus sperrigen Text eines unbekannten Autoren zum Thema, der hohe Ansprüche an das Publikum stellte. Umso erfreulicher, dass über 50 Menschen gekommen waren und den Abend bis zum Ende genossen. Im Anschluss gab es dann auch viel Applaus und Lob für eine rundum stimmige Darbietung, die noch lange positiv in Erinnerung bleiben wird.

Text: Anselm Weyer
Foto(s): Anselm Weyer