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„Fit für 100“ – Bewegungsangebot für Menschen zwischen 77 bis 89 Jahren in der ASG-Seniorenwohnanlage von Köln-Ostheim

Hanteln, Gewichte, Muskelaufbau – das klingt nach Fitness-Studio und Leibesertüchtigung von jüngeren Generationen. Weit gefehlt. Wir befinden uns im Gemeinschaftsraum der Seniorenwohnanlage in der Henleinstraße 20 in Köln-Ostheim. Dieser Komplex gehört wie der benachbarte zur ASG- das ist die Antoniter-Siedlungsgesellschaft mbH im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region. Seit November 2005 offeriert sie ihren „hochaltrigen“, aber sehr fitten MieterInnen beider Häuser ein Bewegungsangebot. Es heißt „Fit für 100“, ist ein Modellprojekt der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS), der Landesseniorenvertretung NRW e.V., des Landessportbundes NRW und wird unterstützt vom Gesundheitsministerium NRW. Die Leitung des bundesweit einzigartigen Projekts hat das Fachgebiet Sport und Altern der DSHS inne. Von diesem wurde die ASG mit wenigen anderen Einrichtungen unter 87 Bewerbern ausgewählt.


Spaß beim Training und soziales Miteinander
Die bis zu 15 Teilnehmerinnen des ASG-Angebotes im Alter von 77 bis 89 Jahren treffen sich zweimal die Woche für je eine Stunde. Unter Anleitung der Trainerin Pia Lödige führen sie ein speziell auf Menschen des vierten Lebensalters, das heißt achtzig Jahre und älter, ausgerichtetes Bewegungsprogramm durch. Dies beinhaltet unter anderem Gymnastik, insbesondere Kräftigungs- und Koordinationsübungen. Auch die 78-jährige Cäcilie Scherf macht konzentriert mit, wenn Lödige bittet, langsam und mit jeweils zehn Wiederholungen das mit Gewichtsmanschette belastete Bein oder die mit einer Hantel bestückte Hand zu heben. Wieviel Spaß ihr das Training macht, belegt die Tatsache, dass sie den Übungen trotz ihres jüngsten Sturzes nicht fernbleibt. „Ich habe zwar noch schwarz-blaue Flecken von dem Sturz. Aber es geht auch damit.“ Käthe Senft (87) fand das Training anfangs schwierig. „Aber jetzt geht´s“. Und als sie letztens eine Woche krank war und aussetzen musste, hat sie es doch sehr vermisst. Vielleicht deshalb, weil auch das soziale Miteinander in ihrer Gruppe „toll ist“. „Das Üben ist schon wichtig“, sagt Scherf. „Aber die Geselligkeit ist es genauso. Am Anfang kannten wir uns noch nicht mal mit Namen. Da musste Frau Lödige Kennenlernspiele vorschlagen. Inzwischen kennen wir uns doch alle sehr gut, laden uns sogar zum Geburtstag ein.“

Systematisches Training stärkt die motorischen Fähigkeiten
„Es geht darum, das zu erhalten oder wieder zu gewinnen, was dazu beiträgt, den Alltag in der Wohnung und beim Einkauf körperlich meistern zu können. Denn im Bereich der Kraft weisen die Senioren die größten Defizite auf“, erläutert der wissenschaftliche Leiter des Projekts, Professor Dr. Heinz Mechling. Das Angebot sei kein Beschäftigungsprogramm, sondern tatsächlich Training. Systematisch betrieben, wirke es sich nachweislich positiv auf alle motorischen Fähigkeiten aus. So sei die Stärkung der Muskulatur auch eine wichtige Sturzprophylaxe. Ziel sei es, den Zeitraum für gesünderes Alter zu verlängern. Und das Thema Hochaltrige sei sehr aktuelles Thema. „Es spielt eine große Rolle, weil diese Altersgruppe uns in fünfzig Jahren so stark beschäftigen wird, wie wir es uns kaum vorstellen können.“ Insgesamt sei das allgemeine Wohlbefinden der Menschen entscheidend, stellte Mechling fest.
Das hat sich laut Gundi Thol, Seniorenberaterin der ASG, bei den Teilnehmerinnen in Ostheim merklich verbessert. „Seit dem Beginn des Trainings hat sich die Situation der Teilnehmerinnen spürbar verändert. Leute, die vorher nicht aus dem Haus gingen, können wieder einkaufen gehen.“ Auffallend sei, dass auch deren Psyche gestärkt worden sei. „Sie gehen aufeinander zu, pflegen einen offeneren Umgang, reagieren flexibler, sind insgesamt reger.“

„Gerade die Fähigkeit, sich selbst zu versorgen, ist Voraussetzung,
um in einer unserer Seniorenanlagen zu wohnen“, erklärte ASG-Geschäftsführer Guido Stephan. Bislang war das Angebot für die Teilnehmenden innerhalb des Modellphase kostenfrei. Nun wird die Einrichtung dieses Projekt betreffend in die organisatorische und finanzielle Selbständigkeit überführt. „Die ASG ist bestrebt, das Training bis Ende März weiterhin kostenfrei anzubieten“, betonte Stephan. „Aber ab dem 1. April müssen wir einen kostendeckenden Obolus verlangen. Wir denken da für ASG-Mieterinnen an 1 Euro pro Stunde, macht acht Euro im Monat. Interessenten von außerhalb, die gerne gesehen sind, werden dann 16 Euro zahlen. Wir halten dieses gesundheitsfördernde Angebot für einen gute Werbung für unsere Seniorenwohnanlagen und wollen es in entsprechenden weiteren etablieren.“

Ein ausbaufähiger Ansatz
Für Übungsleiterin Lödige ist es kein Problem, wenn neue Teilnehmerinnen hinzu kommen sollten. Ihre bisherigen Erfahrungen in Ostheim hätten gezeigt: „Sie werden von den Fortgeschrittenen unterstützt. Dieses Zusammenarbeit ist günstig, das Zusammenwachsen finde ich sehr schön. Diejenigen, die schon länger dabei sind, erinnern sich, wie sie mal angefangen haben. Die anderen profitieren von ihnen und sehen, was möglich ist.“
„Unser Ziel ist es, nicht nur wissenschaftlich zu evaluieren, sondern einen Leitfaden inhaltlicher und organisatorischer Art zu entwickeln für Einrichtungen in ganz Nordrhein-Westfalen. Plus Überprüfung von Kriterien und Qualitätssicherung“, sagte Mechling. Ziel sei es, ein Bewusstsein für die auch gesellschaftliche Notwendigkeit, hochaltrige Menschen fit zu halten, in den Köpfen der Leitenden von Einrichtungen zu verankern.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Broich