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Film zeigt Friedenssehnsucht der Kinder oder: Miss Hanne goes Everest

Das Wort „Städtepartnerschaft“ klingt lang und bürokratisch. Doch dass zu ihm Gesichter und lebendiger Austausch gehören können, ließ sich spätestens an jenem ganz gewöhnlichen Mittwochabend erkennen, als der Film „Miss Hanne goes Everest“ im Bürgerhaus Bergischer Löwe in Bergisch Gladbach lief. Ein Dokumentarfilm über ein Theaterprojekt von deutschen, palästinensischen und israelischen Kindern und Teenagern. Ein Film, der von der Friedenssehnsucht der Mädchen und Jungen im Nahen Osten erzählt, von ihren Ängsten und Gefühlen diesseits und jenseits der Mauer, die Israelis und Palästinenser trennt. Und obwohl der letzte Schliff des 84-Minuten-Streifens noch fehlte, wurde die Preview im voll besetzten Bürgerhaussaal zu einem großen Erfolg für die beiden Regisseurinnen Cordula Garrido und Claudia Kock. Nicht zuletzt deshalb, weil auch einige der jungen Akteurinnen im Publikum saßen: Roudy und Juliana aus Beit Jala, die derzeit bei ihren Theater-Freundinnen in Bergisch Gladbach zwei Monate Ferien machen und mit ihnen in der ersten Reihe saßen.


Ein Jahr Städtepartnerschaft Bergisch Gladbach – Beit Jala
Anlass für die Film-Preview war ein kleines Jubiläum: Vor einem Jahr, genau am 13. Juli 2010, hatte der Stadtrat von Bergisch Gladbach die Städtepartnerschaft mit Beit Jala einstimmig beschlossen. Ein besonderer Beschluss, da er erst die zweite Partnerschaft einer deutschen Kommune mit einer palästinensischen begründete. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft würdigte in einem Brief zum Einjährigen diese „Vorreiterrolle“, die Bergisch Gladbach übernommen habe.

Ehrennadel in Silber für Sabine und Axel Becker
Doch nicht nur dieses Lob kam überraschend zum Kultkino-Filmabend. Beit Jalas Bürgermeister Raji Zeidan drückte in einem Schreiben „unseren Stolz über die Partnerschaftsvereinbarung“ aus und das Ziel „den Weltfrieden zu erreichen“. Auch Bergisch Gladbachs Bürgermeister Lutz Urbach freute sich über die ohne finanzielle Mittel ausgestattete internationale Verbindung, bei der es um Kontakte und Miteinander gehe. Er hatte für die Anwesenden gleich zwei Überraschungen parat: Zum einen kündigte er die am Vortrag vom Rat einstimmig beschlossene Verleihung der Ehrennadel in Silber für Sabine und Axel Becker an. Schließlich sind der Pfarrer i.R. und dessen Frau die unermüdlichen Motoren dieser Städtepartnerschaft, die bereits zehn Jahre vor der Urkunden-Unterzeichnung für Verständnis und Unterstützung der Menschen in Beit Jala warben.

Ziel: eine palästinesisch-israelisch-deutsche, trilaterale Partnerschaft
Die zweite Überraschung, die Lutz Urbach am Mikrofon überbrachte: Tags zuvor hatte ihn eine Delegation aus Israel im Rathaus besucht und ein „ganz besonderes Gastgeschenk“ im Gepäck: den Brief des Bürgermeisters einer israelischen Stadt in der Nähe von Tel Aviv namens Ganey Tikva. Er sbekundet in diesem Brief sein Interesse an dem „einzigartigen Projekt einer trilateralen Partnerschaft“. Denn Ziel Bergisch Gladbachs ist es, nach der palästinensischen Partnerstadt auch eine israelische zu gewinnen. „Wir möchten gern das Dreieck hinbekommen“, betonte Lutz Urbach am Fuße der Leinwand. Und möglicherweise liegt dieses Ziel nun in greifbarer Nähe.

Die Sehnsucht der Kinder aus drei Staaten als Vorbild
Der Dokumentarfilm „Miss Hanne goes Everest“, benannt nach der in Beit Jala heimisch gewordenen und um Verständigung bemühten Pfarrersfrau Hannelore Shihadeh, nimmt die Zukunft in gewisser Weise ein Stück weit voraus. Denn das Theaterprojekt, das er begleitet, hat palästinensische, israelische und deutsche Kinder bereits partnerschaftlich zusammengebracht. Ein seltenes Ereignis für die jungen Menschen, die mit der trennenden Mauer leben. Und so ist das Theaterspielen nur der vordergründige rote Faden, der den Film durchzieht. Im Grunde geht es um die Ängste, Vorurteile, Wünsche, Sehnsüchte und Verständigung der in verschiedenen Welten aufgewachsenen Kinder.
Die beiden Bergisch Gladbacher Regisseurinnen drehten teils hier vor Ort, teils in Jerusalem, größtenteils jedoch in Beit Jala am Hotel Everest, gelegen unmittelbar an einer neu entstehenden Mauer.

Demnächst auf der Berlinale
Mit Feingefühl haben die Filmemacherinnen die Statements der Kinder eingefangen. „Der Weg ist das Ziel“, sei ihr Motto gewesen, erklärte Claudia Kock im abschließenden Film-Gespräch mit Moderatorin Doro Dietsch. „Das Theaterstück war sekundär.“ Demnächst soll „Miss Hanne goes Everest“ bei der Berlinale gezeigt werden, auch auf Festivals. „Ich bin beeindruckt von so vielen Details“, beurteilte Axel Becker den Film. „Das Leben – umzingelt von dieser Mauer“ werde eindrucksvoll spürbar. Nicht zuletzt an der Stelle, an der die Filmenden vor Gas-Beschuss in Beit Jala mit wackelnder Kamera flüchten. Nicht minder bewegend die Stelle, an der eine jüdische Grundschülerin das erste Mal von arabischen Selbstmordattentätern erfährt. „Brücken statt Mauern für Palästina und Israel – das ist die Vision“, betonte Axel Becker. „Wir müssen ganz viel Geduld haben.“

Noch eine Neuigkeit: Förderung behinderter Kinder aus Palästina und Israel
Einer, der bis dahin das Los der Menschen an der Mauer ganz konkret verbessern und die Städtepartnerschaft befördern will, ist Erich Bethe, der mit seiner Frau die Bethe-Stiftung gegründet hat . Am Filmabend verkündete er, dass er in Beit Jala den Verein Lifegate Rehabilation e.V. finanziell unterstützen werde, der sich unter anderem um die Ausbildung von Behinderten kümmert. „Was das Bedeutsame ist: Da kommen behinderte Kinder aus Palästina und Israel hin“, erklärte er. Seine Entscheidung sei ganz frisch, zu einer Spendenaktion werde bald aufgerufen – und zwar nach dem Bethe-Muster: „Was gespendet wird, verdoppeln wir – bis 50 000 Euro.“

Weitere Infos
Weitere Informationen zum Förderverein „Städtepartnerschaft Bergisch Gladbach – Beit Jala e.V.“: www.buergerfuerbeitjala.de

Infos zur Städtepartnerschaft und zu Beit Jala auch auf www.gnadenkirche-gl.de

Text: Ute Glaser
Foto(s): Glaser