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Festgottesdienst zur Orgelweihe in Köln-Stammheim

Etwa 400 Besucher erlebten in der Stammheimer Immanuel-Kirche einen musikalischen Festgottesdienst, in dem zum ersten Mal die neue Orgel erklang. In weniger als einem Jahr hatte der Freiburger Orgelbauer Späth ein hochmodernes Instrument gefertigt, bei dem Teile der Stahlhuth-Orgel aus der früheren Lukas-Kirche in Köln-Flittard wiederverwendet wurden.

Screen aus 4.000 Holzlamellen
Ein halbtransparenter „Screen“ aus fast 4.000 Holzlamellen verdeckt die Orgel wandfüllend und ist zugleich bestimmendes Gestaltungselement im Kirchraum. Im Anschluss vermittelte eine unterhaltsam präsentierte akustische Orgelführung einen ersten Eindruck von der klanglichen Vielfalt des Instruments. Mit der Orgel und dem Screen sind nun alle großen Arbeiten an der Immanuel-Kirche abgeschlossen, die die Evangelische Brückenschlag-Gemeinde im März 2013 eingeweiht hatte.

Festgottesdienst mit Orgelweihe
Der Gottesdienst am Sonntag Jubilate („jauchzet Gott“) stand ganz im Zeichen von Klängen. Zunächst begleiteten nur Posaunen und Trompeten den Gemeindegesang. Dann widmete Pfarrer Gerold Vorländer die Orgel mit den schlichten Worten: „So sei nun diese Orgel in den Dienst Gottes gestellt.“ Organist Torben Zepke zog nach und nach verschiedene Register, um die Gemeinde langsam an den neuen Klang zu gewöhnen. Dann spielte er die Toccata in d-moll (BWV 565) von Johann Sebastian Bach, bei der die Orgel schon manches von ihrem Potenzial preisgab. Beim Nachspiel, der Marche héroique aus der Feder von Edwin Lemare, sollte sie mit noch stärker differenzierten Klangeindrücken aufwarten.

Klangreisen vom Frauenchor
Mit herrlichen Klängen beeindruckte auch der Frauenchor der Gemeinde. Geleitet und an der Orgel begleitet von Zepke, setzte er eigene festliche Akzente. In der Predigt nahm Pfarrer Vorländer die Gemeinde mit auf eine Klangreise durch die Bibel. Akustische Beispiele, zumeist von der Orgel kommend, illustrierten die Geschichte Gottes mit den Menschen und veranschaulichten, mit welch unterschiedlichen Stimmen die Welt gefüllt ist. Vorländer wünschte, dass Stimmen und Instrumente zur Ehre Gottes erklingen mögen, was im Schlusslied „Nun danket alle Gott“ unüberhörbar wurde.

Überwältigende Spendenbereitschaft
Nach dem Gottesdienst lud die Gemeinde zu einem Sektempfang. Dabei war genügend Zeit, die Orgel samt Screen aus nächster Nähe zu betrachten. Außerdem konnten nicht verwendete Orgelpfeifen aus der früheren Orgel gegen Spende erworben werden. Zugleich bestand letzte Gelegenheit zum Kauf von Losen der Kirchbau-Lotterie, durch deren Erlös die Orgel mitfinanziert werden soll. Die rund 150.000 Euro für die Orgel sind nämlich komplett durch Spenden zu tragen. Regelrecht sprachlos gemacht habe das Presbyterium vor kurzem das bisherige Spendenvolumen, wonach nur noch 15.000 Euro fehlen, wie Presbyteriumsvorsitzende Christiane Friedrich mitteilte. Immerhin musste die Gemeinde für die Fertigstellung des Kirchbaus weitere 200.000 Euro durch Spenden aufbringen.

3.000 Stunden Arbeit an der Orgel
Rund 150 Interessierte blieben noch, um anschließend von den Orgelfachleuten spannende Fakten über Orgeln allgemein und speziell über die Orgel in der Immanuel-Kirche zu erfahren. Zunächst skizzierte Tilmann Späth, Orgelbauer in fünfter Generation und Mitinhaber der Firma Freiburger Orgelbau, wie der Auftrag abgewickelt wurde und aus welchen Registern sich die Orgel zusammensetzt. Gerade einmal ein Jahr verstrich zwischen Auftragserteilung und Fertigstellung der Orgel, die für das 1862 gegründete Familienunternehmen Opus Nr. 999 werden sollte. Weit über 3.000 Arbeitsstunden waren erforderlich, um das spannende Instrument samt Technik zu bauen, zu stimmen und zu testen. Aus der früheren Stahlhuth-Orgel in der Lukas-Kirche in Köln-Flittard, die die Gemeinde 2009 aufgegeben hatte, konnten das Pfeifenwerk und die Windladen wiederverwendet werden.

1.474 Orgelpfeifen hinter 3.825 farbigen Holzlamellen
Mit Fotos gab der Orgelbaumeister Einblick in seine Werkstatt, wo die gesamte Orgel mit ihren 1.474 Pfeifen zunächst komplett aufgebaut wurde, bevor sie ab März 2013 in der Immanuel-Kirche ihren endgültigen Platz fand. Dort steht sie auf zwei Ebenen an der Stirnwand hinter dem Altar. Auf der unteren Ebene in drei Metern Höhe befindet sich die Technik, auf der Ebene darüber das Herzstück des Klangs, die Windladen mit den auf ihnen angeordneten Pfeifen. Ein fahrbarer Spieltisch im Kirchenschiff steuert sie elektronisch an. Dieses akustische Meisterwerk wird von einem optischen Kunstwerk wandfüllend verdeckt, das dennoch dem Klang allen Raum lässt: Ein Screen aus 3.825 Holzlamellen in 27 Farben, entworfen von den Architekten von Sauerbruch Hutton, lässt die Orgelkonstruktion dahinter erahnen, zieht das Auge aber unwillkürlich auch nach oben zum Licht, während gleichzeitig von einem großen „Himmelsfenster“ Tageslicht auf den Altarraum fällt.

Akustische Orgelführung
Dann stellte Tilmann Späth alle 23 Register der neuen Orgel auf unterhaltsame Weise vor. Er verglich ihren Charakter mit den unterschiedlichen Personen einer Großfamilie, und Organist Zepke improvisierte jeweils ein Klangbeispiel. In der Praxis werden meist mehrere Register gleichzeitig gespielt. Auch das demonstrierte der Organist. Beim großen Tutti aller Register schließlich entfaltete sich die gesamte Klangfülle der Orgel und erfüllte majestätisch den Raum. So erhielten auch Nicht-Orgelexperten eine anschauliche Vorstellung von der faszinierenden Klangvielfalt dieser „Königin der Instrumente“.

Der lange Weg bis zur Immanuel-Kirche mit ihrer Orgel
2007 hatte eine Gebäudestrukturanalyse ergeben, dass beide Kirchen der Evangelischen Brückenschlag-Gemeinde, die Lukas-Kirche im Stadtteil Flittard und das Dietrich-Bonhoeffer-Haus im Stadtteil Stammheim, marode waren und nur ein Neubau eine zukunftsweisende Option darstellte. Eine Gemeindeversammlung sprach sich 2008 für einen Neubau aus und stärkte dem Presbyterium den Rücken für eine mutige Planung, die auch ein intensives Fundraising einschließen würde. Aus einem Architektenwettbewerb ging 2009 das Berliner Architekturbüro Sauerbruch Hutton als Sieger hervor. Anfang 2009 hatte die Gemeinde bereits die Lukas-Kirche verkauft. Mit dem Verkaufserlös (1,35 Millionen Euro), eigenen Rücklagen (700.000 Euro), einem Zuschuss vom Evangelischen Kirchenverband Köln und Region (1,1 Millionen Euro) sowie gesammelten Spenden sollte der 3,5 Millionen Euro teure Neubau finanziert werden. Ein Kölner Orgelbauer sorgte vor dem Abriss der Lukas-Kirche für Abbau und Einlagerung der als erhaltenswert erachteten Stahlhuth-Orgel aus dem Jahr 1963. Die mit 150.000 Euro veranschlagte Orgelrestaurierung musste komplett von Spenden getragen werden. Im Herbst 2011 wurden mehrere Orgelbauer um ein Angebot für den Umbau der Orgel gebeten. Im November 2011 beschloss die Gemeindeversammlung, die neue Kirche „Immanuel-Kirche“ zu nennen. Anfang 2012 wurde das Dietrich-Bonhoeffer-Haus abgerissen, an dessen Stelle anschließend die Immanuel-Kirche entstand.

Gottesdienste vorübergehend in katholischer Kirche
Ihre Gottesdienste feierte die Gemeinde in der heimatlosen Zeit in der nahe gelegenen katholischen Kirche St. Johannes Evangelist in Stammheim. Im April 2012 erhielt die Firma Freiburger Orgelbau von Tilmann und Hartwig Späth den Zuschlag für den Orgelumbau. Daraus wurde dann doch ein Orgelneubau unter Verwendung des Pfeifenwerks und der Windladen. Am 3. März 2013 wurde die Immanuel-Kirche feierlich eingeweiht. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits erste Teile der Orgel in der Kirche errichtet.

Konzertreihe im Einweihungsjahr
Im Laufe des Jahres 2013 sind verschiedene Orgelkonzerte und -matineen in der Immanuel-Kirche geplant, in denen das Klangspektrum der Späth-Orgel ausgelotet wird. Den Anfang machte am 12. Mai ein Orgelkonzert mit Professor Dr. Martin Weyer aus Marburg, der seinerzeit die Stahlhuth-Orgel in der Lukas-Kirche mitgeplant hatte und lange Jahre Organist in Köln-Flittard war. Demnächst lädt die Gemeinde zum Jazzkonzert Groove Ganoven für Samstag, 13. Juli, 19 Uhr, in die Immanuel-Kirche ein. Zu hören ist Funk- und Soulmusik der Extraklasse. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten.

Text: Christa Hastedt
Foto(s): Andreas Rehbein