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Festakt anlässlich 50 Jahre Melanchthon-Akademie

Ein schöner Einfall. Als „Paradiesvögel“ begrüßten die Mitarbeitenden der Kölner Melanchthon-Akadamie die Gäste des Festaktes zum 50-jährigen Bestehen der Bildungseinrichtung. Ihren Willkommensgruß entboten sie von der Leinwand. Jede und jeder im Verwaltungs- und pädagogischen Team, stellte sich in Bild und Ton den Anwesenden vor, von Gundula Berrscheidt (Seminarbetreuung) bis zum Akademie-Leiter Dr. Martin Bock. Entstanden sind die Porträts vor allem im begrünten Außenbereich, eben im „Paradies(garten)“ der Akademie. Dabei grüßte Pfarrer Martin Bock im Talar in einem Baum sitzend. Pfarrerin Dorothee Schaper nutzte die Symbolik eines Apfelbaumes für den Hinweis auf ihren Schwerpunkt christlich-muslimische/interreligiöse Begegnung: Der Baum könne auch für die gemeinsamen Wurzeln des Christentums, Judentums und Islam stehen; seine Zweige für die verschiedene Richtungen. Als Übersetzung der ethisch-kirchlichen Sicht in die Arbeitswelt hinein wiederum fasste Sozialreferent Walter Fuchs-Stratmann seinen Auftrag zusammen.

Viele waren gekommen
Zwei Stunden Wort- und Musikbeiträge, Rück- und Ausblicke, mit etlichen humorigen Momenten: Feierlich-unterhaltsam, fröhlich verlief der Festakt zum 50-jährigen Bestehen der Melanchthon-Akademie des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region in der Kölner Südstadt. Ihm war ein Festgottesdienst in der Kartäuserkirche vorangegangen. In den „frisch renovierten Räumen“ der Akademie dankte Bock zunächst für die große Resonanz auf die Einladung. Viele Freunde der Einrichtung, Mitarbeitende des Kirchenverbandes und Vertretende von Kooperationspartnern gaben sich ein Stelldichein. Darunter Bocks Vorgänger Pfarrer Marten Marquardt, Mitarbeitende der Karl-Rahner-Akademie und Hannelore Bartscherer, Vorsitzende des Katholikenausschusses in Köln.

Strahlkraft weit über die Stadtgrenzen hinaus
„Die Mitarbeiterschaft der Akademie – sichtbar, unsichtbar auf dem Gelände“, nahm Domning in seinem Grußwort Bezug auf den „Paradiesvögel“-Einspieler, „ist schon ein Schatz.“ Wie der Akademie-Garten selbst. Bildung benötige Freiraum, auch frische Luft, um den Kopf frei zu bekommen. „Die Akademie hat eine Strahlkraft weit über unsere Stadtgrenze hinaus, hinein in die Region“, so der Pfarrer. Hier treffe man auf Sachverstand. Eine solche Einrichtung sei ein Schatz, den es so häufig nicht mehr gebe in der Kirche. „Die Melanchthon-Akademie ist die älteste Stadtakademie Deutschlands.“ Das sei ein Grund zu feiern. „Und wir feiern – ein Bildungsverständnis, das es so nur in Kirche gibt.“ Heute werde Bildung allzu häufig als Ressource für den Arbeitsmarkt gehandelt. Bildung werde reduziert auf einen Teilbereich von Wirtschaft, die dort entsprechend nutzbar zu machen sei. „Von einem solchen Gedanken war der Erfinder des Wortes weit entfernt“, so Domning. Nach (Meister) Eckhart von Hochheim (um 1260 bis 1328) sei Bildung Gottesssache. „Wer sich zu Gott hinwende, könne gar nicht anders als sich der Welt zuzuwenden.“ Religiöse Bildung habe ihren Ursprung und ihr Ziel in Gott. „Nicht von oben, vom Katheder verordnet“, sondern die Menschen fähig machend, ihren Glauben zu leben. Domning betonte die Bedeutung von Gespräch und Diskurs. „Es ist sicherlich nicht die schlechteste Tradition: Bildung, die christlich-reformatorisch fundiert ist, die die Welt im Blick hat, die keine Einbahnstraße ist.“ In diesem Sinne und gemäß des zum Jubiläums-Programm „geborenen“ Akademie-Mottos „Weiter Denken“, wünsche er sich eine Fortsetzung interessanter Bildungsangebote seitens des „theologischen Kompetenzzentrums“.

Elfi Scho-Antwperpes: „Sie sind eine lebendige Bildungstradition“
Namens der Stadt sagte Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes den einstigen wie heutigen Akademie-Mitarbeitenden „danke für die geleistete Arbeit“. Die Einrichtung sei weit über die Stadt hinaus wichtig für die Region. Sie stehe für nun 50 Jahre Bildungsarbeit des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, beruhend auf christlichen Grundwerten, getragen von Humanismus und Offenheit. Sie schätze sehr die Bereitschaft der Akademie, offen zu sein, offen für neue Ansätze. „Damals, als sie gegründet wurde, war Köln katholisch geprägt. „Heute leben hier 180 Nationen und Kulturen mit ihren religiösen Traditionen“, beschrieb die Bürgermeisterin eine „interessante, spannende“ Situation. Ein dauerhaftes Zusammenleben sei nur möglich, indem man aufeinander zugehe und miteinander spreche. Die Akademie biete erfolgreich an „sich weiterzubilden, sich aufeinander einzulassen“. Sie schaffe seit 50 Jahren Raum für Austausch und Dialog. „Gemeinsam lernen, sich selber kennen lernen und den vermeintlich Fremden, und hoffentlich voneinander lernen“ – dies sei hier möglich in einer großen Themen-Vielfalt. Sie traue sich auch, sich einzumischen, „wenn es sein muss, auch laut zu werden“. Sie ermögliche Menschen zu wachsen im Ehrenamt und gesellschaftlichen Engagement. Solches Engagement sei für unsere Gesellschaft unverzichtbar. Solches Engagement stärke eine demokratische, interkulturelle Stadtgemeinschaft. Als besonders wertvollen Beitrag für das harmonische Zusammenleben erachtet Scho-Antwerpes, dass die Akademie die Verständigung zwischen den Religionen einfordere. „Sie sind eine lebendige Bildungstradition – danke für viele Beiträge in Köln und im Umland.“

Allgemeines Menschenrecht auf Bildung
„Bildung ist ein Menschenrecht“, unterstrich einleitend Professor Dr. Christoph Markschies in seinem gut aufgebauten, intelligenten Fest-Vortrag „Bildungsgerechtigkeit – Philipp Melanchthon und seine Impulse für gegenwärtige Bildungsarbeit“. Das stelle die Akademie richtig fest in ihrem historischen Abriss der Geschichte des Hauses auf den letzten Seiten des Jubiläums-Programms: „Gerechtigkeit, Gegenseitigkeit, Glaubwürdigkeit“. Ja, unterstrich der an der Berliner Humboldt-Universität lehrende evangelische Theologe, es gebe ein allgemeines Menschenrecht auf Bildung. Anfang der 60er Jahre sei das (bundesweit) überhaupt kein Thema gewesen. Sonst gäbe es heute nicht so viele beklagenswerte Lücken, sieht Markschies einen großen Mangel an Bildungsgerechtigkeit. „Das ist eine vergleichsweise neue Idee.“ So habe die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) erstmals 2010 Bildungsgerechtigkeit zum Thema gemacht, und die EKD gebe es ja auch schone eine Zeit lang.

Bildungsgerechtigkeit bei Melanchthon
Der Titel seines Vortrages, die ihn die Akademie zu halten eingeladen habe, setze voraus, dass es schon Bildungsgerechtigkeit bei Melanchthon gegeben habe. Und das könne ja nur meinen, „dass der Schulmeister Deutschlands wichtige Impulse zur heutigen Bildungsgerechtigkeit geben kann“. Aber sei sie bei Melanchthon überhaupt relevant, spiele sie eine Rolle? Melanchthon habe sich immer wieder über Bildungsgerechtigkeit geäußert, ohne den Begriff explizit zu verwenden. Der Begriff Bildung stamme aus dem 18. Jahrhundert. Der Terminus Bildungsgerechtigkeit sei erst etwa 1968 aufgekommen. Melanchthon habe Gerechtigkeit in dreierlei Wortsinn verstanden: Erstens als allgemeine Gerechtigkeit, als Gesetzesgehorsam, gehorsam gegenüber den Gesetzen Gottes, wie sie sich in den Naturgesetzen ausdrückten. Zweitens als Einzelgerechtigkeit, die eine angemessene, gleiche Behandlung meine. Und drittens als Gerechtigkeit allein aus dem Glauben. Diese Definitionen seien eng miteinander verbunden.

„Wer nicht bildet, ist kein Mensch!“
„Was verstand Melanchthon unter Bildung?“ Melanchthon, der habe die Ansicht vertreten, dass Kirche freie Bildung bräuchte. „Nicht nur Grammatik, sondern andere Wissenschaften und Philosophie.“ Er habe für einen ausgefalteten Bildungsbegriff geworben. Laut Melanchthon diene alle Erziehung dazu, dem Menschen wahre Bildung zur Menschlichkeit zu vermitteln. In Bildung und dessen Vermittlung habe er ein göttliches Gebot gesehen. „Wer nicht bildet, ist kein Mensch. Nur durch Bildung wird man zum Menschen. Der in der Sünde ungebildet ist, wird in der Bildung zu Gottes Ebenbild.“ Melanchthon habe Menschen gebildet wissen wollen. Das sei der Versuch, Gottes Gebot zu entsprechen. Kirche benötige intellektuelle Bildung und müsse sie anbieten. Aber Melanchthon, der sich im Gegensatz zu Luther auch an der Ethik antiker Philosophen, etwa Aristoteles, orientiert habe, schaue vielmehr auf alle Menschen, „die bei Verstand sind“. Für ihn hätten die wichtigsten Handlungsimpulse die Evangelien gesetzt, als das eigentliche, besondere Bildungsgut. Gerechtigkeit und Bildung seien vom Evangelium her zu verstehen. Und weil das Streben nach Bildung für Melanchthon ein göttliches Gebot und verheißungsvolles Gut sei, habe er der Kirche hierbei eine hohe Verantwortung zugesprochen. Entsprechend dramatisch wertete er Bildungsvernachlässigung und -zerstörung. Der bildungswillige Mensch werde zum Tier, die Kirche verliere ihre Existenz. Ungebildete Theologie sei unklar, die dazu führe, dass die gesamte Religion weggestoßen werde und die Menschen auf weltliche Gedanken kämen.

Evangelium: attraktives Bildungsangebot
„Welche Impulse Melanchthons ergeben sich für die Gegenwart“, fragte Markschies im zweiten Abschnitt. „Wir müssen uns stärker um Bildungsgerechtigkeit für alle bemühen: Es ist gerecht, jedem Menschen Bildung zu ermöglichen. Wir handeln unrecht, wenn wir Menschen Bildung verwehren. Sie ist göttliches Gebot.“ Das Evangelium sei ein besonders attraktives Bildungsangebot. Aber: Mit Melanchthon allein könne man keine alleinige Erklärung für Bildungsgerechtigkeit geben. Die Vorstellungen von Bildungsinhalten hätten sich seitdem gravierend verwandelt. Melanchthons Vorstellungen wirkten seltsam elitär und würden eher Bildungsungerechtigkeit Vorschub leisten. So habe Melanchthon die Bedeutung der griechischen Sprache für das Lesen und Verständnis der Bibel betont. Aber angesichts der gesellschaftlichen Verhältnisse müssten die Bildungsinhalte verändert werden: „Griechisch ist wichtig, aber eben nicht alles.“

Etat-Sorgen nicht hilfreich
Markschies scheint es möglich, mindestens zwei wichtige Impulse für das Eintreten für Bildungsgerechtigkeit bei Melanchthon auszumachen. Erstens sein großer Realismus und seine ungemein lebensnahe Auffassung von der Vermittlung von Bildung. Über deren Schwierigkeit habe er sich keine Illusionen gemacht. „Nicht mal im Zuchthaus seien Menschen unglücklicher als Lehrer“, habe er die „notorische Undankbarkeit“ von Schülern beklagt. So werde Bildung gemäß Melanchthon nur dann nachhaltig sein, wenn man nachsichtig, nüchtern mit ihr umgehe. Als zweiten Impuls nannte Markschies Melanchthons konkrete Beteiligung an der Neubildung von Bildungseinrichtungen. Von ihm könne man lernen, dass Bildung geordnet werden müsse. „Außerdem verfolgte er den Weg seiner ‚Schulen‘ sehr aufmerksam.“ Daraus folgert Markschies: „Wirkliche Impulse (auf diesem Gebiet) können wir nur setzen, wenn wir Institutionen gründen, pflegen und ausbauen.“ Als Beleg verwies der Redner auf die Aufbruchstimmung nach der Vereinigung im Osten Deutschlands, die auch die Gründung zahlreicher neuer Lehreinrichtungen bewirkt habe. Markschies wünscht sich ein Ende der herrschenden, „so etwas wie lähmenden Resignation“. Bildungsgerechtigkeit könne allein mit den entsprechenden Institutionen ver- und ausgebreitet werden. Dabei sei es wenig hilfreich, wenn man sich ständig um den Etat, das Geld, Gedanken machen müsse. „Sie“, wandte er sich an die Akademie-Verantwortlichen, „verdienen schon deswegen alle Unterstützung: Das ist Gottes Gebot“, schloss Markschies und wünschte „vergnügliche, spannungsvolle Bildungsfeierlichkeiten.“

Präsentation im Foyer der Akadmie
Vor Markschies Beitrag hatten die Akademie-Mitarbeitenden Walter Fuchs-Stratmann, Matthias Frank und Joachim Ziefle mit einer gesprochenen Collage eine Ausstellung zur 50-jährigen Geschichte der Akademie eröffnet. Ihre „Geschichts-Splitter“, Zitate aus Briefen, einem Verbandsvertretungs-Protokoll, Programm-Heften und Veranstaltungshinweisen, sorgten im mehr oder weniger großen zeitlichen Abstand zu ihrer Formulierung bisweilen für Erstaunen und Erheiterung. Die Präsentation ist noch einige Zeit im Foyer und Treppenhaus der Einrichtung zu sehen. Zusammengestellt hat sie Studienleiter Ziefle, der sich ausdrücklich bei Christian Parow-Souchon, Leiter des Verbands-Archivs, und dessen Mitarbeiterin Frau Klein für die große Unterstützung bei der Recherche bedankte. Die Gestaltung übernahm Frank. Der Webmaster und Layouter der Akademie, hat in seiner Freizeit auch eine musikalische Hommage auf die Akademie kreiert. Sein Song untermalte die audiovisuelle Vorstellung der „Paradiesvögel“ zum Beginn des Festaktes.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich