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Farblithographien von Marc Chagall zum Buch „Exodus“ – Ausstellung und Rahmenprogramm in Köln-Esch

Das weite, tiefblaue Meer teilt sich und lässt eine lange Menschenschlange passieren. Am linken Bildrand führt Mose scheinbar Regie. Getaucht in ein warmes Gelb, quasi von Licht durchströmt, hält er seinen linken Arm in die Höhe und dirigiert mit einem Stab die Wasser- und Personenmassen. Marc Chagall (1887-1985), der russischstämmige, jüdische Maler, hat auf diesen linken Arm eine zweite rechte Hand gesetzt. Sie symbolisiert die „starke Hand“ Gottes, der durch Mose „das Wunder bewirkt“.
„Der Durchzug durch das Schilfmeer“ ist diese Farblithographie betitelt. Sie bildet mit 23 weiteren Blättern den „Exodus“-Zyklus zum 2. Buch Mose. Der fast achtzigjährige Chagall hat diese Graphik-Folge 1966 in seiner Wahlheimat Frankreich geschaffen. Nun ist eines der Exemplare in der Jesus-Christus-Kirche in Köln-Esch zu sehen. Sieben Tage, bis zum 5. März, bildet die Ausstellung den Kern und Rahmen für ein Programm mit ökumenischem Gottesdienst, Führungen, Vortrag, Lesung und Musik. Am Mittwoch, 2. März, 19.30 Uhr, spricht Pfarrer Dr. Rainer Stuhlmann, Schulreferent des Evangelischen Stadtkirchenverbandes Köln, zum Thema „Der Exodus: Grunddatum des Glaubens für Juden und Christen“. Am Donnerstag, 3. März, 15 Uhr, öffnet das Literaturcafé: Brigitte Bremer stellt „Jüdische Literatur am Beispiel von Hilde Domin, Nelly Sachs, Ruth Klüger und Paul Celan“ vor.

Spenden für Begegnungsstätte und Arbeitslosentreff im Lindweiler Netz e.V.
Die Veranstaltungswoche findet statt innerhalb der ökumenisch initiierten Reihe „Gespräche rund um´s Kreuz Köln-Nord“. Getragen von der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Pesch, dem katholischen Seelsorgebereich Kreuz-Köln-Nord, dem Katholischen Bildungswerk Köln und dem Lindweiler Netz e.V., verbindet sie laut Klaus Termath, Pfarrer an der Jesus-Christus-Kirche, drei Dinge: Kultur in die Kirche bringen, ökumenische Zusammenarbeit und soziales Engagement. „Wir erheben keinen Eintritt zu unseren Veranstaltungen, bitten aber um Spenden für den Lindweiler Netz e.V., den Förderverein der evangelischen Begegnungsstätte und des Arbeitslosentreffs Lindweiler. Auch ein Teil des Katalogbuch-Verkaufs fließt ihm zu“, erläutert Termath. „Chagalls ´Exodus´-Bilder bieten eine wunderbare Gelegenheit, auf diese grundlegende Geschichte des jüdischen und christlichen Glaubens einzugehen“, so der Escher Pfarrer. Der Auszug aus Ägypten, die Errettung der Israeliten aus der Knechtschaft, die Gottesoffenbarung und der Bundesschluss am Sinai – dies zeige, dass der jüdische und christliche Gott ein befreiender Gott sei.

Die Bibel: reichste poetische Quelle aller Zeiten
Der „Exodus“-Zyklus belegt ein weiteres Mal Chagalls besonderes Interesse an biblischen Motiven. „Seit meiner frühesten Jugend hat mich schon die Bibel in ihren Bann gezogen. Die Bibel schien mir – und scheint mir noch heute – die reichste poetische Quelle aller Zeiten zu sein. Seitdem habe ich ihren Widerschein im Leben und in der Kunst gesucht. Die Bibel ist mir ein Widerhall der Natur, und ich habe danach gestrebt, dieses Geheimnis weiterzugeben“, schrieb der Künstler im hohen Alter. „Was mich angeht, so ist die Vollkommenheit in der Kunst wie auch im Leben aus jener biblischen Quelle entsprungen.“

Fühlen, was im Gebet geschieht
Charakteristisch für Chagalls Zyklus ist zunächst die kraftvolle, kontrastreiche Farbgebung. Sie orientiert sich einerseits etwa an den realen Verhältnissen von Klima und Licht. Andererseits beinhaltet sie eine in der Regel anschauliche Symbolik. Im Schwarz und Dunkel des Titelblatts beispielsweise greift Chagall das Sklavendasein der Israeliten, aber auch ihre entbehrungsreiche Wüstenwanderung „durch finstere Nacht“ auf. In anderen Blättern stehen gelbbraune Farbtöne für den Sand, die Dürre, die Gluthitze der Wüste. Zugleich für die „harte Lebenswirklichkeit“ des Auszugs und des Sklavendaseins, die sich in Rottönen zur „blutigen Unterdrückung“ steigert.
Symbolik bestimmt auch die Figuren und Formen. So hat Chagall in dem Blatt „Mose empfängt die Tafeln des Bundes“ den Protagonisten bei der Begegnung mit Gott schwebend dargestellt. „Dieses Schweben“, interpretiert der Autor Klaus Mayer, „lässt fühlen, was im Gebet geschieht. Der Mensch verliert an Erdenschwere, wird im Gebet über sich hinauf gehoben, schwebt gleichsam Gott entgegen.“ Gott selbst wird vom Künstler als Lichtstrahl, als in Goldgelb getauchte Wolke ins Bild gerückt. Chagalls phantastisch-expressive, oft naiv erscheinende Malerei ist zwar am Gegenständlichen und Figürlichen orientiert. Doch sie ist nicht realistisch, sondern „übernatürlich“. Es geht Chagall um das Mystische, das Hintergründige. In seinen lyrischen „Exodus“-Interpretationen sucht er wie in seiner Kunst generell die „andere Wirklichkeit“, Gottes Verheißungen, darzustellen.

Führungen für Schulklassen und Kindergartengruppen
Geöffnet ist die Ausstellung in der Jesus-Christus-Kirche in Köln-Esch, Martin-Luther-Straße 6a, bis zum 5. März. Am Dienstag, 1. März (15  Uhr), bietet Klaus Termath eine Führung für Jugendliche an, am Mittwoch, 2. März (15 Uhr), eine Führung für Seniorinnen und Senioren. Am 5. März (15 Uhr) beschließen eine Führung mit Eva Degenhardt, die bereits zur Eröffnung über Leben und Werk Chagalls sprach, und das Ökumenische Kirchencafé das Programm. Anmeldungen von Führungen, auch für Schulklassen und Kindergartengruppen, nimmt Pfarrer Klaus Termath unter Telefon 0221-5901391 entgegen.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich