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Fachtagung über die Erwachsenbildung in der Einwanderungsgesellschaft

Auf einem Fachtag in der Melanchthon-Akademie Köln (MAK) überlegten Mitarbeitende in der Erwachsenenbildung, welche Auswirkungen die Einwanderungsgesellschaft Deutschland auf ihre Angebote haben wird. Eines war den Verantwortlichen von vornherein klar: „Wir müssen der neuen Realität mit einer veränderten Haltung begegnen.“

Idee zum Fachtag kam aus MAK-Kollegium
Aus Kollegiumsrunden ging die Idee für den ersten Fachtag zum Thema „Erwachsenenbildung in der Einwanderungsgesellschaft“ hervor. Der Studienleiter Dr. Martin Horstmann vom MAK-Fachbereich „Qualifiziert engagiert“ übernahm gemeinsam mit Gerrit Heetderks, dem Leiter und Geschäftsführer des Evangelischen Erwachsenenbildungswerks (eeb) Nordrhein, die Organisation. Nach der „open space“-Methode fanden sich die 25 Teilnehmenden in Gruppen ohne Referierende zusammen.

Sozial- und Kulturwissenschaftlerin gab Impulse
Den Impulsvortrag zur Rolle der Erwachsenenbildung in einer Migrationsgesellschaft hielt die Professorin an der Fachhochschule Düsseldorf, Dr. Veronika Fischer. „Vielfalt gestalten, Teilhabe verbessern“, lautete die Kernaussage der Hochschullehrerin. Doch warnte die Professorin vor „Zielgruppenkonstruktionen“. Männern und Frauen müsse unabhängig von ihrer Herkunft aus unterschiedlichen Kulturen und Bildungsschichten individuell Rechnung getragen werden.
Diese Haltung deckt sich mit den Zielen der evangelischen Bildungseinrichtungen. „Es ist unser Auftrag, hier die Menschenfreundlichkeit Gottes nahe zu bringen, sie Schutz erfahren und Gemeinschaft erleben zu lassen sowie ihnen Anregungen zu geben, über ihr Leben und das anderer nachzudenken“, erklärte eeb-Leiter Heetderks.

Veränderung braucht Austausch
Statt dass Referenten die Workshops leiteten, brachten die Teilnehmenden ihre Ideen zu künftigen Maßnahmen in Stichworten wie „Diversity/Vielfalt“, „Erreichbarkeit“, „Quartiersarbeit“ oder „Empowerment (Strategien zur Erhöhung der Selbstverantwortung und Selbstbestimmung)“ ein. Beim abschließenden Austausch drückten sie ihre Wertschätzung für den Fachtag aus. „Ich habe heute gemerkt, dass mir bisher ein Gespräch wie dieses mit Kolleginnen und Kollegen gefehlt hat“, sagte ein Teilnehmer. „Dieser Fachtag hat mich darin bestärkt, Irritationen zuzulassen, ohne sie sofort auflösen zu müssen“, meinte der stellvertretende Leiter der gastgebenden Melanchthon-Akademie, Joachim Ziefle.

Neue Wege gehen
„Wie müssen, wollen und können wir unsere Bildungsangebote gestalten, um Einwanderer und Flüchtlinge dafür zu gewinnen?“, ist eine der Grundsatzfragen. „Es wird nicht mehr reichen, unser Programm auszuschreiben und nach dem überkommenen Konzept zu denken 'Wir wissen, was für Euch gut ist'“, fasste Gerrit Heetderks erste Ergebnisse zusammen. Bei benachteiligten sozialen Gruppen wie alleinerziehenden Müttern oder Menschen, die bisher geringe Bildungschancen hatten, habe man bereits die Erfahrung gemacht, dass man wertschätzend auf sie zugehen, sie einladen müsse.

Barrieren überwinden
Einwanderer über ihre Institutionen und Organisationen anzusprechen, erschien den Fachtag-Teilnehmenden als vergleichsweise kleine Hürden gegenüber bürokratischen Vorschriften. Es sei nicht schwer, Menschen nach ihren Bildungsbedürfnissen zu fragen, Angebote auf sie zuzuschneiden und sie einzuladen.
Schwieriger sei dagegen, Ängste und Misstrauen gegenüber Institutionen im neuen Heimat- oder Aufnahmeland zu überwinden. „Wir sind zum Beispiel gezwungen, Unterschriftenlisten für die Dokumentation von Bildungsangeboten zu führen, nicht zuletzt wegen der Zuschüsse. Das allein kann abschrecken, wenn die Menschen nicht durchschauen, was wir damit machen“, weiß Heetderks.
Inwieweit sich die Erweiterung evangelischer Bildungsangebote wahrscheinlich auf deren Gestaltung auswirkt, machten sich die Fachtag-Teilnehmenden ebenfalls bewusst. Damit interkulturelle Öffnung möglich ist, werden Übersetzer gebraucht. Zudem käme man wohl nicht umhin, das kirchliche Arbeitsrecht, wonach nur Mitglieder in leitenden Positionen festangestellt werden dürfen, zu ändern. Vorbild ist das Evangelische Bildungswerk Westfalen und Lippe. Dort wurde eine Muslima im Fachbereich Interreligiöser Dialog eingestellt.

Mosaik mit Goldglanz
„Von diesem Fachtag nehme ich das Bild vom Mosaik, das in der Gesamtheit golden glänzt, mit“, sagte eine Teilnehmerin. „Durch die interkulturelle Öffnung kommt ein Steinchen dazu, wir legen unser Konzept nur anders zusammen“, führte sie aus. „Ich habe die Sehnsucht, Neues zu denken und aus der Haltung, an der Grenze zur Belastbarkeit zu sein, herauszukommen“, bekundete ein Teilnehmer.
Als nächstes wollen sich die evangelischen Bildungsbeauftragten mit den katholischen Kolleginnen und Kollegen über den Umgang mit den Herausforderungen der Einwanderungsgesellschaft austauschen.

Text: Ulrike Weinert
Foto(s): Ulrike Weinert