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Express am Karsamstag 2019: Gemeinsame Kolumne von Stadtsuperintendent Rolf Domning und Stadtdechant Msgr. Robert Kleine

In ökumenischer Verbundenheit haben Stadtsuperintendent Rolf Domning und Stadtdechant Msgr. Robert Kleine zu Ostern eine Kolumne im Express veröffentlicht. Mit freundlicher Genehmigung der Express-Redaktion dürfen wir den Text auch hier veröffentlichen:

Gestern begann in vielen jüdischen Familien das einwöchige Pessach-Fest. Die Familien treffen sich zum Essen und das jüngste Mitglied der Tafelrunde fragt: „Was unterscheidet diese Nacht von allen anderen Nächten?“ Meist antwortet der Vater und erzählt die biblische Geschichte vom Auszug aus Ägypten. Die Israeliten werden in einer nächtlichen Rettungsaktion aus der Sklaverei befreit. Wundersam führt Mose die Israeliten durchs Schilfmeer. Dicht auf den Fersen: die Kampfwagen des ägyptischen Pharaos. Sie versinken im Meer. Die gleiche Geschichte wird heute Nacht in den Osternächten in vielen christlichen Gemeinden die erste biblische Geschichte sein, die gelesen wird.

Auch Jesus sitzt mit seinen Jüngern am Vorabend des Pessach-Festes zusammen. Auch die erinnern sich gemeinsam an den Auszug aus Ägypten, nichtsahnend, dass sich die Ereignisse in wenigen Stunden überschlagen werden: Verhaftung. Verurteilung, Hinrichtung am Kreuz. Noch ist Ostern eine Ewigkeit entfernt.

In diesem Jahr fallen das jüdische Pessach-Fest und das christliche Osterfest zeitlich zusammen. Einmal mehr ist spürbar, wie sehr Juden die älteren Brüder der Christen sind. Übrigens tragen auch die meisten europäischen Sprachen die Erinnerung an das jüdische Pessach- oder Passah-Fest noch in sich: Dänisch: Påske, Türkisch: Paskalya, Französisch: Pâques, Italienisch: Pasqua, Niederländisch: Pasen oder Finnisch: Pääsiäinen.

Doch leider hören wir überall in Europa von neuen Anfeindungen gegenüber Juden. Auch in Köln: Antisemitische Plakate der Rechten im Kölner Norden anlässlich der Europawahl, Anfeindungen gegen den Kölner Rabbiner Yechiel Brukner. Das macht uns fassungslos. Das sind keine Einzelfälle. Viele Kölnerinnen und Kölner jüdischen Glaubens erleben heute in ihrem Alltag ähnliche Anfeindungen. Vor fast 1.700 Jahren sind Juden und Christen gemeinsam in unsere Stadt, die damals noch Colonia Agrippina hieß, eingewandert. Schon im Jahr 321 findet sich die erste urkundliche Erwähnung einer jüdischen Gemeinde in Köln. Damit hat Köln die wahrscheinlich früheste jüdische Gemeinde nördlich der Alpen.

Wenn heute auf den Straßen in Köln, in der KVB, im Sportverein oder in unseren Schulen sich Kölner jüdischen Glaubens mit Kippa oder anderen Glaubenssymbolen sich zu erkennen geben und Anfeindungen erfahren, dann ist es an uns Kölnerinnen und Kölnern, aufzustehen und den Mund aufzumachen. Wir dürfen nicht mehr schweigen, wenn antisemitische Sprüche fallen oder wenn abschätzige Blicke vom Gegenüber kommen.

Und wir können bald mehr über die Geschichte und den jüdischen Glauben in Köln erfahren. Im Herbst wird nach 50 Jahren eines der ältesten noch erhaltenen jüdischen Gebetsbücher, der „Amsterdam Machsor“ im Wallraf-Richartz-Museum zu sehen sein mit Blick auf die Ausgrabungen am Kölner Rathaus und den zukünftigen Standort des jüdischen Museums MiQua. Damit kehrt es an den Ort zurück, an dem er vor über 700 Jahren verlesen wurde, die mittelalterliche Synagoge in Köln, wo zu Beginn des Pessach-Festes die Jüngsten fragten: „Was unterscheidet diese Nacht von allen anderen Nächten?“ Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern ein gesegnetes Pessach, ein gesegnetes Osterfest und/oder einen schönen Sonntag!

Text: Express
Foto(s): Express/APK