„Wir sind das Gedächtnis der Stadt“, betonen die verschiedenen Archive der Stadt Köln. Und in der Tat: In ihren Lagern und Magazinen, in Regalen und Aktenordnern sind zahllose Spuren der Kölner Stadtgeschichte aufbewahrt. Ein Teil davon ist beim bundesweiten „Tag der Archive“ am Samstag, 6. März, von 11 bis 17 Uhr im Straßenbahnmuseum in Thielenbruch, Otto-Kayser-Straße 2c, zu besichtigen. Der Arbeitskreis Kölner Archivarinnen und Archivare (AKA) organisiert die Ausstellung, 33 der 40 im AKA vertretenen Archive beteiligen sich daran. Und mit dabei ist auch das Archiv des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. Ein kleines Highlight ist eine Straßenbahn, die anlässlich des „Tags der Archive“ durch Köln fährt, auf der unter anderem die evangelische Trinitatiskirche abgebildet ist.
Mehr Anfragen seit dem Archiv-Einsturz
Es ist bereits der fünfte „Tag der Archive“, doch in diesem Jahr ist er ein besonderer. „Der Einsturz des Historischen Stadtarchivs vor einem Jahr hat vielen Menschen die Augen geöffnet für das Archivwesen und seine Bedeutung“, sagt Christian Parow-Souchon, Archivar des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. Auch evangelische Dokumente wurden damals verschüttet. So wurde etwa die einzige erhaltene Handschrift des protestantischen Reformators Adolf Clarenbach aus dem Jahr 1528 in den Reichskammergerichtsakten im Stadtarchiv aufbewahrt. „Das Schriftstück ist seitdem verschollen“, so Parow-Souchon. Ein Verlust? Nur teilweise, denn der Text ist bekannt und wurde vielfach abgedruckt. „Nur die Authentizität fehlt“, erklärt der Archivar. Ähnlich verhält es sich mit vielen anderen Textstücken aus dem Archiv: Ihr Inhalt ist bekannt, oder kann durch den Zugriff auf die anderen Kölner Archive ermittelt werden. Die Auswirkungen hat auch Parow-Souchon bereits zu spüren bekommen: Rund 800 Anfragen gab es in den vergangenen Monaten, 20 bis 25 Prozent mehr als vor dem Archiv-Einsturz.
Älteste Dokumente stammen aus der Reformationszeit
Seit 1990 arbeitet Parow-Souchon als Archivar für den Kirchenverband. In neun verschiedenen Kellern und Abstellräumen lagern etwa 60.000 Archivalien in insgesamt zwei Kilometern Regale. Zum Bestand gehört das Archiv des Verbandes, die Archive der Evangelischen Kirchenkreise Köln-Nord, Köln-Mitte und Köln-Süd seit ihrer Gründung 1964 sowie die Archive der Evangelischen Kirchengemeinden Köln-Rondorf und Frechen und der Evangelischen Gemeinde Köln. Bei den letzten beiden reichen die Bestände bis in die Reformationszeit zurück. Und der Nachschub fließt kontinuierlich. „Nach zwei bis drei Jahren kommen die Akten aus der Verwaltung zu uns ins Archiv“, erzählt der 56-Jährige. Gehaltsabrechnungen, Personalakten, Korrespondenzen und ähnliches machen einen Großteil des Aktenbestandes aus. Und die Informationen fließen in ähnlichem Umfang wieder zurück: mehr als die Hälfte der Anfragen komme aus dem eigenen Haus, so der Archivar. Vor allem bei Rentenermittlungen sind die Informationen aus den Personalakten gefragt.
Anfragen von Studenten, Ahnenforschern und Erbenermittlern
Darüber hinaus sind es vielfach Anfragen aus dem akademischen Bereich, die Parow-Souchon beschäftigen: Informationen für Diplom-, Magister- und Doktorarbeiten werden regelmäßig abgefragt, aber auch für Vorträge und Chroniken. So ist die aktuelle Festschrift zum 150-jährigen Bestehen der evangelischen Trinitatiskirche bestückt mit zahlreichen Fotos aus dem Archiv des Kirchenverbandes. Weitere Anfragen kommen von Ahnenforschern oder Erbenermittlern, die sich für die alten Kirchenbücher interessieren, um bestimmte Personen und ihre Verwandten zu ermitteln.
2,5 Tonnen Papierabfall jährlich
Ein Großteil der gesammelten Archivalien ist frei zugänglich, für viele, vor allem mit persönlichen Daten, gilt die gesetzliche Sperrfrist von 30 Jahren. Neben dem Beantworten von Anfragen sind Parow-Souchon und seine Mitarbeiterin Irene Klein vor allem mit der Pflege des Bestands beschäftigt. Rund zwei Drittel sind noch nicht in Verzeichnissen erfasst, und bei den alten Exemplaren ergibt sich auch regelmäßig das Problem, dass sie langsam aber sicher restauriert oder behandelt werden müssen, um nicht zu zerfallen. Und regelmäßig ausgemistet wird auch: „Jedes Jahr schmeißen wir etwa 2,5 Tonnen Papier weg“, berichtet Parow-Souchon. Dabei muss er aber ein Auge darauf haben, ob die anscheinend nutzlosen Unterlagen nicht doch einen historischen Wert haben könnten.
Probleme bei elektronischen Datenträgern
Dem Zauberwort Digitalisierung, das angeblich viele der beschriebenen Probleme lösen soll, reagiert der Archivar zurückhaltend. Stattdessen hält er eine Acht-Zoll-Diskette in die Höhe, die angesichts des heutigen Computerstandards eher Museumscharakter hat. „Unsere ältesten Papierdokumente sind fast 500 Jahre alt. So lange hält keine CD und keine DVD.“ Hinzu kommt die immer schnellere technische Entwicklung. „Word-Dokumente von vor zehn Jahren kann kein heutiges Programm mehr lesen, Disketten-Laufwerke gibt es kaum noch, und wenn eine CD einen Kratzer hat, kann man den gesamten Inhalt vergessen. Ein zerrissenes Blatt Papier dagegen kann man wiederherstellen.“ Alte Magnetplatten, Tonbänder und Filmrollen lagern ebenfalls in den Archivkellern, doch fehlt es bei vielen an den geeigneten Abspielgeräten. „Papier ist geduldig“, macht der Archivar keinen Hehl aus seiner Vorliebe für die gedruckte Form.
Akustik-Gutachten für die Trinitatiskirche
Und die zeigt er nur zu gerne beim „Tag der Archive“. Unter anderem hat er sich einen Plan von 1898 ausgesucht, der zu einem akustischen Gutachten der Trinitatiskirche gehört. „Damit lässt sich erklären, warum die Decke so geworden ist, wie sie ist“, sagt er und deutet auf die verschiedenen Pfeile in der Zeichnung, die unterschiedliche Schallwellen darstellen. Und auch die übrigen Exponate im Straßenbahnmuseum können die Bedeutung des Archivs als „evangelisches Gedächtnis“ untermauern.
Foto(s): Jörg Fleischer