Die Evangelischen in Köln-Klettenberg und -Sülz dürfen sich seit Anfang August über einen Neuen in ihrem Pfarrteam freuen. Zuletzt wurde Eckhart Altemüller in der Johanneskirche in sein Amt eingeführt. Ja, neu ist er in Köln, neu in seinem Dienst. In der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Klettenberg übernimmt der gebürtige Braunschweiger, Jahrgang 1960, die Pfarrbezirke 2 und 3. Aber unerfahren ist der in Berlin, Göttingen, Genf und Wuppertal Ausgebildete wahrlich nicht.
„Heute ist für uns ein besonderer Gottesdienst“, begrüßte Susanne Beuth als Sülz-Klettenberger Pfarrerin nicht nur die Gemeindeglieder. Sie hieß auch die Wegbegleitenden Altemüllers herzlich willkommen, beispielsweise die, die ihn in seiner letzten Pfarrstelle in der Evangelischen Kirchengemeinde Vorgebirge unterstützt hatten. Eine Einführung gehe nicht nur die eigene Gemeinde an, erläuterte Beuth, amtierende Superintendentin des Kirchenkreises Köln-Mitte. Daher sei auch Pfarrerin Miriam Haseleu vor Ort. Als Synodalassessorin, also stellvertretende Superintendentin, leitete sie den „sehr offiziellen“ Akt der Einführung.
Pfarrer als Musiker
Die musikalische Gestaltung lag nicht allein in den Händen der Organistin Eva-Maria Förster. Mit Instrumentalstücken verschiedener Genres glänzten ebenso Eckart Wüster (Klavier), ehemaliger Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Bonn, und Reinhold Müller (Geige) – als Solisten oder im Duett. In einem Trio mit Eckhart Altemüller gab es eine sehr schöne Überraschung. Ja, der Pfarrer demonstrierte noch vor seinem Einsatz als Prediger beeindruckend, dass er nicht nur mit Worten umgehen versteht. In einem Interview 2023 erklärte er seine Nähe zur Musik: „Ich habe Cello und Flöte gelernt. Im Protestantismus spielt die Musik eine wichtige Rolle. In Martin Luthers Lied ‘Vom Himmel hoch, da komm‘ ich her’ heißt es: ‘Der guten Mär bring ich so viel, davon ich singen und sagen will.’ Es wird also erst gesungen und dann gesprochen.“
An diesem Vormittag wurde auch in der Johanneskirche gesungen und gesprochen, gelobt und gesegnet. Zudem führten Haseleu und Altemüller über die bis heute unverändert gültige Bedeutsamkeit des Singens, des Lobens und des Segnens im Alten wie Neuen Testament aus. Dabei gingen sie auch auf die Bedeutungsvielfalt hebräischer Wörter in der deutschen Übersetzung ein.
Roter Faden in Altemüllers Leben und Wirken
Loben, singen und segnen – das sei das Zentrum des Tempelgottesdienstes gewesen. Und das sei der rote Faden, der sich durch die Psalmen ziehe, stellte Haseleu in ihrer Vorrede zur Einführung Altemüllers fest. Darin bezog sie sich immer wieder auf die Biografie, auf Aussagen des Pfarrers und wandte sich ihm zu. „Und auch für dich ist das ein roter Faden. In deinem Leben, in deinem Glauben und Arbeiten. Wie passend ist dazu heute der Wochenspruch aus Psalm 103: ‘Lobe JHWH, lobe Gott meine Seele und vergiss nicht, was Gott dir Gutes getan hat’ – oder wörtlich: ‘Segne JHWH, segne Gott meine Seele.’“
Segnen sei keine Einbahnstraße, so Haseleu. „Es ist gegenseitig. Und es ist für mich auch immer wieder überraschend: Gott segnet Menschen, und Menschen segnen Gott. Segnen und loben, da ist etwas im Fluss zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und mir und dir; segnen, loben, singen, das gehört zusammen und geht ineinander über.“
Gott segnet Menschen, Menschen segnen Gott
Als Gotteslob verstehe Altemüller seine Arbeit. Einmal habe sein Sohn ihn gefragt: „Warum gibt es Menschen?“ Der Vater habe die Antwort bereits parat gehabt und sei trotzdem weiter in sie hineingewachsen: „Um Gott zu loben und zu preisen.“ Gott segne Menschen, und Menschen segnen Gott. Sie geben Gottes Wirklichkeit Raum in dieser Welt hier zwischen uns, durch ihr Leben mit Gott an der Seite. Nach Psalm 22 throne Gott auf den Lobgesängen Israels. Lobgesänge stärkten diesen Raum, in dem Gott und Gottes Segen erfahrbar würden.
Loben ist laut Haseleu ein weiter Begriff. „Alles, was Leben ist und dem Leben dient, alles, was lebensfreundlich ist, das ist Gottes Lob. Auch das hast du gesagt. Und die Psalmen geben dir recht.“ Auf Hebräisch heiße der Psalter als Ganzes die Tehillim – Lobgesänge. Haseleu findet das eigentlich erstaunlich, angesichts der auch in den Psalmen ausgedrückten tiefen Klage, der Not, der Bitten und der Tränen. „Das ganze menschliche Leben kommt in ihnen zur Sprache, wird geteilt, Gott entgegengerufen, gesungen oder gar geschrien.“ Darin, darunter, klinge eine Grundmelodie – das Lob der Freundlichkeit und der Treue Gottes, die alles Schwere und auch die Fülle des Lebens trage.
Pfarrer in mehreren Landeskirchen und an unterschiedlichen Orten
„Auch dein ganzes Leben, lieber Eckhart, klingt auf dieser Grundmelodie des Gotteslobes“, sagte die Synodalassessorin. „Deine Kindheit in Braunschweig, deine Tätigkeit als Pfarrer in mehreren Landeskirchen und an unterschiedlichen Orten, in den Hochalpen und an der Ostsee, im französischen Lille und an der mecklenburgischen Seenplatte. Seit 2019 bist du mit deiner Frau im Rheinland, nun frisch in Köln.“
Im gesungenen Gotteslob gehe der Mensch über sich hinaus, stellte Haseleu fest. Es entstehe Beziehung und Gemeinschaft mit Gott und mit den anderen. Wer Gott lobe, beginne damit, die eigenen Grenzen zu weiten und auch zu überschreiten. „Wer Gott segnet, betritt den weiten Raum“, betonte sie. „In diesem Raum beginnt heute für dich etwas Neues: Die Einführung in die Pfarrstelle hier in Klettenberg“, blickte sie zuversichtlich auf das Wirken ihres Kollegen: „Die vielen Menschen in der Gemeinde und darüber hinaus im Kirchenkreis im Rahmen des Projektes ‘Regio-lokal in Köln-Mitte’ wirst du bereichern mit deinem Gotteslob in Feiern und im Arbeiten, im Klagen und Trauern, im Sprechen, Hören und Singen.“ Er werde Segen weitergeben und erfahren.
Hinaus träumen in die große weite Welt
„Was für ein schöner Regenbogen, der da musikalisch ausgespannt wurde“, bezog sich Altemüller am Beginn seiner Predigt auf die gerade verklungene Melodie des Liedes „Over the Rainbow“ – Jenseits des Regenbogens. Die beiden Urheber (Harold Arlen, Edgar ‘Yip’ Harburg), aus europäischen in die USA eingewanderten Familien stammend, ließen in dem Lied ein Mädchen sich heraus träumen aus einer Welt mit Schwierigkeiten und Ärger. „Hinaus träumen in die große weite Welt, die Idee entwickeln, dass es oberhalb der Wolken sogar kleine blaue Vögel gibt.“ Dieses Lied greife ein bisschen die biblische Psalmentradition auf, wies der Prediger auf Psalm 139 hin: „… wenn ich auch ginge ans äußerste Meer, so wärest du da.“
Und so hätten sich Menschen immer wieder Mut zugesungen, um sich ermutigen zu lassen, die Räume in ihrer Welt zu vergrößern. „Nicht einfach nur, um aus dem Lied oder den Begrenzungen der Gegenwart auszubrechen oder dem zu entfliehen, sondern um einfach größere Räume aufzumachen, um damit Zeuginnen und Zeugen für das zu werden, was in der Bibel mit Freiheit aus der Sklaverei beschrieben wird.“
Erben Gottes und Miterben Christi
Wozu gibt es Menschen? Diese Frage erweiterte Altemüller mit einer im für diesen Sonntag vorgegebenen Predigttext aus dem Römerbrief formulierten Problemstellung. Der Apostel Paulus frage: „Wer gehört dazu, wer gehört nicht dazu?“ Und vom Regenbogenlied her wird laut Altemüller eine erste Antwort versucht. „Wir gehören dahin, wo wir unseren Träumen die Entschlossenheit beifügen, neue Räume zu beschreiten.“ Im 8. Kapitel, Vers 14-17, gehe es um die Themen Gottes Kindschaft, um die Erinnerung an Knechtschaft, um Erben Gottes und Miterben Christi. „Es geht noch einmal darum, zu erinnern, dass Gott wie ein Vater, wie eine Mutter zu uns in einer unlöslichen Beziehung steht und dass wir in alledem Miterben sind.“
Diese Erbschaft werde durch den Heiligen Geist entwickelt. Wir seien in eine Familie hineingekommen, in der es schon Erfahrungen mit Gotteskindschaft, mit Freiheit, mit Treue und mit der Entschlossenheit, neue Räume aufzustoßen, gebe. „Wir sind also nicht die ersten, die von neuen Strukturen träumen, von Reformen. Wir sind nicht die ersten, die Freiheit erfahren oder eine Ahnung davon bekommen, aber wir gehören auch zu diesen dazu“, führte Altemüller aus.
Lasst uns alle mit Israel und den Völkern Gott loben
Und Paulus greife da ganz tief in eine Erfahrung des Judentums hinein. Im Grunde zitiere er das Alte Testament, wo es immer wieder heiße: „dass Israel Gottes Kind ist“. Seine Antwort laute: „Lasst uns alle mit den Völkern Gott loben und lasst uns alle mit Israel und den Völkern Gott loben.“ Was wir als Lobpreis in unsere Sprache übersetzen, werde im hebräischen Text als segnen, manchmal auch singen, verstanden. Altemüller startete einen kleinen Exkurs über hebräische Worte und deren deutsche Übersetzung.
Das B im hebräischen Wort barach für preisen, segnen werde Bet genannt. „Bet heißt in der hebräischen Sprache Haus. Bet ist ein Haus, das viele Bedeutungen in der jüdischen Tradition hat, aber auch in der christlichen Tradition als ein Gotteshaus gilt.“ Ebenso in den biblischen Texten, die uns ermutigen, den Regenbogen einmal ganz weit auszuspannen. „Uns in ein großes Haus hineinzuträumen, wo es auch diese blauen Vögel gibt.“
An dem großen Bet hänge noch etwas ganz Wichtiges, so Altemüller, nämlich der Segen. Unsere Redewendung Hals- und Beinbruch, genauer der Wortteil Bruch, komme von Broche, von Segen. Jiddisch Sprechende hätten sich „hazloche un broche“ gewünscht, Erfolg und Segen. Aber deutschsprachige Menschen hätten nicht richtig hingehört und daraus Hals- und Beinbruch gemacht.
Benedictus – eine Sache gut sagen
„Dieser jüdische Bruch ist eben alles andere als ein Bruch, sondern er ist ein Segen. Und dieser Segen möchte weitergetragen werden.“ Wie lobe und preise man Gott, fragte der Prediger. Trage man Segen einfach so weiter? „Was heißt denn segnen?“, fragte er abermals und antwortete: „Benedictus – gut sagen, eine Sache gut sagen. Gutes sagen zum anderen, zu Gott. Vielleicht auch einfach sagen: Hier ist Gutes jetzt vor Ort, lasst uns damit Gutes machen. Lasst es uns zum Guten wenden.“ Schließlich lud Altemüller ein: „Lasst uns träumen, lasst uns unsere Träume miteinander teilen.“ Zugleich erinnerte er, dass wir alle berufen sind, Gott zu segnen, uns Gutes zu sagen und einander zu segnen. Und so könnten wir, trotz mitunter auftretender Schwere, „ein großes Haus der Träume immer wieder neu erschaffen“.
Abschließend erzählten Pfarrer Ivo Masanek und Presbyterin Sophie Schäfer eine „Es war einmal“-Geschichte und hießen mit ihr Eckhart Altemüller und Gattin Bénédicte nochmals herzlich willkommen. Kurz zusammengefasst lautet sie: Es war einmal ein Pfarrer mit seiner Frau, die von woanders kommend sich in der schönsten Stadt des Universums niederließen.
Foto(s): Engelbert Broich