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Evangelische Kirchen und andere starten die Aktion „Autofasten“

„Auf das Auto zu verzichten ist natürlich nicht nur eine Frage der Fastenzeit“, betont Rolf Domning, Stadtsuperintendent des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. Als aktiver Radfahrer nutzt er das klimafreundliche Zweirad das ganze Jahr hindurch. Privat wie dienstlich. „Innerhalb der Stadt bewege ich mich gewohnheitsmäßig mit dem Rad. Ich kann auf den Punkt genau kalkulieren, wann ich wo ankomme“, so Domning zum Auftakt der vierwöchigen Aktion „Autofasten“, die auch im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region unterstützt wird.

Evangelische und Katholische Kirchen laden ein


Zur Aktion „Autofasten“ laden in der Fastenzeit die Evangelischen Kirchen im Rheinland, in Hessen-Nassau und in der Pfalz ein. Ebenso die Bistümer Mainz, Speyer und Trier, der Diözesanrat der Katholiken im Bistum Aachen sowie der Rat christlicher Kirchen im Großherzogtum Luxemburg. Unterstützung erfährt „Autofasten“ unter anderem durch das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, die Landeszentrale für Umweltaufklärung Rheinland Pfalz, das Ministerium für Umwelt, Energie und Verkehr des Saarlandes, die Ministerien für Verkehr und Umwelt des Großherzogtums Luxemburg sowie Verkehrsverbünde, Verkehrsunternehmen, Fahrradverleiher, Car-Sharing-Unternehmen, dem Bund Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), dem NABU, dem Mouvement écologique, Greenpeace Luxembourg, dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC), VELO mobil und dem Verkehrsclub Deutschland (VCD).


Aufruf, das Auto stehen zu lassen


Die beteiligten Kirchen rufen dazu auf, in der Fastenzeit den Pkw möglichst oft gegen Fahrrad, Bus oder Bahn „zu tauschen“, respektive Sprit sparend zu fahren oder auf Elektromobile umzusteigen. Es gehe darum, „einfach mal einen anderen Weg“ zu versuchen – den eigenen Lebensstil umweltbewusster zu gestalten. „Wir Menschen sind dabei, unsere Erde zu einem riesigen Treibhaus zu machen. Mit den bekannten katastrophalen Konsequenzen für die ganze Schöpfung. Gott sei dank sind viele dabei aufzuwachen, haben gemerkt, dass es nicht weitergehen kann mit immer mehr Konsum, immer mehr Verbrauch, immer mehr…“, ist auf der Seite www.autofasten.de zu lesen.


Kleine Fahrrad-Schau


In Köln gab es zum Auftakt eine „Fahrzeug-Schau“ im Innenhof des Hauses der Evangelischen Kirche. Dabei präsentierten freie und hauptamtliche Mitarbeitende des Kirchenverbandes und unterstützende Experten „vom Markt“ unterschiedliche Radtypen, mit denen sie unterwegs sind – vom „normalen“ Zweirad über ein Sesselrad, Elektro-Räder bis hin zu einem Twike, einem Elektromobil mit Fahrradpedalen und einer Kabine für zwei Personen – Beispiele für umweltschonende Alternativen zu dem große Mengen Kohlendioxid erzeugenden Autoverkehr.


Verantwortung für Umwelt und Leben


Domning bezeichnete die Aktion als wertvoll und theologisch begründbar. Ihr Ansatz sei die Bewahrung der Schöpfung. Sie wecke das Bewusstsein und schärfe die Sensibilität hinsichtlich der Verantwortung für die Umwelt und das Leben. „Im Rahmen des globalen Klimaschutzes ist der Verzicht aufs Kraftfahrzeug nahe liegend“, so der Stadtsuperintendent. Er praktiziere das Radfahren auch dann, wenn er dienstlich zu Veranstaltungen müsse. „Dort schließe ich mein Rad nicht verschämt abseits ab, sondern stehe dazu. Das Fahrrad ist das Fortbewegungsmittel erster Wahl in der Stadt. Das wollen wir durch die Aktion weiter befördern.“


Kirchenverband fördert Verzicht aufs Auto


Der Kirchenverband unterstütze alle Angestellten beim „Autofasten“ auch außerhalb der Fastenzeit, informierte Domning. „Auch für Dienstfahrten mit dem (elektrischen) Fahrrad gibt es eine Fahrtkostenerstattung.“ Zudem gestatte man selbstverständlich das Aufladen von Akkus für Elektro-Fahrräder am Arbeitsplatz. „Wir haben siebzig Mitarbeitende hier im Haus der Evangelischen Kirche“, so Günter A. Menne, Pressesprecher im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region. Geschätzte 25 Prozent von ihnen nutzten ein Fahrrad auf dem Weg ins Büro. Insgesamt verzichteten viele aufs Auto und bedienten sich eines Job-Tickets.


Ethik, Gesundheitsvorsorge und Spaß kommen intelligent zusammen“


„Es geht um ein besseres Klima in der Stadt und im eigenen Kopf: Schon mit dem ersten Tritt in die Pedale schalte ich morgens mental um auf einen anderen Modus“, sagte Menne, der Mitglied im Kuratorium der Fastenaktion „7 Wochen ohne“ der Evangelischen Kirche in Deutschland ist. Für ihn seien nicht allein ökonomische und ökologische Gründe beim Pendeln aus dem bergischen Forsbach nach Köln ausschlaggebend gewesen, vom Kleinwagen möglichst oft auf ein Pedelec (Pedal Electric Cycle/Elektrofahrrad) und im Stadtverkehr auf ein Faltrad umzusteigen. „Ohne Entspannung durch Bewegung und Abstand vom Büro haben Leistung und Kreativität auf Dauer keine Chance“, weiß Menne, der im Kirchenverband und freiberuflich auch als Coach tätig ist. „Von daher gilt, insbesondere für stressgeplagte Stau-Pendler: Radfahren ist Burnout-Prävention pur“ – es setze neue Kräfte frei für neue Ideen. „Hier kommen Ethik, Gesundheitsvorsorge und Spaß intelligent zusammen“, so Menne.


„Statussymbol“ Fahrrad


Jochen Gippert, Jugendreferent im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region, macht sich werktäglich mit seinem Gelenke schonenden Sesselrad aus seinem Wohnort Bergisch Gladbach in die Kölner Südstadt auf. „Es ist bequem, relativ schnell und schont den Rücken.“ Auch bestehe die Option, es mit einem Elektromotor nachzurüsten. Dafür sei es aber noch zu früh, schmunzelt Gippert, „vielleicht in zehn Jahren, wenn ich siebzig bin“. In den Elektrorädern erkennt Gippert „neue Statussymbole für Männer – wir brauchen so ein bisschen Hightech“. „Statussymbol Fahrrad, das gefällt auch mir“, kommentierte Rolf Domning, das Fahrrad sei ein zunehmend positiv besetztes Merkmal.


Lebensstil den Ressourcen anpassen


Michael Birgden, Diplom-Theologe, fährt seit einigen Tagen ein „Twike“ – ein innovatives elektrisches „Auto-Fahrrad“. Von dem nicht ganz preiswerten Gefährt sind bis heute knapp eintausend Exemplare gefertigt worden. Sein „Radauto mit drei Rädern“ nutze er aus „ganz stark ethischen Gründen“. Als Pendler von Hürth ins Kölner Büro habe er schon immer überlegt, aufs Rad umzusteigen, das neue Gefährt biete nun überdies Wetterschutz und Platz für einen Beifahrer. Mitentscheidend sei das Ergebnis eines Tests im Internet gewesen. Dieser kläre die Teilnehmenden über die persönlich benötigte Anzahl ‚von Erden‘ auf, die sie auf der Grundlage ihres eigenen Lebensstils benötigten. „Bei mir waren es zweieinhalb Erden“, musste er verwundert zur Kenntnis nehmen. Mit dem „Twike“ befinde er sich nun auf der in vielen Belangen positiven Seite. Und Birgden ist zuversichtlich, dass sich die Anschaffungskosten in Höhe von rund 20.000 Euro schon in ein paar Jahren amortisiert haben werden.


Klimaschutz, Gesundheitsförderung, Kostenreduzierung


„Wir begrüßen dieses Aktion sehr“, freute sich Sven Bersch. Der Vorsitzender des ADFC Köln und Mitglied im Fahrradnetzwerk Köln e.V. betonte: „Im Rahmen des Klima- und Umweltschutzes sind 65 Prozent der Einsparungen nur durch die Nutzung des Fahrrades möglich.“ Ebenso wenig seien die Faktoren Gesundheit und Kosten zu vernachlässigen. Laut einer in Skandinavien erstellten Studie führe der Umstieg vom Auto aufs Rad zu einer Ersparnis der Krankenkosten von pro Kopf durchschnittlich 1200 Euro jährlich. Bersch nannte einen weiteren Trumpf: Im urbanen Verkehr sei das Rad unschlagbar. Auf Kurzstrecken von fünf bis sechs Kilometern in der Stadt komme man mit dem Rad schneller als mit jedem anderen Verkehrsmittel ans Ziel. „´Autofasten´ fällt mir schwer, weil ich eh fast ohne auskomme. Ich fahre Rad aus ökologischen Gründen wie aus Freude an der Bewegung und praktiziere, wenn es nicht anders geht, car-sharing“, sagte Peter Dedenbach, Betreiber von „Stadtrad Köln“. Der Stadtverkehr müsse sich grundlegend verändern, hofft der Fahrrad- und Pedelec-Experte auf einen baldigen „Systemwechsel“. Staunenswert ist seine Information über die Kosten für den Betrieb eines Elektrorades. „Die sind extrem günstig“, weiß der verkehrspolitische Köln-Aktivist. „Eine Fahrt mit dem Pedelec einmal um die Erde käme auf den Preis einer einzigen Tankfüllung Diesel, gerechnet auf das Volumen von siebzig Litern für einen Mittelklassewagen.“



Günter A. Menne im Interview bei StudioECK (mp3; 3,5 MB)

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich