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Evangelische Kirche ganz im Zeichen von Inklusion

„Da kann ja jede(r) kommen“ behauptet eine neue Orientierungshilfe der Evangelischen Kirche im Rheinland, die heute auf der Landessynode vorgestellt wurde.

Provokantes Versprechen
„Aus der Sprache der Abgrenzung ist ein provokantes Versprechen geworden“, betont Oberkirchenrat Klaus Eberl im Vorwort der Orientierungshilfe, „denn eine Kirche, die die Menschenfreundlichkeit Gottes lebt und erlebbar macht, stellt Grenzen in Frage und bereitet den Boden für die fröhliche Freiheit aller (Christen)menschen – in Verschiedenheit und Gemeinschaft.“ Wie die Gesellschaft befinde sich auch die Kirche auf einem langen Weg von der Exklusion über Separation und Integration hin zur Inklusion, erklärt Eberl und stellt fest: „In der Inklusions-Debatte geht es um’s Ganze“. Um das „Kirche-Sein der Kirche“ und um die Fragen „Begegnen wir uns gleichberechtigt?“ und „Ist jeder und jede willkommen?“

Bedenken und weiterentwickeln
Herausgegeber der knapp 50-seitigen Orientierungshilfe sind die „Abteilung Bildung“ im Landeskirchenamt und das Pädagogisch-Theologische Institut der Evangelischen Kirche im Rheinland. Das Heft versteht sich vor allem als Arbeitsbuch, als ein Arbeitsinstrument, welches das Thema „Inklusion“ aus verschiedenen Blickwinkeln her beleuchten will. Menschen aus ganz unterschiedlichen kirchlichen Arbeitsfeldern sollen die Handreichung „persönlich und gemeinschaftlich bedenken und weiterentwickeln“. Dem dient vor allem der Mittelteil: „Inklusion entwickeln – Mit den Fragen arbeiten“.

Von sich selbst ausgehen
Der praxisorientierte Mittelteil richtet sich vorrangig an Kirchengemeinden. Die Autoren betonen „die große Chance, das Leitthema Inklusion sozialräumlich durchzubuchstabieren“ sowie die Möglichkeit, die Orientierungshilfe „als Übungsfeld für andere kirchliche Orte und weiter reichende gesellschaftliche Veränderungsprozesse fruchtbar werden“ zu lassen. Dazu gibt es eine Reihe von Fragen, die aus unterschiedlichen Perspektiven das Thema „Inklusion“ berühren, aufgebröselt in 21 Themenfelder. Eins davon: „Von sich selbst ausgehen“. Beispiele: Wann haben Sie sich einmal ausgeschlossen gefühlt? Wann ist Ihnen das letzte Mal aufgefallen, dass jemand ausgegrenzt wurde? Wo haben Sie erlebt, anerkannt und wertgeschätzt zu werden? Was hat dazu beigetragen?

Die Kunst des Zusammenlebens
Es folgt ein Kapitel mit methodischen Vorschlägen, das zu einem „inklusiven, partizipativen Umgang mit den Fragen anregen will“. Dieser Arbeitsteil ist vor allem durch zwei Blöcke gekennzeichnet: Den Anfang macht eine Einführung in die Inklusion als „Kunst des Zusammenlebens von sehr verschiedenen Menschen“. Hier wird das Thema – ausgehend von der UN-Behindertenrechtskonvention – entfaltet mit dem Versuch, möglichst allgemeinverständlich zu sein. Im Schlussteil gibt es noch eine theologische Spurensuche. Dieser Teil geht den inklusiven Teilen von Bibel und Theologie nach und untersucht, welche Traditionen dazu beigetragen haben, den Begriff der Inklusion als einen Leitbegriff in kirchlichen Kontexten wiederzufinden.

Ureigene Kompetenz der Kirche
Zunehmend erkenne die Kirche in der aktuellen Diskussion ihre ureigene Kompetenz, beschreibt Oberkirchenrat Klaus Eberl die Auseinandersetzung mit dem Begriff und der Lebenswirklichkeit von „Inklusion“. So drücke Behinderung theologisch betrachtet nichts anderes aus als die Normalität eines begrenzten und verletzlichen Lebens. Als zentrale Bezugspunkte nennt er die Gottesebenbildlichkeit (Gen 1,26f), das paulinische Motiv vom Leib Christi (1. Kor 12,26) und die Rechtfertigungsbotschaft.

Parteilich für Menschen mit Behinderungen
Eberl resümiert: „Die Kirche steht im Zeichen der Inklusion vor einer doppelten Aufgabe. Einerseits geht es darum, parteilich für Menschen mit Behinderungen, Migranten, Arme, Benachteiligte und andere Ausgegrenzte einzustehen. Andererseits soll Inklusion in den eigenen kirchlichen Strukturen auf den Weg gebracht werden.“ Dabei werde zunehmend das „Dasein für andere“ durch das neue Leitmotiv des „Daseins mit ..“‚ abgelöst. Denn Inklusion brauche Augenhöhe in den Veränderungsprozessen. Es gelte auch in der Kirche der alte Slogan der Behindertenrechtsbewegung: „Nichts über uns ohne uns. Denn: Da kann ja jeder kommen …“.

Ein Interview mit Oberkirchenrat Klaus Eberl, Leiter der Abteilung „Bildung“, hat die Evangelische Kirche im Rheinland geführt. Sie können es hier nachlesen.

Die neue Orientierungshilfe kann auf der Internetseite des Pädagogisch-Theologischen Instituts Bonn (PTI) heruntergeladen werden.

„Inklusion ist vor allem eine Herzensangelegenheit“, sagte Pfarrer Rainer Schmidt, Dozent am Pädagogisch-Theologischen Institut (PTI), in einem theologischen Exkurs zum Schwerpunktthema auf der heutigen Synode. Nachzulesen und zu hören hier.

Die Autorinnen und Autoren der Orientierungshilfe:

Sabine Ahrens, Pfarrerin und Dozentin am Pädagogisch-Theologischen Institut der EKiR in Bonn, Arbeitsbereich Integrative Gemeindearbeit.

Wolf Clüver, Pfarrer und Kommunikationswirt, Integrative Gemeindearbeit im Evangelischen Kirchenkreis Gladbach-Neuss.

Ingrid König, Lehrerin und Gemeindepädagogin in der Evangelischen Kirchengemeinde Meckenheim, Schwerpunkt inklusive Gemeindearbeit.

Dorothee Schaper, Pfarrerin und Studienleiterin an der Melanchthon-Akademie des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, Arbeitsbereich christlich-muslimische Begegnung und Inklusion.

Rainer Schmidt, Pfarrer und Dozent am Pädagogisch-Theologischen Institut der EKiR in Bonn, Arbeitsbereich Integrative Gemeindearbeit.

Michaela Schuster, Pfarrerin in der Evangelischen Lukaskirchengemeinde Bonn.

Katrin Wüst, Pfarrerin, Pfarrstelle für Behindertenarbeit im Kirchenkreis An Sieg und Rhein

Text: Angelika Knapic
Foto(s): EKiR