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Evangelische Gemeinde Köln-Bayenthal feiert 100 Jahre Reformationskirche in Köln-Marienburg

Burgartig, trutzig, erscheint die Reformationskirche an der Mehlemer Straße/ Ecke Goethestraße in Köln-Marienburg. „Als ich sie zum ersten Mal betrat“, erinnert Pfarrer Dr. Bernhard Seiger, der hier 1994 als Hilfsprediger begann und 1996 als Pfarrer eingeführt wurde, „habe ich mir vorgestellt, dass sie von ihren Mauern her im Inneren klein und gedrungen wirken müsste. Aber in dem Moment spürte ich die große Weite, sah ich das helle Licht.“ Das von außen Geborgenheit, im Innern aber Ausdehnung vermittelnde Gotteshaus wurde vor hundert Jahren eingeweiht. Den runden „Geburtstag“ feiert die Evangelische Kirchengemeinde Köln-Bayenthal vom 16. bis 26. Juni mit Gottesdiensten, Konzert und anderen Veranstaltungen.

Die Kirche als Heimat
Die Gründung der evangelischen Kirchengemeinde Bayenthal datiert von 1899. Entstanden ist sie aus dem Vikariatsbezirk Bayenthal der Kölner Gemeinde. Bald darauf sollte der stetig steigenden Zahl von evangelischen Christen im Süden der Stadt, die bis dahin wechselnde Räunlichkeiten als Betsaal genutzt hatten, auch eine Kirche und ein Pfarrhaus zur Verfügung stehen. Dafür hatte bereits 1897 der Unternehmer Ernst Leybold unter anderem einen Bauplatz gestiftet. Im Rahmen eines beschränkten Wettbewerbs unter vier Baumeistern entschied sich das Preisgericht 1903 für den Entwurf des renommierten Architekten Otto March. Der Berliner Baurat hatte im selben Jahr die Christuskirche in Dellbrück geplant, die 2005 ebenfalls hundert Jahre besteht. Anfang November 1903 erfolgte die Grundsteinlegung, knapp zwei Jahre später die Einweihung der Kirche und Bezug des Pfarrhauses. Dieser „Gruppenbau“ war, wie in der Ausschreibung gefordert, dem dominierenden „Landhauscharakter der Kolonie Marienburg“ angepasst. „Nun hat der Vogel sein Haus, die Schwalbe ihr Nest gefunden“, griff der erste Gemeindepfarrer Fritz Rathschlag bereits zur Grundsteinlegung den Gedanken des Gotteshauses als Heimat auf. Tatsächlich muss der außen schmucklose Neubau gerade auch den „vielen aus anderen Teilen des Reiches zugezogenen Gemeindemitgliedern“ als eine neue Heimat erschienen sein.

Feste-Burg-Kirche oder Reformationskirche?
Damals trug das Gotteshaus in Marienburg noch nicht den Namen Reformationskirche. Jahrzehnte lang war es als „Bayenthaler Kirche“ bekannt. Erste Überlegungen für eine offizielle Benennung kamen auf, als aus der Bayenthaler Gemeinde die selbständigen Kirchengemeinden Zollstock (1936), Rodenkirchen (1948) und Raderthal (1964) hervorgingen. Die damals von einigen favorisierte Bezeichnung „Marienburger Dömchen“ konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Als 1980 die Feier zum 75-jährigen Bestehen des Gotteshauses anstand, wollte man nicht länger warten. Die Namensgebung sollte sowohl der Orientierung für Auswärtige dienen, als auch „etwas über das Selbstverständnis der Gemeinde aussagen“. Insgesamt trafen 32 Vorschläge ein, darunter „Feste-Burg-Kirche“ und „Pferdmenges-Gedächtnis-Kirche“. Schließlich stimmte das Presbyterium geschlossen für „Reformationskirche“.

Gottesdienst im Esszimmer des Pfarrhauses
Im Zweiten Weltkrieg führten Fliegerbomben zu einer weitgehenden Zerstörung des Gebäudes. Der erste Gottesdienst nach dem Einmarsch der Amerikaner in Köln fand am 25. März 1945 im Esszimmer des Pfarrhauses statt. Später dienten bis 1961 Räume des 1934 eingeweihten und ebenfalls 1943 schwer beschädigten, nach Martin Luther benannten, Gemeindehauses als Notkirche. Der Wiedererrichtung der Reformationskirche von 1958 bis 1961 durch den Trierer Architekten Heinrich Otto Vogel waren auch Überlegungen voraus gegangen, die Ruine abzureißen und komplett neu zu bauen. Glücklicherweise war die Verpflichtung stärker, „an das Werk unserer Väter anknüpfen zu müssen“.

Heimatgefühl lässt sich doch nicht sichern
Gleichwohl erfuhr der Bau zwei wesentliche Änderungen. Die West-Ost-Ausrichtung wurde gedreht, die alte Apsis abgebrochen und im Süden ein rechteckiges Chorhaus neu angebaut. Dessen dreiseitige, Triptychon-artige Fensterfront in Glasbetontechnik stammt von Eugen Keller. Zudem ersetzte man den einst offenen Dachstuhl durch eine hohe Zeltarchitektur. Sollte die erste Kirche der Gemeinde also ein Ort der Geborgenheit, eine Heimat sein, so Seiger, verweise das jüngere Zeltdach darauf, „dass auch ein Kirchengebäude nur eine Heimat auf Zeit ist. Ein Gedanke, der dem protestantischen Lebensgefühl und der Erfahrung vieler Gemeindeglieder entspricht: Ein Heimatgefühl lässt sich nicht sichern. So, wie unser Leben sich wandelt, so muss auch die Kirche unterwegs bleiben. Der heutige Name ´Reformationskirche´ sagt dasselbe.“

Jetzt ist das Bauwerk für die Zukunft gut gerüstet
Im Zuge der Wiederherstellung erhielt auch der Vorplatz ein neues Gesicht. Da die davor verlaufende Straße zurückgebaut wurde, geht er seitdem in den umgebenden Park über. Bereits zwanzig Jahre nach seiner Fertigstellung musste das Chorhaus mit dem Betonglasfenster saniert werden. 1984 schloß sich die Renovierung der Kirchturmfassade an. Die jüngste, im Januar begonnene Instandsetzung der Westfassade wird in diesen Tagen abgeschlossen. „Dann ist das solide Bauwerk für die weitere Zukunft gut gerüstet“, sagt Seiger. „Der Altarraum bietet ausreichend Platz, um im großen Kreis Abendmahl feiern zu können, er bietet Platz für Sänger, ein kleines Ensemble oder auch für Kinderaufführungen“, nennt Seiger einen Vorteil des Kirchenraums. Ein zweiter sei, dass man sich in ihm gut konzentrieren, gut zuhören könne „Das liegt an der klaren Formensprache, am Verzicht auf überflüssige Elemente und Ausstattungsgegenstände.“ Auch deshalb seien hier so viele unterschiedliche Veranstaltungen möglich.

In einer Kette schöner Erfahrungen
„Das Kirchengebäude ist das Gefäß, es besitzt einen dienenden Charakter“, betont Seiger. So müsse Gemeindearbeit auch schauen, was morgen gebraucht werde, was notwendig oder auch unnötig sei, struktureller wie baulicher Art. Wenn man dies zugrunde lege, habe die Reformationskirche sicher eine Zukunft. „Denn sie wird vom künftigen Leben in Bayenthal und Marienburg gedeckt sein“, ist Seiger zuversichtlich. Im Zuge der Vorbereitung der „Jubiläums“-Veranstaltungen hat der Pfarrer „eine große Freude“ empfunden. „Zu spüren, dass das Leben gefüllt ist mit dem, was andere vorher im Glauben, mit guten Gedanken und Werken auf den Weg gebracht haben, ist wunderbar. Wir stehen in einer Kette von schönen Erfahrungen, dadurch wird man auch demütiger.“

Predigt in der Festwoche: Alt-Präses Manfred Kock
Innerhalb der 11-tägigen „Festwoche“ führt am Samstag, 18. Juni, 17 Uhr, die Kunsthistorikerin Dagny Lohff durch die Reformationskirche. Am selben Tag, 15 Uhr, wird im Martin-Luther-Haus (Gemeindehaus) eine Ausstellung mit Bild- und Textdokumenten eröffnet und berichten Zeitzeugen im Gespräch mit Pfarrer Seiger aus der Gemeindegeschichte. Außerdem wird in der Kirche das Tauf- und Abendmahlsgeschirr der Gründerzeit präsentiert. Am Sonntag, 19. Juni, 10.30 Uhr, folgt ein Festgottesdienst. Die Predigt hält Alt-Präses Manfred Kock. Beschlossen wird das Programm am Sonntag, 26. Juni, 10.30 Uhr, mit einem Familiengottesdienst mit dem Kindergarten zum Thema „Unsere Kirche wird 100!“ sowie um 12 Uhr mit einer musikalischen Kostümrevue und Zeitreise durch zehn Jahrzehnte von Kindern und Erwachsenen für Kinder und Erwachsene. Informationen zum Gesamtprogramm erhalten Sie unter www.kirche-bayenthal.de.

Die Festschrift
Die im Auftrag des Presbyteriums von Bernhard Seiger herausgegebene, umfangreiche Festschrift „Reformationskirche der Gemeinde Köln-Bayenthal 1905 bis 2005“ ist für 12,- Euro im Buchhandel, Pfarrbüro oder während der Festveranstaltungen zu erwerben.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich