You are currently viewing Evangelische Christinnen und Christen in Köln bestätigen ihr „Nein“ zur Judenmission

Evangelische Christinnen und Christen in Köln bestätigen ihr „Nein“ zur Judenmission

„Was wir heute machen, ist gar nichts Neues, sondern nur die Bestätigung all der Beschlüsse, die seit 1980 in der Evangelischen Kirche im Rheinland gelten“, begrüßte Stadtsuperintendent Ernst Fey die rund 60 Teilnehmenden am Pfingstgottesdienst in der Trinitatiskirche. „Wir halten diesen Gottesdienst, weil einzelne missionarische Gruppen in Köln auch eine Aktivität gegenüber Juden entfaltet haben“, begründete er das Motto „Gehet hin in alle Welt: lernt mit Israel, lehrt in der Welt – Unser biblisch begründetes Nein zur Judenmission“.

Hinweise aus der Synagogengemeinde
Mit dem Gottesdienst und einem abschließend verlesenen Sendungstext reagierten Protestanten in Köln auf Hinweise aus der Synagogen-Gemeinde Köln. Diese hatte auf aktuelle judenmissionarische Aktivitäten der Freien Evangeliumsgemeinde in Köln-Rath/-Ostheim und der Siebenten-Tags-Adventisten aufmerksam gemacht. Beide christlichen Gruppierungen gehören weder zum Evangelischen Kirchenverband Köln und Region, noch zur Evangelischen Kirche im Rheinland oder zur römisch-katholischen Kirche.

Predigt im Dialog an drei Pulten
Die Liturgie nahm nicht nur das Thema Pfingsten auf, sondern auch das des jüdischen Festes Schawuot. Dieses war von den Juden in aller Welt zwei Tage zuvor in Erinnerung an die göttliche Offenbarung der Tora am Berg Sinai gefeiert worden. Die Predigt wurde in einem Trialog an drei Pulten gehalten. Dabei legten Stadtsuperintendent Ernst Fey, Ökumenepfarrer Dr. Martin Bock und Pfarrer Marten Marquardt, Leiter der Melanchthon-Akademie in Köln, den so genannten Missionsbefehl (Mt 28, 16-20) aus. In drei Hauptteilen erläuterten sie eingehend die biblisch begründete Ablehnung der Judenmission.

Intensive theologische Auseinandersetzung
Zunächst behandelten sie den Weg Israels, den Weg der Christen und deren gemeinsamen Weg zum Berg. Der Berg auf dem Weg der Israeliten sei der Ort, „an dem Gott ihnen die zehn grundlegenden Wegweiser für das weitere Leben aufrichtet, die Zehn Worte – wir nennen sie die ´Zehn Gebote´ – die aller Welt zur Orientierung dienen sollen“. Auf diesen Berg Sinai beziehe sich auch Berg der Beauftragung durch Jesus. Der zweite Teil beleuchtete das Unterwegs-Sein von Israel, der Christen sowie das gemeinsame Unterwegs-Sein von Juden und Christen. Im dritten Hauptabschnitt ging es um Bund und Verheißung für Israel, für die Christenheit und schließlich beider Bund, Verheißung und Auftrag. Der Evangelist Matthäus habe nie das gleiche Wort für die Völker der Erde und für das Volk Israel, das Volk Gottes, benutzt. Ausdrücklich beziehe sich der sogenannte Missionsbefehl auf die Völker der Erde – und nicht auf das Volk Israel. Die Tora Israels solle zu den Völkern gebracht werden. Denn für Matthäus sei völlig klar, „dass es keinen Sinn hätte, dem Volk der Tora, von dem wir ja die Lehre Jesu bekommen haben, nun diese Lehre bringen zu wollen“.

Auch ein „Ja“ zur Mission
Der vorgetragene Sendungstext beinhaltet fünf Punkte. „Ja zur Mission“, lautet der erste: „Wir verstehen und unterstreichen unsere Verpflichtung zur Mission, das heißt zur Lehr- und Lerngemeinschaft mit Menschen in aller Welt, und gegebenenfalls zu ihrer Besiegelung durch Taufe und verbindliche Lebensführung.“ Zweitens heißt es: „Nein zur Judenmission: Wir verstehen und unterstreichen unserer Verpflichtung, jeder Form von organisierter Judenmission grundsätzlich entgegenzutreten und dadurch das besondere Verhältnis Gottes zu seinem Volk Israel anzuerkennen.“

Delegation in zwei jüdische Gemeinden
Unmittelbar nach dem Gottesdienst wurde der Text von einer kleinen Delegation, darunter Fey, Bock und Marquardt, „als Gruß und als Erklärung unserer Haltung zu dem jüngst auch in Köln wieder aufgebrochenen Thema der so genannten Judenmission“ den beiden jüdischen Gemeinden in Köln überbracht.

Erste Station: Synagogen-Gemeinde
Erste Station war die Synagogen-Gemeinde Köln. In der Synagoge in der Roonstraße begrüßten Vorstand Dr. Michael Rado und Rabbiner Netanel Teitelbaum die Gesandschaft. Er freue sich sehr über die öffentliche Thematisierung des Problems, über dessen Behandlung im Pfingstgottesdienst, sagte Rado eingangs des freundschaftlich-entspannten Gesprächs. Er dankte den Delegationsmitgliedern, dass sie an dem hohen christlichen Feiertag den Weg in die jüdische Gemeinde auf sich genommen hätten. Er dankte ihnen für die Initiative und die deutliche Stellungnahme, die von jüdischer Seite außerordentlich begrüßt werde. „Das tut sehr gut“, meinte Rado.

Rabbiner Teitelbaum nahm den Sendungstext mit großem Dank entgegen
Marquardt dankte für die Gastfreundschaft, und erläuterte die Entschließung. Das „Nein“ der evangelischen Landeskirche zur Judenmission sei unumstößlich. Diesen Standpunkt wolle die evangelische Kirche in Köln noch einmal unterstreichen, öffentlich bekannt machen und zugleich einen Hinweis geben für andere evangelisch Gemeinden und Gruppen: „Wir sagen Ja zur Mission als einen elementaren Aspekt des Christentums. Wir sagen ebenso entschieden Nein zur Judenmission. Denn sie ist eine ganz andere Sache. Wir möchten zeigen, dass wir an dieser Stelle eindeutig geworden sind.“ Es sei wohl das erste Mal in der Geschichte, dass eine Delegation aus einem christlichen Gottesdienst direkt in eine Synagoge gehe, verlieh Marquardt dem Treffen ein besonderes Prädikat. Rabbiner Teitelbaum nahm den Sendungstext mit großem Wohlwollen und Dank entgegen. In ihm komme ein tiefes Verständnis für das Judentum zum Ausdruck. Und Verständnis füreinander bilde schlechthin die Grundlage für jedwede Beziehung – ob zwischen einzelnen Menschen oder zwischen Religionen. Bock und Fey bekräftigten abschließend die klare theologische Distanzierung von der Judenmission und damit die evangelische Position.

Zweite Station: Jüdische Liberale Gemeinde


Marten Marquard, Dr. Martin Bock
Marten Marquardt, Dr. Martin Bock und Michael Lawton, Foto © Rafi Rothenberg


Ohne den wegen eines anderen Termins verhinderten Ernst Fey brach die Abordnung zur zweiten Station in den Stadtteil Riehl auf. In den Räumen der Jüdischen Liberalen Gemeinde Köln „Gescher Lamassoret“ (Brücke zur Überlieferung) in der Stammheimer Straße wurde sie von Michael Lawton empfangen. Das Vorstandsmitglied dankte den Abgesandten des Kirchenverbandes für ihren Besuch. „Wir sind sehr berührt von dieser Botschaft“, sagte Lawton.


Tipps
Die gesamte Predigt des Pfingstgottesdienstes 2006 können Sie als Word-Dokument hier herunterladen.

Gemneinden, die sich mit dem Thema auseinandersetzen möchten, können ihr Votum an Ökumenepfarrer Dr. Martin Bock weiterleiten, der diese Voten sammeln und an die jüdischen Gemeinden weitergeben wird. Als Diskussionsgrundlage kann der Sendungstext gelten, den Sie hier finden.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich