You are currently viewing „Et Schnüsse Tring“ begleitete Menschen im Pflegedienst

„Et Schnüsse Tring“ begleitete Menschen im Pflegedienst

„Ich bin total gestresst, obwohl ich doch nur Pläuschchen gehalten habe“, gibt „Et Schnüsse Tring“ zu. Die Namensgeberin des traditionellen Karnevalsvereins aus Ossendorf, der in der vergangenen Session das Kölner Dreigestirn stellte, wirkt erschöpft. Zwei Stunden lang hat sie den Ambulanten Pflegedienst der Diakonie gGmbH Köln und Region begleitet.

Mitarbeiter stehen „völlig unter Druck“
Für die drei Patienten, die sie mit der Altenpflegerin Truus den Bekker besuchte, hatte sie Rosen dabei. Während Truus den Bekker Wunden versorgte und Medikamente verabreichte, konnte sich Elfie Adams-Thater, alias „Schnüsse Tring“, mit den alten Leuten unterhalten. „Dafür fehlt den Pflegekräften völlig die Zeit, aber die alten Menschen wollen ja reden“, sagt Adams-Thater. „Das geht auf die Kosten der Mitarbeiter, die stehen völlig unter Druck.“

NRW-Kampagne fordert „Mehr Zeit für Pflege!“
„Et Schnüsse Tring“ – bekannt geworden durch das gleichnamige Lied von 1859, in dem die Ossendorfer Dienstmagd Forderungen an ihren Dienstherren stellt – trifft damit den Nagel auf den Kopf: Mehr Zeit für Pflege und Betreuung der Patientinnen und Patienten sowie eine angemessene Vergütung durch die Krankenkassen fordern die Ambulanten Pflegedienste von heute. „Hilfe! Mehr Zeit für Pflege!“ ist das Motto einer landesweiten Kampagne noch bis Sonntag, 28. April 2013 – initiiert von der Freien Wohlfahrtspflege NRW mit rund 930 Pflegediensten verschiedener gemeinnütziger Träger.

Verspätungen dürfen nicht sein
Pro Jahr pflegen knapp 30.000 Fachkräfte mehr als 120.000 Menschen, die zu Hause leben, aber alleine nicht mehr zurecht kommen. Abgerechnet wird nach Leistung, unabhängig vom tatsächlichen Zeitaufwand. Zeit für ein „Pläuschen“ bleibt da nur selten, räumt Pflegerin Truus den Bekker ein. Kaum hat sie die anstehenden Aufgaben, wie zum Beispiel waschen, Verband wechseln und ankleiden erledigt, springt sie auch wieder in ihren Smart und düst zum nächsten Patienten, der schon ungeduldig auf sie wartet. „Schon Verspätungen von wenigen Minuten können wir uns da kaum leisten, die würden sich ja am Ende eines Tages summieren.“

Bessere Bezahlung für Pflegekräfte
„Ävver Tring, ehr künnt doch koche, wäsche, putze, secherlich?“ – „Och, Madam! Doch en der Woche wünsch ich einen Dag för mich“, heißt es im Lied der selbstbewussten Dienstmagd Katharina von Ossendorf, Schnüsse Tring genannt. Freie Tage stehen den Pflegekräften von heute selbstverständlich laut Arbeitsvertrag zu. Doch weil viele Stellen aus Mangel an Pflegekräften unbesetzt sind, gibt es Doppelschichten und jede Menge Überstunden. „Eine bessere Bezahlung, auch um den Beruf für junge Leute attraktiver zu machen“, wünscht sich daher Dr. Ursula Schmitz, Geschäftsführerin der gemeinnützigen Diakonie gGmbH Köln und Region. Mit ihrem Ambulanten Pflegedienst will sie keine Gewinne einfahren, „aber kostendeckend arbeiten bei fairer Bezahlung.“

Zeit für Menschen und angemessene Vergütung
Die Beträge für die Leistungen werden zwischen den Vertretern der Pflegedienste und den Krankenkassenverbänden ausgehandelt, meist für den Zeitraum von einem Jahr. 80 Prozent der Kosten fallen bei den ambulanten Pflegediensten im Personalbereich an. Insbesondere für die tarifgebundenen Dienste sind die Personalkosten in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 20 Prozent gestiegen. Dazu kommen höhere Benzinpreise für die vielen Autofahrten von Patient zu Patient. Die Krankenkassen dagegen haben in den vergangenen zehn Jahren nur sieben Prozent mehr gezahlt. Damit sind die Pflegedienste, die sich an Tarife und faire Arbeitsbedingungen halten, unterfinanziert. „Ambulante Pflege braucht mehr Zeit für Menschen und eine angemessene Vergütung“ heißt es daher in der aktuellen Kampagne der Wohlfahrtsverbände in NRW.

Zentraler Auto-Corso am 24. April
Im Rahmen der Kampagne werden sich am heutigen Mittwoch, 24. April, verschiedene Ambulante Pflegedienste der Freien Wohlfahrtspflege zu je einem zentralen Auto-Corsos – in Köln und Bergisch Gladbach – formieren.

Text: Martina Schönhals
Foto(s): Martina Schönhals