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Es fing allmählich an. Heute hat die Evangelische Kirchengemeinde Weiden sechs Bezirke und feierte Jubiläum: 100 Jahre Gottesdienst in Köln, Frechen und Pulheim

Auf den Tag genau fast hundert Jahre ist es her, dass der erste evangelische Gottesdienst für Weiden und Umgebung stattfand. Das war am 21. April 1907, im Saal der „Restauration Horst“ in Lövenich. Gegenwärtig heißt das Lokal an der Brauweiler Straße „Haus Hubertus“. Es liegt nur wenige Gehminuten von der heutigen evangelischen Kirche an der Aachener Straße in Weiden entfernt. Dorthin lud die Evangelische Kirchengemeinde Weiden anlässlich des 100. Jahrestages zu einem Festgottesdienst ein, in das Gemeindezentrum Jochen-Klepper-Haus .


Allmähliches Wachstum
Das historische Datum markiert den Beginn einer allmählichen Entwicklung. Seitdem nämlich wuchs innerhalb der Muttergemeinde Frechen in Weiden, Lövenich und Umgebung ein eigenständiges evangelisch-kirchliches Leben heran. Aber erst nach dem 2. Weltkrieg, 1948, wurde die Evangelische Kirchengemeinde Weiden selbstständig. Bereits 1930 hatte die Gemeinde Frechen das Weidener Restaurant St. Florian in der Aachener Straße erworben und zu einem Gemeindehaus umgewidmet. Nach einer weiteren Renovierung Ende der siebziger Jahre benannte die Gemeinde das Haus mit Betsaal nach dem Theologen und Schriftsteller Jochen Klepper (1903-1942). Die Evangelische Kirchengemeinde Weiden gliedert sich heute in die sechs Gemeindebezirke: Köln-Weiden/Lövenich, Köln-Junkersdorf, Köln-Widdersdorf, Pulheim-Brauweiler/Dansweiler/Freimersdorf, Frechen-Königsdorf und Pulheim-Geyen/Sinthern/Manstedten. Jeder dieser Bezirke verfügt über ein eigenes Gemeindezentrum. Die Großgemeinde dehnt sich auf drei Kommunen aus, reicht weit über das Kölner Stadtgebiet nach Frechen und Pulheim hinein. Aktuell zählt sie rund 14.500 Gemeindglieder.

Verantwortung gegenüber der Schöpfung
Zum Festgottesdienst und Empfang waren rund 350 Menschen gekommen. Darunter auch die Bürgermeister aller drei Städte: Fritz Schramma für Köln, Dr. Karl August Morisse, Bürgermeister der Stadt Pulheim, und Franz Becker, erster stellvertretender Bürgermeister der Stadt Frechen. Die Liturgie wurde von Pfarrerin Monika Weinmann sowie den Pfarrern Wolfram Behmenburg und Jörg Heimbach gestaltet. Einen besonders festlichen Charakter erhielt der Gottesdienst durch die Mitwirkung von drei StreicherInnen sowie der Kantorei und der Kinderchorgruppe der Evangelischen Singschule Köln-West unter Leitung von Kantorin Waltraud Huizing. Nikolaus Schneider, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, predigte zu 1. Mose 1-2. Anhand des Schöpfungsberichtes erläuterte er die Grundlagen des menschlichen Lebens vor und in Gott. Der Mensch lebe von Gottes Wort, so Schneider. Er betonte die Verantwortung gegenüber der Schöpfung, deren elementarer Teil der Mensch sei. Nicht nur angesichts wissenschaftlicher Erkenntnisse und aktueller Debatten zu Themen wie Umweltschutz und Klimawandel müsse sich menschliches Leben künftig anders vollziehen als bisher, hoffte er auf einen gesellschaftlichen Wandel.

Das „Gefühl, zu Hause zu sein“
Zu Beginn des Jubiläumsempfangs und -nachmittags mit Imbiss, Angeboten für Kinder und Jugendliche standen die Grußworte. Den Reigen eröffnete Fritz Schramma. Er überbrachte Grüße und Glückwünsche der Stadt Köln und, als deren Vorstandsvorsitzender, im Namen der Kommunen der Region Köln/Bonn. Die Evangelische Kirchengemeinde Weiden habe sich in einem stark katholisch geprägten Umfeld etabliert, meinte Schramma. Sie sei eine sehr lebendige Gemeinde. „Hier hat man das Gefühl, zu Hause zu sein.“ Hundert Jahre Gottesdienst in Weiden seien ein Beleg dafür, dass die evangelische Kirche längst ihren Platz in der Stadt gefunden habe, forderte er die Konfessionen und Religionen auf, weiterhin mit Toleranz und gegenseitiger Achtung auf einander zuzugehen. „Ich freue mich, dass wir den Deutschen Evangelischen Kirchentag mit vorbereiten“, so Schramma weiter. Dieser werde in jeder Hinsicht eine Veranstaltung der Superlative. Seine Glückwünsche verband der Oberbürgermeister mit einem Dank an die Ehrenamtlichen in der Gemeinde für ihren Dienst am Nächsten. „Setzen Sie mit Ihrer Arbeit ein Zeichen, an dem andere sich orientieren können“, ermutigte er. Und schließlich: Die Kirche als Sinnstifterin, als Institution, die existenzielle Fragen stelle, werde gerade auch im 21. Jahrhundert gebraucht.

„Unübersehbare Nähe zu gastwirtschaftlichen Freuden“
Stadtsuperintendent Ernst Fey beglückwünschte namens des Kreissynodalvorstandes des Kirchenkreises Köln-Nord und des Vorstands des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. Die Geschichte des evangelischen Gottesdienstes in Weiden verbinde sich mit Entwicklungen andernorts: „Die Geschichten sind ähnlich in Stadt und Region, Geschichten der Gemeindeentwicklungen, der sozialen Bedingungen, Stadtentwicklung, Flucht und Vertreibung, mutiger Aufbruch, Bau von Kirchen, Gemeindezentren und Kindertagesstätten. Neuerrichtungen von Pfarrstellen und anderen Mitarbeitenden stellen.“ Fey betonte, dass das Jubiläum einen besonderen Bezugspunkt habe. Die Gemeinde feiere kein Kirchengebäude, sondern ein Gottesdienst-Jubiläum. „Ich bin auf etwas Merkwürdiges gestoßen“, flocht Fey ein. „Bei einigen Jubiläen, etwa in Ehrenfeld oder Bergheim, fand der erste Gottesdienst immer in den Nebenräumen einer Kneipe statt.“ Er wolle an dieser Stelle nicht mutmaßen: „Aber haben Sie sich schon einmal gefragt, welch tiefe theologische Entscheidung da Pate gestanden hat? War es jener denkwürdige Anfang des ersten freien evangelischen Gottesdienstes im Haus der Brauerzunft auf der Schildergasse 1802? Fing da die unübersehbare Nähe zu gastwirtschaftlichen Freuden an?“ fragte Fey mit einem Augenzwinkern. Doch sein Fazit lautete anders: „100 Jahre Lieder und Gebete, Bibeltexte und Predigten in unterschiedlichen Räumen mit treuen Menschen, die Stück für Stück eine Gemeinde aufbauten“, erinnerte Fey. Eine lebendige Großgemeinde mit vielen Angeboten und Möglichkeiten. Und: „Die Sehnsucht nach Gott wach zu halten“, dies sei der Grund des Dankes für diesen Tag. „dass es immer wieder Menschen in dieser Kirche, die Hauptamtlichen und die vielen Ehrenamtlichen und die Gemeindeglieder gegeben hat, die das durch die hundert Jahre nicht vergessen haben und nicht nachließen, nach neuen Wegen zu suchen, Gottes Wort den Menschen nahe zu bringen.“

Ökumene ist hier „gewachsene, gute geschwisterliche Zusammenarbeit“
Achim Brennecke, Kreisdechant des Rhein-Erft-Kreises, ging ein auf die gelebte Ökumene, die gewachsene, gute geschwisterliche Zusammenarbeit. „Das ist wunderbar.“ Das historische Datum weise darauf hin, dass evangelische Christen schon damals hier eine Heimat gefunden hatten. Jeder brauche eine Heimat. „Wir brauchen Beheimatung auch im Glauben, und Orte, an denen sie spürbar ist.“ Als Gastgeschenk zog Brennecke ein Beutelchen mit Senfkörnern aus seiner Tasche. Als ein Zeichen, dass „noch weiter aufgehen soll, was hier gewachsen ist.“ Verlesen wurde zudem das Grußwort eines Enkels der der Gemeinde Weiden sehr gewogenen Stifterfamilie Rolff.

„Aufbruch im Westen von Köln“
Schließlich stellte Rolf Lenhartz, Pfarrer des Bezirks Geyen/Sinthern/Manstedten, die Festschrift „Aufbruch im Westen von Köln. Hundert Jahre evangelischer Gottesdienst in Weiden“ vor. Sie beleuchtet die Vorgeschichte, die Ursprünge und Entwicklung der Kirchengemeinde bis in die Gegenwart. Im Auftrag des Presbyteriums hat Lenhartz das Buch gemeinsam mit Peter Crohn und Hannelore Mäueler herausgegeben. Er dankte zahlreichen Mitwirkenden, betonte die Kooperation mit dem Verein für Geschichte e.V. Pulheim. Dieser habe das Projekt ideell und finanziell unterstützt und als Sonderveröffentlichung in sein Programm aufgenommen. Hervor hob Lenhartz insbesondere dessen stellvertretenden Vorsitzenden, Josef Wißkirchen. Der pensionierte Lehrer habe in ungezählten Stunden die komplette Druckvorstufe erstellt: „Ohne sein Engagement, ohne den Geschichtsverein, wäre das Buch nie entstanden.“ Erhältlich ist die Publikation für 14,80 Euro im lokalen Buchhandel und den sechs Gemeindezentren der Großgemeinde Weiden.

Markenzeichen der Gemeinde: Musik und Jugendarbeit
Für dicht besetzte Reihen im Kirchraum sorgte zum Abschluss noch einmal der ebenfalls von Huizing geleitete Gospel- und Popchor „Thank God, it`s Friday“. Er bildet die dritte Säule der Evangelischen Singschule Köln-West. Insgesamt belege die Singschule, so Lenhartz, dass die Kirchenmusik in breiter Form ein Markenzeichen der Gemeinde sei. In diesen Schwerpunkt eingebunden fänden sich auch Kinder und Jugendliche – als eine besondere Form kirchlicher Jugendarbeit.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Broich