You are currently viewing Erster Kölner Talk-Gottesdienst in der Lutherkirche mit Gerhart Baum, ehemaliger Bundesinnenminister

Erster Kölner Talk-Gottesdienst in der Lutherkirche mit Gerhart Baum, ehemaliger Bundesinnenminister

Zum „1. Kölner Talk-Gottesdienst“ begrüßte Pfarrer Hans Mörtter den ehemaligen Bundesinnenminister Gerhart Baum in der Lutherkirche in der Kölner Südstadt. „Talk ist zwar ein überstrapazierter Begriff“, räumte der Pfarrer ein, dass man mit der Namensgebung nicht besonders glücklich ist: „Aber dann weiß zumindest jeder, was gemeint ist.“ Talk-Gottesdienst heißt, dass prominente Gäste den Gottesdienst in der Lutherkirche besuchen, auf einem roten Ledersessel Platz nehmen und mit dem Schauspieler Peter Clös ein Gespräch führen über ein Thema, das sich der Gast aussuchen kann.


Baum: Beinflusst von den Idealen der Aufklärung
Gerhardt Baum ließ sich zum Thema „Menschenrechte“ befragen und berichtete, dass er in seiner Jugend erlebt habe, wie nach dem Ende des Nationalsozialismus die alten Strukturen fortgeführt wurden. Zum Kriegsende war der Ex-Minister, der in Dresden geboren wurde und die Bombardierung der Stadt miterlebt hat, 13 Jahre alt. „An einer Schule am Tegernsee, wohin wir geflohen waren, wurde uns 1947 vom Lehrerkollegium verboten, eine Gedenkstunde für die Opfer des 20. Juli abzuhalten.“ Um eine tragfähige Demokratie aufzubauen, sei er dann in die Politik gegangen, stark beeinflusst von den Idealen der Aufklärung und den politischen Ideen der Französischen Revolution sowie der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Damals hat er auch „Dr. Faustus“ von Thomas Mann gelesen, in dem der Literatur-Nobelpreisträger versucht, die Tragödie der Deutschen zu erklären. Anschließend schrieb Baum einen Brief an Mann. „Und der hat geantwortet. Ich besitze tatsächlich einen sehr freundlichen, handgeschriebenen Brief von Thomas Mann“, berichtete Baum.

Baums Erfahrungen mit der großen Politik sind zwiespältig
In der Politik legte der studierte Jurist, der 1950 nach Köln kam und heute in der Südstadt lebt, eine eindrucksvolle Karriere hin. Von 1966 bis 1968 war er Bundesvorsitzender den Jungdemokraten, der Nachwuchsorganisation der FDP. „Damals war Günter Verheugen, heute EU-Kommissar, mein Pressereferent“, erinnert sich Baum, der von 1972 bis 1994 für die Freien Demokraten im Deutschen Bundestag saß. Von 1972 bis 1978 war Baum Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, von 1978 bis zum Bruch der sozialliberalen Koalition 1982 amtierte er als Minister. Baum gehörte zu denen, die verschiedene Gesetze der jeweiligen Bundesregierung vor dem Verfassungsgericht zu Fall brachten. Dazu zählt etwa der so genannte „große Lauschangriff“, der in Karlsruhe für unzulässig erklärt wurde. Baums Erfahrungen mit der großen Politik sind zwiespältig. Gerade in Koalitionen würden oft Entscheidungen getroffen, die man selbst eigentlich nicht mittragen könne. Dann würden manche diese Entscheidungen akzeptieren und sie verkaufen im Sinne von „Das wollte ich auch immer schon“. Andere könnten das nicht und sähen sich in ihrer Partei isoliert. „Als mir Bürger sagten, ,Sie würde ich wählen aber nicht Ihre Partei'“, war für mich klar, dass Schluss ist mit der aktiven Politik“, erinnerte sich Baum.

Brigitte Monhaupt komme frei „nach Techt und Gesetz“
Als ehemaliger Innenminister und heutiger Rechtsanwalt verfolgt Baum die Debatte um die Freilassung der Ex-Terroristin Brigitte Mohnhaupt intensiv. „Diese Frau wird nicht vorzeitig entlassen. Sie kommt frei nach Recht und Gesetz“, betonte Baum. „Bei Rudolf Hess“, so Baum, „haben die gleichen Leute Straferlasse ohne Ende eingereicht, die heute gegen die Freilassung von Mohnhaupt polemisieren.“ Ein Reuebekenntnis, das von den Ex-Terroristen gefordert werde, könne auch ein Lippenbekenntnis sein. Reue müsse gelebt werden. Baum erklärte, dass Brigitte Mohnhaupt sich durchaus darüber im klaren sei, vielen Menschen sehr weh getan zu haben.

Sanktionen gegen Einzelne Regierungs-Mitglieder im Sudan gefordert
Baum arbeitet derzeit auch als Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen für Menschenrechte im Sudan. Dort hat nach seiner Meinung die internationale Völkergemeinschaft komplett versagt. Nachdem der Konflikt zwischen dem islamischen Norden und dem christlichen Süden beigelegt worden sei, habe sich die Provinz Dafour, etwa so groß wie Frankreich, benachteiligt gefühlt und sich gegen die Friedensvereinbarungen erhoben. Die sudanesische Regierung habe nicht selten Öl ins Feuer dieser Aufstände gegossen. „Wir müssen endlich dazu kommen, Sanktionen gegen einzelne Personen der Regierung im Sudan zu erlassen, damit der Konflikt ein Ende findet“, so Baum. Zum Beispiel könne man die Reisefreiheit dieser Personen einschränken oder ihre Konten einfrieren, schlug der Sonderbeauftragte vor, der einmal pro Jahr vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen Bericht erstatt.

Die nächsten Gäste: Norbert Blüm und Günter Lamprecht
Der Kölner Talk-Gottesdienst ist als Reihe geplant, bei der prominente Menschen zu von ihnen ausgesuchten Themen befragt werden. Zugesagt haben bisher Ex-Bundesarbeitsminister Norbert Blüm und der Schauspieler Günter Lamprecht.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann