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Erster Gottesdienst im Kronleuchtersaal der Kölner Kanalisation

Vorher wusste niemand so recht, was er erwarten sollte. Das ging auch Markus Zimmermann so, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Nord. "Die ersten Christen haben ihre Gottesdienste ja auch in Katakomben gefeiert", sagte er kurz vor dem Einstieg in die "Kölner Unterwelt".

"95 Gottesdienste an ungewöhnlichen Orten" ist der Titel einer Kampagne der Evangelischen Kirche im Rheinland zum Jubiläum 500 Jahre Reformation. Der Kronleuchtersaal in Köln war einer dieser ungewöhnlichen Orte. Eingeladen zum Gottesdienst hatten Studierende der Evangelischen Studierendengemeinden im Rheinland, für die sofort feststand, sich an der Kampagne zu beteiligen. Der Kronleuchtersaal ist ein unterirdisches, aufwendig gemauertes Bauwerk der Kölner Kanalisation. "Für das, was hier in dem Kanal neben ihnen vorbeifließt, spielt die Konfession keine Rolle", begrüßte Ralf Bröcker von den Kölner Stadtentwässerungsbetrieben die Gäste, darunter auch der Kölner Stadtsuperintendent Rolf Domning.

Beeindruckend war der Auftakt zum Gottesdienst: Eva Hengstemann von der Evangelischen Studierendengemeinde (esg) Bonn spielte Klarinette und stieg langsam aus einem Seitenarm des auch als Kanal genutzten Kronleuchtersaals empor. Die Akustik unter Tage war exzellent. Michael Pues, Pfarrer der esg Bonn, leitete den Gottesdienst ein: "Dies ist das erste Mal, dass hier ein Gottesdienst stattfindet. Es wird allerdings kein „normaler“ Gottesdienst sein. Anstelle der Predigt wird es meditative Betrachtungen geben."

In einer Sprechmotette wurde von verschiedenen Akteuren der Raum thematisiert: "Im Klo sind alle gleich. Alle müssen scheißen, und dann landet es hier. Es ist schön, wie dieser wunderbare Saal die Scheiße würdigt." Pues erinnerte vor einer Steintafel mit den Namen der Verantwortlichen für den Bau am Ende des 19. Jahrhunderts an diejenigen, "die tagtäglich mit ihren Händen und Energien für andere in den Untergrund gegangen sind, um dies hier für andere zu bauen. Das erinnert an die Moritat von Mackie Messer in der Dreigroschenoper ‚Denn die einen sind im Dunkeln'." Vielen Menschen sei nicht bewusst, dass viele andere täglich arbeiteten, damit alle zusammen in der Stadt leben könnten. Das Bild im Neuen Testament dafür sei: "Ein Leib und viele Glieder."

Der Rettungsring an der Kette vor dem Kloakenkanal war Thema einer meditativen Betrachtung von Jörg Heimbach, Pfarrer der esg Köln: "Es gibt immer wieder Situationen, in denen man auf die Unterstützung hofft. Auf jemanden, der einen aus der Scheiße zieht und sich dabei die Hände schmutzig machen könnte. Das können auch kleine Gesten sein wie die Einladung zu einem Abendessen, die einen über Wasser halten." Die meditative Betrachtung über den Kronleuchter mit der Kölner Studentpfarrerin Christiane Neufang spannte den Bogen zur Reformation. Martin Luther habe nach eigenen Worten den entscheidenden Gedanken für die Reformation auf der "cloaca" vom Heiligen Geist empfangen: " Man kann sich Gottes Wohlwollen nicht durch gute Werke erwerben. Es wird einem geschenkt. Gott liebt dich auch mit dem Dreck, der an deinen Füßen und Händen klebt."

Neufang zog anschließend ein durch und durch positives Fazit. "Wir haben uns thematisch sehr gut auf den Raum bezogen. Es wurde sehr viel genannt." Sehr gut durchdacht" nannte die Studentin und Teilnehmerin Sarah Grimberg den Gottesdienst: "In kurzer Zeit gab es sehr viel Input zum Nachdenken." Neufang gab ihr recht: "Wir haben in 50 Minuten alles herausgeholt." Beteiligt waren Studierendengemeinden aus Köln, Bonn, Aachen, Düsseldorf und Wuppertal. Beim Ausklang in der Alten Feuerwache war schnell klar. Diese Form des Gottesdienstes soll wiederholt werden. Vielleicht in zwei Jahren in einem Waggon der Wuppertaler Schwebebahn.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann