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„Erst Schulen bauen, dann Kirchen“

Der Gründung der ersten eigenständigen evangelischen Kirchengemeinde in Köln-Kalk 1877 ging die Errichtung einer evangelischen Volksschule 1865 voran. Pfarrer Frank Mischnick, selbst erst seit 2015 in Kalk, die kommissarische Schulleiterin Gabriele Schlitt, Superintendentin Andrea Vogel und Oberkirchenrat Klaus Eberl erinnerten im ehemaligen Schulgebäude an die enge Verwandtschaft von Protestantismus und Bildung.

„Ich wollte Wurzeln schnuppern“, erläuterte Pfarrer Frank Mischnick, als er zu dem ungewöhnlichen Jubiläum in das Gebäude der heutigen Förderschule „Der kleine Prinz“ einlud. Rund 30 Menschen waren der Einladung gefolgt und ließen sich von Sibylle Reiche, Finanzkirchenrätin, an die Geschichte der ersten evangelischen Volksschule Kalks erinnern.

Rasante Entwicklung Kalks
Voran ging die rasante Entwicklung Kalks von einem kleinen Wallfahrtsort und Ausflugsziel in der Bürgermeisterei Deutz mit einigen Bauernhöfen zu einer florierenden Industriestadt: Von vier Wohnhäusern mit sechs Familien im Jahre 1829 wuchs das Dorf bis 1867 auf 4.000 Einwohner an, 1874 waren es bereits 8.000 Einwohner, im Jahr 1928 waren es 30.000.

Straßenname vom Pfarrvikar
Die Neubürger kamen aus allen Teilen Deutschlands, auch aus den protestantischen. 1862 hatte Kalk ungefähr 40 evangelische Einwohner, 1869 bereits stolze 400, 1877 waren sie auf 2.000 angewachsen. Der damalige Pfarrer Thomas aus der Gemeinde Deutz setzte sich für die Gründung einer eigenen evangelischen Volksschule ein, die 1865 ein Gebäude in der damaligen Viktoriastraße 45 bezog, 1878 folgte der Umzug in die Vietorstraße. Der Straßennamen geht zurück auf den ab 1873 für Kalk zuständigen Pfarrvikar Friedrich Martin Vietor.

Grußwort von Oberkirchenrat Eberl
Zum Jubiläum ließ es sich auch Oberkirchenrat Klaus Eberl nicht nehmen, ein Grußwort zu sprechen: „Vom Niederrhein kenne ich es, dass die evangelischen Gemeinden erst Schulen gebaut haben, dann Kirchen“, erinnerte er an die enge Verbindung von Protestantismus und Bildung. „Zum evangelischen Glauben gehört es, mündig die Texte der Bibel zu lesen“. Die heutige Funktion des Schulgebäudes als Förderschule passte für Eberl dazu: „Ein evangelischer Ort ist gut geeignet, um zu vermitteln ‚jeder Mensch ist für Gott wichtig und hat die Möglichkeit zur Bildung‘“. „Lesen und Schreiben war wichtig, um die Bibel selbst zu lesen“, erinnerte auch Andrea Vogel, Superintendentin des Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch, und Pfarrerin in Köln-Mülheim, Kölns ältester evangelischer Gemeinde, an die evangelische Bildungstradition.

Ehemaliger Schüler zu Gast
Zu den Gästen, die das Schulgebäude noch als Schüler erlebt hatten, gehörte Peter Mann, Jahrgang 1925, der dort 1939 bis 1941 seine Berufsschulausbildung als Maschinenschlosser absolviert hatte und später Küster der evangelischen Gemeinde Kalk wurde.

Förderschule „Der kleine Prinz“
Im 1878 fertiggestellten Schulgebäude an der Vietorstraße 38 befindet sich heute die Förderschule „Der kleine Prinz“ für emotionale und soziale Entwicklung. In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde sie als Berufsschule genutzt. 1878 zog dort die erste evangelische Volksschule Kalks ein. Erst ein Jahr zuvor, 1877, war die eigenständige Evangelische Kirchengemeinde Köln-Kalk gegründet worden. Die evangelische Volksschule war bereits 1865 gegründet worden, das damalige Gebäude existiert nicht mehr.

Neues Wahrzeichen in Kalk
„Heute nun“, so Mischnick, „sind Kalk und Humboldt wieder vereint. Eine Evangelische Schule gibt es nicht mehr, diese ist in den 70er Jahren in eine städtische Schule übergegangen. Doch das Evangelische Krankenhaus ist nach wie vor ein Wahrzeichen in Kalk.“

Text: Annette von Czarnowski
Foto(s): Annette von Czarnowski