Bemerkenswert und intensiv sind die vier Gemälde von Thomas Baumgärtel, die bis zum 22. November im Gottesdienstraum der Erlöserkirche in Köln-Weidenpesch stehen. Eindrucksvoll in ihrer Größe, Präsenz und Technik, sehr herausfordernd in ihrer Thematik. Die dicht zueinander platzierten Bilder messen jeweils vier mal vier Meter. Sie zeigen die vier apokalyptischen Reiter in einer ganz persönlichen zeitgenössischen Interpretation im Stil einer Graphic Novel: Das Thema der Offenbarung des Johannes übertragen in die Gegenwart mit ihren vielfältigen, komplexen globalen Herausforderungen.
Geschaffen hat sie der 1960 in Rheinberg geborene Kölner Künstler für das 2024 von der Evangelischen Kirche im Rheinland veranstaltete Kunstprojekt „Apokalypse“. Sieben Teilnehmende bespielten sechs Orte. Baumgärtel, bekannt auch als „Bananensprayer“, stellte in der imposanten Trierer Konstantin-Basilika aus.
Seine Riesenformate gastieren nun in der Evangelischen Begegnungsgemeinde Köln. Zur Eröffnung der Präsentation lauschten zahlreiche Gäste den inspirierenden, erläuternden Worten von Pfarrerin Susanne Zimmermann und Dr. Martin Bock (Leiter der Melanchthon-Akademie), von Kurator Holger Hagedorn und Baumgärtel.
Zimmermann empfand in ihrer Begrüßung, dass es uns zuzumuten sei, vier Wochen lang in nächster Nähe mit diesen Motiven zu leben. Umgeben zu sein von apokalyptischen Reitern, „die ihre Botschaft so völlig ungefiltert, kompromisslos und ohne Chance zu fliehen“ formulierten. „Die Botschaft des Sehers Johannes aus der Apokalypse heißt: Sieh hin, stell dich den Ängsten, gib ihnen Bilder und Namen, ducke dich nicht weg, sondern sieh hin“, so die Pfarrerin. Nur dann seien Widerstand und Stärkung möglich angesichts der schlimmen Zustände in der Welt damals und heute. Diese neuen Krisen, etwa der Klimawandel, die Gefahren der Künstlichen Intelligenz und Digitalisierung, „reißen in unseren Alltag ein“. Es sei gefährlich, nichts zu tun. Insgesamt dürften wir die Zukunft nicht der Verrohung und der Gewalt überlassen.
Angeregt durch die neuen Bilder in die biblischen hineinschauen
Angeregt durch Baumgärtels Bilder „wollen wir wieder ganz neu in diese ganz alten biblischen Bilder hineinschauen und mit ihnen in unsere gegenwärtigen Krisen“, benannte Zimmermann die Aufgabenstellung. Es gelte Verbindungslinien zu entdecken. Man wolle nochmal neu erleben den Realismus und die Stärke der biblischen Texte. Diese alten Bilder und „die Aktualisierungen von Baumgärtel erzählen, um Widerstandskraft zu wecken“, versicherte Zimmermann. Wir müssten uns verbünden, um gegen diese zerstörerische Botschaft und die Macht der Reiter eine Chance zu haben. „Die Reiter laden zur notwendigen Auseinandersetzung ein.“ Wer sich darauf einlasse, in das Innere der Figuren zu gehen, beginne neue zu sehen. „Das möchten wir gerne als Kirchengemeinde und Veranstalter hier fördern. Und herausfordern mit unserem Rahmenprogramm und den ´Stationen der Resonanz´.“
In seinem ermutigenden Grußwort ging Dr. Martin Bock beispielhaft auf das „Gamechanger“-Programm der Zukunfts Gesellschaft e.V. ein. Es begleite junge Erwachsene so in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und wecke sie so für notwendige Zukunftskompetenzen auf, dass sie das Gamechanging unseres in großer Unruhe befindlichen Planeten und aller seiner Geschöpfe besser aktiv gestalten und mitverantworten könnten. Wenn man so wolle, seien auch die erzählenden Bilder Baumgärtels „eine Enthüllung der Mehrdeutigkeit unserer Welt, für die wir Sensibilität, Stärkung und Integration brauchen“. Wenn die in diesen apokalyptischen Bildern steckende Hoffnung sich entfalten und sich daraus ein hier schon angedeutetes Gamechanging entwickeln solle, benötigten laut Bock „die Entscheidungstragenden von morgen, die unsere Gesellschaft maßgeblich prägen werden, unsere ganze Aufmerksamkeit“.
Kurator Holger Hagedorn verdeutlichte, dass die Apokalypse nicht als Weltuntergang, sondern als eine Zeit der Prüfung gesehen werden müsse. Auch Baumgärtels Werke stellten nicht das Ende der Welt dar. In ihnen seien ebenso Zeichen der Hoffnung zu entdecken, verwies er auf das kleine Mädchen, das in trostloser Verwüstung ein grünes Pflänzchen hegt. Diese Szene könne eine Antwort geben auf die Frage, „warum Kirche denn diese Ängste und Sorgen, die bedrückenden Bilder ausstellt“, so Hagedorn. „Ich habe gleich gesagt: Es wird theologisch eine interessante Aufgabe, diese düsteren, bedrohlichen Arbeiten entsprechend aufzubereiten.“ Zimmermann konterte: „Kein Problem, das machen wir!“
Baumgärtel findet entgegen anfänglicher Zweifel die Wirkung der Großformate im Kirchenraum „ganz toll“. Diese werde durch die Dichte noch verstärkt. „Ich freue mich, wie gut das gelungen ist“, sprach er Zimmermann und dem gesamten Team seinen Dank aus. Hagedorn schloss sich an: Ein solches großartiges Engagement wie hier in der Kirchengemeinde habe er als Kurator noch nie erlebt.
Die Öffnungszeiten und Termine des Rahmenprogramms finden sich unter: www.begegnungsgemeinde.de
Foto(s): Engelbert Broich
