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Erinnerung – Gerechtigkeit erhöht ein Volk. Eine Veranstaltungsreihe der Melanchthon-Akademie.

Ob das Gegenteil von „vergessen“ möglicherweise nicht „erinnern“, sondern „Gerechtigkeit“ sei, fragte der jüdische Historiker Yosef Hayim Yeruschalmi. Wollen darum Menschen sowohl von der Frage der Erinnerung als auch der nach Gerechtigkeit nicht lassen?  Günther Grass plädierte dafür, endlich auch seelische Verletzungen durch Flucht und Vertreibung wahrzunehmen. Und als Jörg Friedrichs Buch „Der Brand“ überraschend zum Bestseller avancierte, wurde deutlich, dass der Zweite Weltkrieg und seine Folgen die Deutschen mehr als bisher angenommen beschäftigen. Denn: Wem die Anerkennung verwehrt wird, selbst gelitten zu haben und bis in die Gegenwart traumatisiert worden zu sein, kann sich auch nicht mitfühlend zum Leid anderer Menschen verhalten. So erklärt sich zum Teil die massive Abwehr der deutschen Gesellschaft, sich empathisch der Opfer nationalsozialistischer Verfolgung zu erinnern.

Die Melanchthon-Akademie hat dies zum Anlass genommen, eine Veranstaltungsreihe zu konzipieren, die sich unter unterschiedlichsten Aspekten mit dem Vergessen und Erinnern auseinandersetzt.

Den Anfang dieser Reihe machen am 15. Januar „Lehmann und Zuckermann“ – die beiden Hauptpersonen einer szenischen Lesung, in der zwei alte Männer Krieg führen, einen Krieg um die (ge)rechte Erinnerung. Am Ende gibt es keinen Sieger, und die Eindeutigkeit, wer Täter und wer Opfer ist, weicht verstörenden Fragen. Das Stück wird an 9 Abenden in deutscher Erstaufführung im Theater Tiefrot zu sehen sein: am 15., 16., 17., 29. Januar; 4., 5., 10., 11., 12. Februar jeweils um 20.30 Uhr im Theater Tiefrot, Dagobertstr. 32. Kartenverkauf im Theater. Weiter geht es mit der „Erinnerung an Peter Weiss – Eine Ermittlung in Gesängen“ von Dr. Michael Eggers am Mittwoch 21. Januar, von 18 bis 20.30 Uhr in der Melanchthon-Akademie, Kartäuserwall 24b, die Tageskarte kostet 7 Euro.

Unter der Überschrift: Nachforschungen zu individuellen Auseinandersetzungen mit dem Holocaust“ gibt es am Samstag, 31. Januar, von 10 bis 16.30 Uhr eine zusätzliche Veranstaltung in Kooperation der Melanchthon-Akademie mit dem Psychotherapeutischen Arbeitskreis für Betroffene des Holocaust e.V. und dem Verein EL-DE-Haus: Wie konnte es geschehen, dass Menschen sich ihrer Humanität entledigen und zu völliger A-Humanität verkommen? Wir gelangen – gehen wir dieser Frage nach – an unsere Grenzen des Verstehens und sind doch nicht aus der Verantwortung entlassen, uns mit dem Un-Sagbaren zu konfrontieren. Dr. Gideon Greif tut dies, denn er befasst sich und uns konkret mit dem Schicksal jüdischer Überlebender des Holocaust. Die Veranstaltung wird anhand von Gesprächsdokumentationen Überlebender die Geschichte des jüdischen Sonderkommandos von Auschwitz-Birkenau rekonstruieren. Mit den Tagebuchaufzeichnungen von Etty Hillesum und Carel Perechodnik wird sie zwei Schicksale aufgreifen, welche bezeugen, dass auch außerhalb der Lager der Nazi-Terror Menschen ausweglos verstrickte und in Grenzsituationen trieb. Nicht zuletzt wird sie danach fragen, wie ein Leben mit derartigen Traumatisierungen noch möglich ist und wie die Opfer, aber auch die Nachgeborenen für das Menschliche berührbar bleiben können.
Ablauf der Veranstaltung: 10.00 – 11.30 Uhr: Etty Hillesum – Die Shoa aus dem Blickwinkel einer Frau in Amsterdam
11.45 – 13.00 Uhr: Carel Perechodnik – Juden, Polen, Deutsche in den Augen eines verzweifelten Ghetto- Polizisten
14.00 – 16.30 Uhr: Das jüdische Sonderkommando von Auschwitz-Birkenau – Beitrag zur Oral History von Überlebenden des Holocaust.
Ort der Veranstaltung: Melanchthon-Akademie, Kartäuserwall 24b, die Tageskarte kostet 10 Euro.


Unter der Überschrift „Der Krieg und die vergessene Trauer“ folgen ein Workshop, Vorträge und eine Diskussion: Der Workshop wird Raum geben, erlittene Verluste und Versehrungen zur Sprache zu bringen und „Gesten“ der Trauer und des Trostes zu finden: Donnerstag, 12. Februar, von 15 bis 18 Uhr in der Melanchthon-Akademie, Kartäuserwall 24b, die Tageskarte kostet 15 Euro. Eine Anmeldung ist erforderlich bis zum 6. Februar, Telefon 0221/931 803-0. Danach werden die Journalistin Sabine Bode und der Psychotherapeut, Psychiater und Traumaforscher, Peter Liebermann in Vortrag und Diskussion den Zusammenhängen und Fragen nachgehen und Konsequenzen für Rituale des Gedenkens und der Entwicklung gesellschaftlicher Trauer-Modelle zur Sprache bringen: Donnerstag, 12. Februar, von 18.30 bis 21 Uhr in der Melanchthon-Akademie, Kartäuserwall 24b, die Tageskarte kostet 10 Euro. Eine Anmeldung ist erforderlich bis zum 6. Februar, Telefon 0221/931 803-0.


Den Abschluss der Reihe bildet der Vortrag mit Diskussion „Unfähig zu trauern?“ Die nahezu sprichwörtlich gewordene deutsche „Unfähigkeit zu trauern“ weicht zunehmend dem Wunsch, die Traumata der Kriegs- und Nachkriegsgeneration auch literarisch zu artikulieren. Der renommierte Autor Micha Brumlik, Leiter des Fritz-Bauer-Instituts (Zentrum zur Erforschung des Holocaust), wird anhand von drei Romanen (U. Timm, Am Beispiel meines Bruders; U. Hahn, Unscharfe Bilder; S. Wackwitz, Ein unsichtbares Land) sowie dem Film „das Wunder von Bern“ diese Tendenz analysieren und zur bisherigen deutschen Erinnerungskultur ins Verhältnis setzen Donnerstag, 26. Februar, von 18 bis 20.30 Uhr in der Melanchthon-Akademie, Kartäuserwall 24b, die Tageskarte kostet 10 Euro.

Text: AL/Melanchthon-Akademie
Foto(s): Melanchthon-Akademie