You are currently viewing Erich Witschke führte während des DEKT zu den Arbeiten in der Altstadt: „die andere seite“ – diesmal linksrheinisch

Erich Witschke führte während des DEKT zu den Arbeiten in der Altstadt: „die andere seite“ – diesmal linksrheinisch

„Ich freue mich, dass beide Stadtviertel gemeinsam auftreten“, erklärte Kunstbeirat-Kurator Erich Witschke eingangs der linksrheinischen Führung den verbindenden Charakter des auf beiden Rheinseiten durchgeführten Kunstprojekts „die andere seite“.
Sie startete unter Leitung des Kunstbeauftragten der Evangelischen Kirche und Region von den drei Rondellen am Zugang zur Hohenzollernbrücke, Heinrich-Böll-Platz. Innerhalb und zwischen diesen erhöhten, Baum bestandenen Ruhezonen stehen sieben skulpturale Arbeiten zum Thema „Haltung“ von Christiane Tyrell. Auf die Tradition der Bildstöcke zurückgreifend, hat sie versucht, „vergleichbare zu finden, die heute auch ansprechen“, brachte Tyrell den zehn Teilnehmenden ihre Idee nahe. Die waren ganz angetan von der großen Epoxydharz-Hand oder der Figur, deren Rücken sich unter der „Last des 11. September“ beugt. Tyrell zeigt „tugendhafte“ wie auch Haltungen des Stillstandes, „die eine Begegnung mit unserer vielfältigen, inneren Verfassung ermöglichen können“. Gleichzeitig würden auch die Besuchenden eine bestimmte Haltung einnehmen, berichtete Tyrell von einer unerwarteten, spannenden Erweiterung ihres Projekts.

Gastfreundschaft und Harmonie
Über die eng mit Zuhörenden einer Rheingarten-Veranstaltung besetzte Freitreppe führte der Weg der Gruppe zum Brückenpfeiler hinunter. An dessen Mauer hat Helen Efe Doghor-Hötter überdimensionierte Geckos montiert. Ihre „Odoko“, so werden Echsen in ihrer nigerianischen Heimat genannt, sind aus Abfallmaterial. Aus Maschendraht, gefüllt mit Korken oder mit Treibholz – wie bei dem von einem Schiffsanleger in den Rhein kriechenden Tiermodell. „Echsen erinnern mich an meine Kindheit“, informierte Doghor-Hötter. „Sie waren draußen und drinnen. Und sie gelten als Beschützerin der Menschen und ihrer Häuser.“ Zudem stünden sie für Gastfreundschaft und Harmonie. Was für ein Symbol, und nicht nur für Kirchentage!

Teufel und Erkenntnis
Anschließend ging es durch die Altstadt ins Praetorium. Zwischen den unterirdischen Ruinen des römischen Statthalterpalastes empfing das weibliche Künstlerduo
Trash/Treasure mit seiner Lichtinstallation „Zum Teufel“. „Wo gibt es sonst die Möglichkeit, das zeitgenössische Künstler inmitten von 2000 Jahren Kulturgeschichte ausstellen können?“, machte Witschke auf die besondere Konstellation aufmerksam. Zu sehen sind rot, gelb, blau und weiss karierte Folien, durch die hindurch Tuschezeichnungen projiziert werden. Erstellt nach tradierten Vorlagen aus Hoch- wie Trivialkultur, werden sie mitten ins alltägliche Leben geworfen. Mit diesen aus Kunst und Werbung bekannten „Images des Teufels“, dazu gehören auch Anlehnungen an blinkende, „Heil“ versprechende Leuchtreklamen, wollen Trash/Treasure zum „teuflischen Spiel mit der Erkenntnis (ver)führen“.

Kunst für Krebskranke
Unweit des Praetoriums wartete auf einen Plätzchen „A performance life, 2001-2008″ / Empathie und Solidarität mit krebskranken Menschen“. So lautet der Beitrag von Siglinde Kallnbach. Sie lädt Kirchentagsbesuchende und andere ein, Solidarität mit Krebskranken, mit Verstorbenen oder Geheilten zu üben, indem sie deren oder den eigenen Namen schriftlich auf Leinwände oder (Zelt)Tücher verewigen. Indem sie eine Signatur, eine Widmung, ein Gedicht, eine Zeichnung hinterlassen. Das internationale Projekt endet 2008. Anfang 2009 will Kallnbach sämtliche Beiträge in ein anderes, abstraktes Kunstwerk überführen. „Quasi geht es von einer ethisch-künstlerischen Grundlage auf die ästhetische Ebene“, so Witschke. An positiven Reaktionen mangelt es der Künstlerin jedenfalls nicht. „Am Abend der Begegnung sind wir förmlich überrollt worden. Selbst japanische Touristen scherten aus ihren Führungen aus und machten mit.“

Ideen für den Kunstunterricht
Unterschrieben hat auch eine Lehrerin aus Wuppertal. „Dieser Rundgang gefällt mir besser als erwartet“, kommentierte sie am Ende der acht Stationen, darunter die Ausstellung „Frömmigkeiten & Corporate Identity“ im Römisch-Germanischen Museum und Frauke Wilkens Installation „Exoten“ in den Bäumen auf der Westseite des Domes. „Ich hatte mir den Termin extra angestrichen. Und kann jetzt sogar Ideen für den Kunstunterricht mitnehmen.“

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Broich