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„Entscheidend ist nicht die sexuelle Orientierung eines Menschen, sondern die Bereitschaft, Verantwortung füreinander zu übernehmen“

Während sich der Bundesrat für die völlige Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe ausspricht, drängt auch der Kirchenkreis Köln-Nord darauf, eine Benachteiligung in der bestehenden Kirchenordnung der Evangelischen Kirche im Rheinland zu beseitigen. Im Interview erzählt Markus Zimmermann, Superintendent des Kirchenkreises Köln-Nord, von theologischen Fortschritten und Einsichten innerhalb der evangelischen Kirche.

Die Segnung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften war Thema auf der Herbstsynode 2014 des Kirchenkreises Köln-Nord. Dort haben die Synodalen (mit einer Gegenstimme und drei Enthaltungen) beschlossen, einen Antrag an die Landeskirche auf den Weg zu bringen, der zum Ziel hat, die Artikel 87 bis 90 der Kirchenordnung (KO) zu ergänzen. Worum geht es dabei?

Superintendent Markus Zimmermann: Wir bitten die Landessynode, auch homosexuellen Paaren die Möglichkeit einer kirchlichen Trauung einzuräumen, denn diese ist als sogenannter „Gottesdienst aus Anlass einer Eheschließung“ heterosexuellen Paaren vorbehalten. Die bisherige Segnung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften muss analog dazu geregelt werden. Homosexuelle Paare müssen gleichberechtigt vor den Traualtar treten dürfen. Denn inzwischen gibt es ja durch die geänderte Gesetzeslage die Möglichkeit, eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft öffentlich-rechtlich einzugehen. Das war im Jahr 2000, als die Landessynode die „Segnung“ beschlossen hat, noch nicht der Fall. Die „Eingetragene Partnerschaft“ ermöglichte der Deutsche Bundestag erst zum 1. Juli 2001.

Aber auch theologisch sind wir weitergekommen: Noch stärker als im Jahre 2000 ist die Einsicht gewachsen, dass theologisch nicht die sexuelle Orientierung maßgeblich ist, sondern dass es in einem Traugottesdienst vornehmlich darum geht, „mit dem Paar, mit Freunden und Familien zu feiern, dass die beiden ‚sich getraut‘ haben, mit Gottes Zuspruch eine verlässliche und verbindliche Partnerschaft einzugehen durch das Versprechen (…) in Treue beieinander zu bleiben und sich gegenseitig immer wieder zu vergeben“ (Artikel 87 der KO).

Eine mögliche Bedrohung oder Infragestellung der kirchlichen Trauung als „Gottesdienst aus Anlass einer Eheschließung“ ist durch die kirchliche Trauung gleichgeschlechtlicher Paare unserer Überzeugung nach nicht gegeben. Vielmehr haben wir ernst zu nehmen, dass durch die Angleichung der bisherigen „Segnung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften“ einem früheren Grundsatzbeschluss der Landessynode (Nr. 62 aus dem Jahr 1995) Rechnung getragen wird, nach dem „jeder Diskriminierung und Demütigung homosexuell lebender Menschen die christliche Gemeinde entgegentreten soll. Deshalb verdienen auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften Achtung und Schutz“.

Das war Ende 2014. Mittlerweile wird in der Landeskirche intensiv an einem entsprechenden Beschlussentwurf für die Landessynode 2016 gearbeitet. Der Kirchenkreis Köln-Nord hat also etwas in Bewegung gebracht. Haben Sie Kenntnis darüber, wie der aktuelle Sachstand ist?

Superintendent Markus Zimmermann: Die diesjährige Landessynode hat unseren kreissynodalen Antrag an die Kirchenleitung weitergegeben. Von dort aus wird er noch im Laufe der nächsten Monate in die zuständigen Ausschüsse kommen und dort verhandelt werden. Danach geht er zurück an die Kirchenleitung, die ihn der nächsten Landessynode im Januar 2016 zur Beschlussfassung vorlegen wird. Ich hoffe und bin gleichzeitig zuversichtlich, dass wir in allen Gremien eine breite Unterstützung für unseren Beschlussantrag finden werden.

Zurzeit wird über die „Homo-Ehe“ debattiert, besonders nach dem irischen Volksentscheid, der sich für eine völlige Gleichstellung ausgesprochen hat. Wie verhält sich die evangelische Kirche dazu?

Superintendent Markus Zimmermann: Entscheidend ist, wie schon gesagt, nicht die sexuelle Orientierung eines Menschen. Entscheidend ist vielmehr die Bereitschaft eines Paares, füreinander Verantwortung zu übernehmen, die Würde des anderen zu achten und dem Partner bzw. der Partnerin mit dem nötigen Respekt zu begegnen. Homosexualität ist keine Krankheit. Es ist doch auch unsinnig, Homosexualität in einem Konkurrenzverhältnis zu Heterosexualität zu sehen. Beide Orientierungen stehen nebeneinander. Wir müssen endlich anerkennen, dass Homosexualität zur Schöpfung Gottes dazugehört und eine gute und erfüllende Gabe ist für die Menschen, die so empfinden. Meiner Auffassung nach gilt für gleichgeschlechtliche Verbindungen in gleicher Weise das, was Jesus von uns als Christinnen und Christen in unseren Partnerschaften erwartet: „Was Gott zusammengefügt hat, das sollen wir Menschen nicht trennen.“

Die rechtliche Gleichstellung von homosexuellen Paaren ist jedoch gesellschaftlich nicht unumstritten. Was würde eine Gleichstellung ändern?

Superintendent Markus Zimmermann: Die Gleichstellung würde endlich eine immer noch bestehende gesellschaftliche Diskriminierung von Menschen beseitigen. Und diese Diskriminierung muss auch beseitigt werden. Das fordert das Bundesverfassungsgericht in eindeutiger Weise. Sicherlich ist es nötig, auf die Ängste und Vorbehalte von Menschen einzugehen, die sich mit der Akzeptanz von Homosexualität immer noch schwer tun. Als Kirche haben wir die Aufgabe, solche Ängste und Vorbehalte ernst zu nehmen. Im Übrigen meine ich aber, die Gleichstellung müsste in allernächster Zeit passieren. Schließlich macht sich die Gesellschaft schuldig an denen, die sie ausgrenzt oder diskriminiert.

Welche biblischen Aussagen gibt es zu „Sexualität“ und „Homosexualität“?

Superintendent Markus Zimmermann: Die sorgfältige exegetische Analyse der biblischen Texte kommt zunächst einmal zu dem Schluss, dass es in der Schrift keineswegs nur eine einzige Lebensform gibt. Die sieben Bibelstellen, die eine bestimmte Form männlicher homosexueller Praxis verurteilen, können nicht die Annahme stützen, die Liebe zwischen zwei Frauen oder zwischen zwei Männern sei durch die Bibel verboten. Eine solche Argumentation ist genauso zurückzuweisen wie das Verbot der Frauenordination in 1. Korinther 14,34. Was biblisch abgelehnt wird, ist eine sexuelle Praxis, die die Würde von Menschen missachtet, wie zum Beispiel die Tempelprostitution in damaliger Zeit. Die noch zu früher alttestamentlicher Zeit durchaus übliche Vielehe entspricht genauso wenig unseren heutigen Vorstellungen wie das Paulus zugeschriebene Gebot, nach dem die Frau in der Gemeinde zu schweigen habe.

Zeitlos und immer aktuell ist und bleibt jedoch der Kern der biblischen Botschaft: Dass Gott die Liebe ist und uns aufträgt, seiner Liebe entsprechend zu leben. Und das bedeutet eben auch, dass wir uns vor jeder Form von Diskriminierung gegenüber anderen Menschen hüten.

Text: Angelika Knapic
Foto(s): Jürgen Schulzki