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Engagierte Diskussionsrunde zur Sterbehilfe unter Beteiligung von Stadtsuperintendent Domning

In der Reihe „Fraktion vor Ort – die Kölner SPD-Bundestagsabgeordneten laden ein“ wurde jüngst über das bewegende Thema „Sterbehilfe – eine Frage der Moral?“ debattiert und diskutiert. Neben Stadtsuperintendent Rolf Domning zählten zu den Referenten Professor Dr. Karl Lauterbach, stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion, und Ingrid Matthäus-Maier, Verwaltungsrichterin a.D. und Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben. Martin Dörmann und Dr. Rolf Mützenich, beide Mitglieder des Deutschen Bundestages, hatten in das LVR-Haus eingeladen, die Moderation übernahm der Kölner Journalist Helmut Frangenberg.

Das Thema Sterbehilfe war und ist eine Herausforderung, dies zeigte der Abend deutlich. Auch der Bundestag beschäftigt sich aktuell mit dem Komplex, denn es steht eine Gesetzänderung an. Der gesamte Kontext ist mehr als verschachtelt, so sprach bereits im November 2014 Bundestagspräsident Professor Dr. Norbert Lammert von dem vermutlich anspruchsvollsten Gesetzgebungsprojekt dieser Legislaturperiode.

Aktiv, passiv, indirekt
Unterschieden wird zwischen der aktiven, der passiven und der indirekten Sterbehilfe: Karl Lauterbach gab zu Beginn der Veranstaltung einen Überblick zu den fünf Orientierungspapieren, die momentan zu debattieren sind, und die die Grundlage der kommenden Gesetzesänderung darstellen werden. Nicht nur die Pro- und Contra Argumente zu den einzelnen Papieren wurden (bisweilen emotional) in der Runde debattiert – es kam im Verlauf des Abends auch immer wieder die Frage auf, warum das bestehende Gesetz überhaupt zu ändern sei, da doch vieles auch für den jetzt gültigen Rahmen spreche. Unter anderem wird zu klären sein, ob etwa das Bereitstellen von Medikamenten künftig gesetzlich verboten werden soll. Einen aktuellen Überblick zur Situation in der Bundesrepublik gibt es hier.

500 Fälle im Jahr
Bevor es dann tiefer in die Diskussion ging, wurde klargestellt, um welche strittigen Fälle, die die Forderungen nach einer Gesetzesnovelle laut werden ließen, es sich in der aktuellen Debatte eigentlich handelt. Grundsätzlich sei, so Lauterbach, zunächst das Thema Palliativmedizin von der Frage nach Sterbehilfe abzugrenzen. Das Problem, das den Bundestag bewege, stelle sich einzig beim Begehren des sogenannten assistierten Suizids. Im Fokus stehen hier etwa 500 Menschen im Jahr. Die Rahmenbedingungen für Sterbehilfe seien dabei für Ärzte zurzeit von Bundesland zu Bundesland, teilweise sogar von Stadt zu Stadt, verschieden. Die Ärztekammern führen kein einheitliches Verfahren durch, die Vorgehensweise im konkreten Fall ist unterschiedlich. Deutlich wurde in der Diskussion im LVR-Haus, wie eng viele rechtliche Fragen in der Praxis und Theorie mit moralischen Aspekten verknüpft sind.

Standpunkte der Kirchen
Eben dazu wandte sich Moderator Helmut Fragenberg an Stadtsuperintendent Rolf Domning und bat um Erläuterung der bekannten kirchlichen Position beider Konfessionen, dass das Leben ein Geschenk Gottes sei, welches der Mensch nicht beenden dürfe. Domning verwies dazu auf die Freiheit der Entscheidung des Einzelnen in seiner Verantwortung vor Gott: Jeder Mensch habe seinen eigenen Begriff von Würde im Leben und im Sterben. Und die Freiheit der Wahl dessen, was er selbst zu ertragen und zu verantworten bereit sei. An diesem Punkt könne sich die Kirche weder zur Instanz einer Entscheidung aufschwingen noch dazu machen lassen. Domning zitierte zum Beleg seiner These den Reformator Martin Luther, der in allem und im Letzten von der Freiheit eines jeden Christenmenschen ausgegangen sei. Die Annahme, dass das Leben ein Geschenk sei, mit dem man sehr sorgsam umgehen müsse, sei zugleich von dieser Überzeugung nicht berührt. Der Stadtsuperintendent verwies in dem Zusammenhang auch auf eine Publikation der Evangelischen Kirche im Rheinland mit dem Titel „Niemand nimmt sich gern das Leben“, eine seelsorgliche Begleitung zu Fragestellungen rund um den Suizid. Ziel der Handreichung ist es, "der Tabuisierung des Themas in unserer Gesellschaft" entgegenzutreten, so die Herausgeber.

Stimmen aus dem Publikum
Die lebhafte Diskussion in Deutz war auch im Publikum nicht nur von rechtlichen, moralischen und religiösen Fragestellungen geprägt, sondern auch von sehr persönlichen Erlebnissen gefärbt. So wurde immer wieder deutlich, dass eigene Erfahrungen mit dem Tod und dem Sterben geliebter Menschen den Weg eines jeden Einzelnen prägen. Auch aus dem Saal meldeten sich Stimmen, die jeweils bewegende Momente wieder aufleben ließen. Als Seelsorger konnte Rolf Domning sogar von dramatischen Situationen berichten, in denen Menschen ihm gegenüber als Pfarrer den Wunsch nach Sterbehilfe geäußert hätten, wenn auch nicht so häufig, wie es wohl bei Ärzten der Fall sei, vermutete der Stadtsuperintendent. Nicht zuletzt die Einsamkeit des Sterbens wurde als Not und Belastung benannt. Diskutiert wurde auch die Option für vergleichsweise Wenige, die ersehnte finale Hilfe zum Sterben in einem anderen Land zu suchen und zu finden – eine Alternative jedoch, die nur Menschen offen stehe, da war man sich einig, die über ausreichend finanzielle Mittel verfügen.

Schwere Aufgabe für den Bundestag
Selbstredend mussten auch an diesem Abend viele Fragen ungeklärt bleiben. Karl Lauterbach verwies noch auf einen letzten bedrückenden Aspekt, dass viele misslungene Suizidversuche in einem Desaster mit fatalen Folgen endeten. Gerade daran könne man erkennen, dass eine Unterstützung als absolute Ausnahmesituation in seltenen, sehr extremen Fällen – zum Beispiel, wenn jemand schwerstkrank unter massiven Schmerzen leide – schlicht nötig sein könne. Insgesamt ging das Spektrum der Meinungen weit auseinander. Sicher ist aber: Der Bundestag wird eine schwierige Aufgabe lösen müssen.

Text: Judith Tausendfreund/APK
Foto(s): Judith Tausendfreund