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Elke Heidenreich im Altenberger Dom

„Gott schaut nicht auf die Schuhe, sondern ins Herz“ – Elke Heidenreich im Altenberger Dom

Auf diesen Gast freue sie sich ganz besonders, erklärte Pfarrerin Claudia Posche zur Begrüßung der rund 120 Besucher im Altenberger Dom: „Schließlich hat sie mir gezeigt, dass der Heilige Geist auch hinter der Fleischtheke wirkt.“ Denn mit der Kabarett-Figur der Metzgersgattin Else Stratmann, die im Hörfunk und auf Kleinkunstbühnen gern schnoddrig über tagesaktuelle Themen daher schwadronierte, gelang Elke Heidenreich einst der große Durchbruch. In den 70er Jahren war das, heute ist sie als Autorin, Moderatorin und Literaturpäpstin aus der medialen Öffentlichkeit kaum noch wegzudenken.

Zur Autorenlesung hatte die Evangelische Kirchengemeinde Altenberg/Schildgen die prominente Wahl-Kölnerin auch deshalb gern eingeladen, weil Elke Heidenreich durchaus Stallgeruch mitbringt. Nach der Trennung ihrer Eltern hatte sie bei Pflegeeltern in einem evangelischen Pfarrhaus gelebt und später Religionswissenschaft studiert. Das Thema ihrer Examensarbeit lautete: „Marienverehrung im Protestantismus.“

Ihre persönliche Vergangenheit war denn auch ein Gegenstand der Lesung, zu der sie nicht, wie erwartet, ihren aktuellen Bestseller: „Alles fließt: Der Rhein. Eine Reise. Bilder. Geschichten“ mitgebracht hatte, sondern „Alles kein Zufall – Kurze Geschichten“. Bei der Veröffentlichung aus dem Jahre 2016 handelt es sich um eine Sammlung von 189 alphabetisch geordnete Miniaturen: Anekdoten, Erlebnisse, Beobachtungen, Erkenntnisse, mal witzig, mal philosophisch, mal sentimental. „Einige der Geschichten habe ich selbst erlebt, andere stammen von Freunden, manches ist reine Fantasie“, so die Autorin.

Die Titelgeschichte „Alles kein Zufall“ immerhin scheint autobiografische Züge zu tragen. Es geht um eine schwermütige Mutter und ihre zerstrittene Verwandtschaft auf der einen Seite und den lebensfrohen Vater, der zahlreiche Liebschaften unterhält, auf der anderen. Eine schwierige Herkunft, zu der sich die Erzählerin aber bekennt: „Ganz leicht, ganz leicht muss es nicht sein“, zitiert sie Sänger und Autor Sven Regener am Ende.

Unter B wie „Brüder“ folgt dann gleich eine „leichtere“ Geschichte über die seltsame Neigung einer jungen Frau, sich in die Brüder ihrer Jungs- oder Männerbekanntschaften zu verlieben. Einmal bringt sie es sogar bis zu einem besonders gutaussehenden dritten Bruder.

„Rudolf Nurejew“ ist die Anekdote von einer Frau, der es gelingt, sich mit Hilfe einer Uniform des Roten Kreuzes in eine Vorstellung des verehrten russischen Tänzers in der Wiener Oper einzuschmuggeln.

Und beim S spielt eine pfiffige Krankenpflegerin die Hauptrolle: Sie baut eine Bushaltestelle im Garten des Seniorenheims auf, um Demenzkranken die Illusion zu lassen, dass sie jederzeit nach Hause fahren können.

Aber Elke Heidenreich berichtet auch vom Tod einer Freundin im Hospiz und äußert Zweifel am Sinn der Glückssuche. „Glück“ vertrage sich nicht mit Kreativität, die meist da entstehe, „wo es dunkel ist und wo es weh tut. Was wir brauchen, sind die Sensiblen, die Durchlässigen.“

Auch zum Thema „Gott“ findet sich ein Eintrag. Es geht um den Besuch einer Kirche im Winter, die Erzählerin sucht im Inneren des Gotteshauses vergeblich nach einer Matte, um ihre schmutzigen Schuhe zu säubern. Da sitzt ein alter Mann, der sagt: „Gott schaut nicht auf die Schuhe, sondern ins Herz.“ Das, so heißt es im Text weiter, habe die Besucherin doch sehr gerührt: „Obwohl es so offensichtlich war, kamen mir die Tränen.“

Heidenreichs Vortrag wechselte immer wieder mit kurzen, stimmungsvollen Intermezzi des Organisten Marc-Aurel Floros ab. Das Innere des Altenberger Doms mit seinem starken Hall forderte der Autorin während der rund 45 Minuten ungewohnte Anstrengungen ab: „Bei solchen akustischen Verhältnissen muss man langsam lesen – aber langsam ist nicht meine Stärke.“ Im Anschluss signierte sie gern die mitgebrachten Bücher.

Für Dompfarrerin Claudia Posche sind die aktuellen Veranstaltungen im Altenberger Dom eine Fortsetzung der Reihe „500plus“, die anlässlich des Reformationsjahres gestartet wurde. „Wie nennen es jetzt 501plus“, erklärte sie lachend. Am 23. Dezember ist Harald Schmidt zu Gast in Altenberg.

Text: Hans-Willi Hermans
Foto(s): Hans-Willi Hermans