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Einer für alle, alle für einen: Gerd Köster, Frank Hocker und Helmut Krumminga in der Kulturkirche Köln

„Entschuldigung, wissen Sie, wo die Siebachstraße ist?“ Ja, wer sich in Nippes nicht auskennt, kann sich leicht verlaufen. „Siebachstraße? Da wollen Sie sicher in die Kulturkirche, zu Gerd Köster. Kommen Sie mit, da gehen wir auch hin.“ Unterwegs erzählen die beiden Frauen, dass die Kulturkirche die Lutherkirche ist, „so eine ganz niedliche Backsteinkirche. Wie man sich eine Kirche halt so vorstellt.“ Und, natürlich, evangelisch sei sie. „In einer katholischen Kirche finden solche Konzerte vielleicht mal in zehn Jahren statt“, vermutet eine der beiden Frauen.


Früher: Mit Gin Giva „unger dä Kirch“
Gerd Köster, der hätte sich hier nicht verlaufen. Ist der Musiker doch in Nippes aufgewachsen, hat im „Sanatorium Grün-Weiß Nippes“ Fußball gespielt, freiwillig oder unfreiwillig – das ist nachzulesen auf seiner Webseite. Und doch: „Es ist immer ein Abenteuer für mich, wieder nach Nippes zurückzukommen“, sagt er gleich zu Anfang dieses Konzerts. Das Konzert, das ist sein neues Programm mit dem Titel „frisch“ – alle Texte op kölsch, darum für Nicht-Kölner: „Frisch“ ist in diesem Fall weniger das Gegenteil von „vergammelt“, eher das Gegenteil von „pleite“ oder „schlecht drauf“. Die Musiker haben sich vorgenommen, endlich mal was gegen die schlechte Stimmung im Land zu tun.
Die Musiker, das sind neben Köster Frank Hocker und Helmut Krumminga – beide furios an den Gitarren. Die Kulturkirche kennt Köster schon fast seit deren Bestehen, 2002 gehörten er und Hocker mit zu den ersten Künstlern, die hier auftraten, zwischendurch gastierte er auch schon mal mit Dirk Raulf in der Siebachstraße.
Übrigens: Kösters erste Band hieß „Gin Giva“, und die hatte ihren ersten Auftritt ebenfalls in einem evangelischen Kirchraum, „unger dä Kirch“, Machabäerstraße, im Herbst 1972 – das war der Keller der Kreuzkirche. „Um Ihre Frage gleich vorweg zu nehmen: Ja, wir spielen auch ein paar religiöse Lieder“, kündigt Köster gleich zu Beginn in der Kulturkirche an, um später mit einer „religiösen Trilogie“ vom Fegefeuer bis zur „Weltreligion Geld“ darauf zurück zu kommen. Los geht’s aber erst mal ganz anders, nämlich mit dem Lied über den „Kameraden mit Namen Jupp, däm Hirsch vum Salsa-Single-Club.“

Heute: beste Technik in der Kirche
Vor Beginn des Konzerts und die ganze Zeit währenddessen: Gedränge an der Bierbar. Als sei’s das Selbstverständlichste der Welt. Die vielen Stammgäste kennen es nicht anders, einschließlich der augenzwinkernden Werbung vom Hausherrn, Pfarrer Thomas Diederichs, der den Gerstensaft des Sponsors preist. Selbstverständlich sitzen die Zuhörinnen und Zuhörer mit dem Bierglas in der Kirchenbank, ebenso selbstverständlich hängen an den Säulen der Kirche noch die Tafeln mit den Nummern der Kirchenlieder, die im letzten Gottesdienst gesungen wurden. Manche Menschen kommen, weil sie Stammgäste der Kulturkirche sind, andere waren noch nie hier, haben zufällig von Kösters Auftritt „im Radio gehört“ und finden es „ganz toll, dass das Konzert ausgerechnet in einer Kirche“ stattfindet. Und wer noch nie hier war, zeigt sich meist auch überrascht vom hohen Niveau der Technik – akustisch wie optisch. Wer anfangs das riesige Mischpult noch für „eine Attrappe“ hielt, wird schnell eines Besseren belehrt. Weit über den technischen Möglichkeiten vieler Konzerte in vergleichbarem Rahmen ist die bewährte Technik der Großbildleinwand: Von Videokameras live aufgenommen, werden Bilder der Musiker aus unterschiedlichen Blickwinkeln an die Kirchwand hinter dem Altar projiziert, oft noch überlagert von Bildern, die den jeweiligen Song illustrieren. Hier kann niemand sagen, er habe einen schlechten Sitzplatz: Die Großbildleinwand kann man gar nicht übersehen.

„Es gibt ein Leben zwischen den Stühlen“
Aber eigentlich kommt es ja gar nicht so sehr aufs Sehen an. Nicht bei Köster mit seiner unglaublich wandelbaren Stimme, die menschlichen Gesang in allen Varianten oder die Laute fast aller Vogelarten trillern kann, sanfte oder harte Töne, laute oder leise Lieder – alles drin bei Köster, der mit 22 Jahren das erste Mal als Sänger der mittlerweile legendären Kölner Gruppe „Schroeder Roadshow“ auf der Bühne stand. „Es gibt auch ein Leben zwischen den Stühlen“, hat Köster mal gesagt – und das könnte glatt sein musikalisches Motto sein: Lieder mit kölschen Texten ohne „Schunkel-Schmus“, und Karnevals-Attitude, schwarzen Blues übersetzt für alle Randfiguren des Kölner Straßenlebens, die Stones mit Kölner Zungenschlag und nicht zuletzt die „Krätzjer“ – im Kölsch-Wörterbuch ein wenig steif übersetzt mit „Schwank in musikalischer Form“.

Einer für alle, alle für einen
Köster und Hocker sollen sich Ende der 60er Jahre am Gymnasium Köln-Nippes kennen gelernt haben – und machen fast genauso lang gemeinsam Musik. 2005 haben sie diese musikalische „Ehe“ zum Anlass genommen, öffentlich mit viel Spaß und Musik ihre „Silberhochzeit“ zu feiern. Der Dritte im Bunde dieses Konzerts in der Kulturkirche, der „fantastische Friese“ Krumminga, ist nun wirklich auch kein Unbekannter: 1998 hat er „Major“, den Gitarristen von Niedeckens Band „bap“ an der Gitarre abgelöst, davor lange Jahre für Wolf Maahn gespielt. Zwei echte Profis an den Gitarren, das fetzt: Hocker und Krumminga fordern sich zum Gitarren-Duell, als gälte es, musikalisch die Musketier-Klingen zu kreuzen – einer für alle, alle für einen. Doch sie können auch anders. Bei den leisen Töne von Köster bleiben auch sie leise, Liebeslieder sanft, wie Liebeslieder halt sein sollen, das Loblied auf den Riesling frech – vor allem im Urteil über alle anderen Rebsorten und dann noch das: Die absolute Rarität des kölschen Liedgut – endlich hat mal jemand ein langsames und trauriges Schunkellied geschrieben.

Bei der Zugabe steht dann plötzlich Tom Waits musikalisch am „Parkplatz vom Südstadion“. Und während man sich noch fragt, wie er denn jetzt dorthin gekommen ist, stellt Köster die beiden Gitarristen vor. Der Rest geht größtenteils unter in frenetischem Applaus. Völlig zu Recht. Und die Sache mit Tom Waits und Gerd Köster, das ist sowieso eine ganz andere Geschichte….

Text: Maria Al-Mana
Foto(s): AL