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Eine Zukunft für Straßenkinder im Kongo

Straßenkindern im Ost-Kongo eine Perspektive und ein neues Zuhause geben – dafür setzen sich Kölnerinnen und Kölner in der Südstadt ein. Neben Pfarrer Hans Mörtter von der Lutherkirche unterstützen auch die KG Ponyhof und meinesuedstadt.de das Projekt.

„Das erste Mal war ich als ganz junge Frau da“, erklärt Lisa Tepass, die im Agnesviertel lebt und das Reit-Therapieprogramm auf einem Gestüt in Refrath leitet. „Ich habe Afrikanistik studiert und hatte den Kopf voller Afrika-Klischees“, sagt sie. Die erste Reise habe ihr viele Einblicke in die Realität des schwarzen Kontinents beschert, und immer wieder habe es sie fortan dorthin gezogen, vor allem in den Kongo.

Katastrophale medizinische Versorgung
Auf der ersten gemeinsamen Reise mit ihrem damaligen Freund Georg Roloff, Radiojournalist, sei dieser so schwer erkrankt, „dass ich wirklich Panik bekommen habe, dass er stirbt“, berichtet die Pädagogin. Diese Erfahrung in einem Land, in dem medizinische Versorgung und selbst trinkbares Wasser keine Selbstverständlichkeiten sind, habe sie geprägt. Wegen seines schlechten Zustands hatte ihr Partner damals Blutkonserven benötigt – eine Blutbank ist in kongolesischen Krankenhäusern jedoch ebenfalls keine Selbstverständlichkeit. Daraufhin beschlossen die beiden, zusammen mit der staatlichen Blutbank in Kongos Hauptstadt Kinshasa und einem befreundeten Mediziner, eine Blutbank in Goma aufzubauen.

Straßenkinder sind völlig schutzlos
„Bei den vielen Reisen, die wir zum Teil abenteuerlichst, auch während des Krieges, dorthin unternommen haben, sind uns unglaublich viele Straßenkinder aufgefallen, die ich zuletzt auch für eine Hörfunkreportage intensiv begleitet habe“, erzählt Roloff. Und seine Mitstreiterin fällt gleich ein: „Straßenkind-Sein dort ist nicht vergleichbar mit dem hier – da gibt es nichts, einfach nichts, wohin sie sich wenden könnten oder ein bisschen Schutz erführen – sie schlafen auf dem nackten Steinboden, es ist bitter kalt nachts, sie sind jeder Gefahr ausgeliefert, werden krank, essen, wenn sie überhaupt etwas finden, die schlimmsten Abfälle. Es gibt da keinen Müll, so wie hier, wo man vielleicht noch etwas Brauchbares finden kann.“

Kevin lebt jetzt bei einer Pflegefamilie

Kevins Rettung
Eines dieser Kinder haben die beiden in einer spontanen Hauruck-Aktion quasi von der Straße weg „gerettet“. „Wir haben gesehen, dass der Junge nicht laufen konnte und die anderen Kinder ihn getragen haben“, berichtet der Radiojournalist. Als sie die Gruppe angesprochen und nachgefragt hätten, habe sich gezeigt, dass der Junge eine schlimme, schon sehr infizierte Verletzung am Fuß und Fieber gehabt habe – ohne Hilfe und medizinische Versorgung wäre er gestorben. Und so brachten sie Kevin ins Krankenhaus, bezahlten seine Behandlung, und gingen mit ihm anschließend zur „Jericho Foundation“. Die Nichtregierungsorganisation betreibt ein kleines „Ausbildungszentrum“. Heimatlose Jugendliche können hier andocken und alles rund ums Schlossern und Metallwerken lernen. „Damit haben sie Chancen, einen Job zu finden, vor allem bei den Werften“ erklärt Roloff, denn Goma liegt an den Ufern des riesigen Kivu-Sees.
Die Mitarbeiter der Organisation engagieren sich aber auch dafür, Straßenkinder an Pflegefamilien zu vermitteln und ihnen damit zu einem Platz in einer Gemeinschaft, einem Dach über dem Kopf und einer Schulbildung zu verhelfen. Das ist das neueste Projekt der „Jericho Foundation“, die mit Hilfe der beiden Kölner eine entsprechende Struktur aufbauen will.

Die NGO „Jericho Foundation“ will Straßenkinder in Pflegefamilien unterbringen
„80 Euro braucht man pro Monat, um ein Kind in einer Pflegefamilie zu finanzieren,“ sagt Georg. „Da sind dann der Lebensunterhalt, die Schuluniform und das Schulgeld drin“ – und natürlich auch ein kleiner Betrag für die Organisation durch die 'Jericho Foundation' sowie ein Mini-Zuschuss für die Pflegefamilie. „Denn das sind meist ebenfalls sehr arme Familien mit vielen Kindern, für die das eine Möglichkeit ist, neben den Ausgaben für das Pflegekind auch noch ein paar Euro übrig zu haben, um die gesamte Familie besser ernähren zu können,“ fügt Lisa Tepass hinzu. „Außerdem würde sonst auch niemand ein Straßenkind aufnehmen, denn sie sind nicht gut angesehen, viele Menschen stehen ihnen abergläubisch gegenüber“, ergänzt Georg Roloff.

Dauerhafte finanzielle Unterstützung nötig
Georg Roloff und Lisa Tepass haben Kevin nicht nur vor dem sicheren Tod gerettet, sie bezahlen für ihn auch die laufenden Unterhaltskosten an die Pflegefamilie – die Hilfe soll schließlich nachhaltig sein. Mitglieder der „Jericho Foundation“ besuchen ihn regelmäßig, um sich ein Bild von seiner Eingliederung und seinen neuen Lebensumständen zu machen und berichten monatlich an die deutschen Paten. „Das ist uns wichtig“ sagt Roloff, „Transparenz, so dass wir sehen können, wie es den Kindern in Zukunft ergeht. Und dass das eben auch wirklich Zukunft hat. Die „Jericho Foundation“ könnte aus dem Stand rund hundert Kinder in Familien vermitteln, aber wir haben gesagt, wir wollen erst mal schauen, ob wir hier Mitstreiter gewinnen, die auch sagen: 'Ja, wir sind dabei, wir bauen jetzt alle zusammen langsam diese Struktur auf, damit die dann auch dauerhaft tragfähig ist'.“

Weitere Informationen zu dem Projekt erhalten Interessierte bei Pfarrer Hans Mörtter. Er hat bei der Evangelischen Kirche ein Spendenkonto unter dem Stichwort „LK-Kongo Straßenkinder“ eingerichtet.
Kontakt: moertter(a)kirche-koeln.de, Telefon 0221/38 44 63.

Text: Judith Levold/APK
Foto(s): Tamara Soliz/ Lisa Tepass